Herbaria-Chef im Interview: „Der Abschied war quasi alternativlos“
Herbaria war über Jahre für Fischbachau mehr war als ein wichtiger Arbeitgeber. Nun ist diese Ära beendet. Das Unternehmen zieht nach Bruckmühl.
Dass Herbaria für Fischbachau mehr war als ein wichtiger Arbeitgeber, zeigte sich vor fünf Jahren besonders eindrucksvoll. Drei Tage lang feierte das Unternehmen im Sommer 2019 zusammen mit dem Tourismusverein Jubiläum: 100 Jahre Herbaria, 200 Jahre Fremdenverkehr in Fischbachau. 2025 wäre der nächste Anlass für eine Sause gewesen: 25 Jahre Herbaria in Fischbachau. Stattdessen hat kürzlich eine Abschiedsparty auf dem Firmengelände an der Hagnbergstraße im Ortsteil Hammer stattgefunden. Wie berichtet, zieht der Hersteller von Kräuterprodukten wie Gewürzen und Tees Ende des Jahres nach Bruckmühl. Dorthin, wo die Salus-Gruppe – zu der Herbaria gehört – ihren Sitz hat.
Mit ein paar Tagen Abstand zur Bürgerversammlung, bei der Rathauschef Stefan Deingruber auf Anfrage eines Bürgers erstmals öffentlich den Abzug der Firma bekanntgegeben hat, äußert sich nun auch Geschäftsführer Erwin Winkler (54). Im Interview erklärt er, wieso die Entscheidung für den Standortwechsel quasi alternativlos, aber dennoch nicht weniger schmerzhaft war, und wie Herbaria trotzdem mit Fischbachau verbunden bleiben will.
Herr Winkler, Sie hatten kürzlich Besuch vom Bürgermeister. Ein letzter Versuch, Sie doch noch umzustimmen?
Nein. Der Anlass war die offizielle Verabschiedung. Es war ein sehr angenehmes Gespräch.
Sie gehen also im Guten auseinander?
Absolut. Wir hatten immer ein gutes Einvernehmen mit der Gemeinde, daran hat sich bis zum Schluss nichts geändert. Als unsere Entscheidung im Sommer gefallen war, habe ich Stefan Deingruber selbstverständlich darüber informiert. Und er hat – wie es sich für einen guten Bürgermeister gehört – angeboten, uns bei der Suche nach einem Alternativstandort in Fischbachau zu unterstützen. Ich habe ihm aber von Anfang an gesagt, dass wir hierfür keine Möglichkeit sehen. Alles andere als eine Ansiedlung in Bruckmühl wäre aus unternehmerischer Sicht nicht vertretbar gewesen. Die Nähe zu Salus ist unabdingbar, um unsere Kräfte in einem immer schwierigeren Marktumfeld weiter zu bündeln.
Das heißt, Sie sitzen künftig wirklich unter einem Dach?
Aktuell tatsächlich, allerdings ist das nur eine Übergangslösung. Unser künftiges Domizil in der ersten Etage im sogenannten Arkadenhaus wird gerade saniert und für unseren Bedarf umgebaut. Das hat für uns den Vorteil, dass wir hier moderne Büroräume im Stil eines Open-Work-Space einrichten können. Dennoch brauchen wir nur über die Straße gehen und sind schon bei Salus. Das erleichtert den Austausch und steigert die Effizienz unserer ohnehin schon sehr engen Zusammenarbeit enorm.
Und die Halle für die Logistik?
Die brauchen wir nicht mehr. Wir haben diesen Bereich an die Firma Loxxess aus Ebermannsdorf in der Oberpfalz vergeben, ein langjähriger Partner von uns. Ein konsequenter Schritt, wenn man bedenkt, dass wir bereits seit 2007 nicht mehr am Standort Fischbachau produzieren. Dennoch sind wir hier an unsere Grenzen gestoßen. Nicht in Sachen Kapazität, sondern wegen der stetig gestiegenen Auflagen. Nicht zuletzt, weil auch frei verkäufliche Arzneimittel zu unserem Portfolio gehören. Von der Bio-, Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifizierung oder auch der künftigen IFS-Zertifizierung ganz zu schweigen.
