Putin am Scheideweg: Ukraine-