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Auch ein Grund für den Wegzug?
Ein ganz wesentlicher, würde ich sagen. Wir haben über viele Jahre immer wieder in die Gebäude investiert, um uns an diese Anforderungen anzupassen. Man muss aber wissen, dass die Räume damals für eine Kistenfabrik, also für die Holzindustrie, gebaut wurden. Da stehen die Umbau- und Ausstattungskosten irgendwann in keinem Verhältnis mehr. Der Wunsch der Eigentümer nach deutlich teureren Mietkonditionen hat dann aber den Ausschlag für die Standortentscheidung gegeben. Aber auch die haben wir uns nicht leicht gemacht.
Inwiefern?
Ich arbeite gern mit Kärtchen, auf denen ich Pro- und Kontra-Argumente sammle. Am Ende lagen auf der Seite für den Wegzug zehn, auf der Seite für den Verbleib nur eine.
WIe haben das die gut 30 Mitarbeiter aufgenommen?
Wir haben sie von Anfang an bestmöglich eingebunden. Im Juni in einer Betriebsversammlung und dann in vielen persönlichen Gesprächen. Bis auf zwei sind alle Kolleginnen und Kollegen gut untergekommen. Alle 14 Mitarbeiter der Verwaltung ziehen mit uns um. Einige Mitarbeiter der Logistik haben sich erfolgreich bei Salus beworben, andere konnte ich durch mein gutes Netzwerk an andere Firmen in der nahen Umgebung vermitteln. Dagmar Kloo, die bisher unseren Werksverkauf betreut hat, wird diesen bestmöglich und mit ihren drei Mitarbeiterinnen in ihrem Drogeriemarkt in Fischbachau weiterführen. Das freut mich sehr, weil es unsere nach wie vor starke Verbundenheit mit dem Ort zeigt.
Die bleibt also trotz Umzug bestehen?
Auf jeden Fall, das habe ich auch im Gespräch mit dem Bürgermeister betont und meine Unterstützung angeboten. Die Marke Herbaria wird bestehen bleiben und sich auch weiter gern im Leitzachtal präsentieren. Ideen dafür gibt es auf jeden Fall, über die Umsetzung werden wir uns noch Gedanken machen.
Stichwort Gedanken: Wohin steuert Herbaria in den nächsten Jahren?
Auch das werden wir gemeinsam mit der Salus Gruppe bewerten und uns dementsprechend zukunftsfähig aufstellen. Das Marktumfeld ist definitiv schwieriger geworden. Als nach der BSE-Krise die Nachfrage nach Bio-Produkten so richtig Fahrt aufgenommen hat, waren wir noch ein Pionier und haben stark davon profitiert. Heute mischen auch die Discounter mit, was vor allem die Bioläden als unsere Vertriebspartner zu spüren bekommen – und sich dann natürlich auch auf unsere wirtschaftliche Situation auswirkt. Dem wollen wir nun strategisch begegnen. Ich bin mir sicher, dass uns das als Gruppe auch gelingen wird.
Man merkt, ihr Blick geht nach vorn. Ist da noch Platz für Abschiedsschmerz?
Oh ja, eine ganze Menge. Ich wohne zwar in Bad Aibling, aber durch meine 25 Jahre bei Herbaria ist Fischbachau auch fast zu meinem privaten Lebensmittelpunkt geworden. Ich habe hier eingekauft und habe hier sogar meinen Hausarzt. Nicht zuletzt wegen ihrer Bodenständigkeit ist mir die Gemeinde sehr ans Herz gewachsen. Also habe ich auch privat weiter viele gute Gründe, immer wieder hier vorbeizuschauen.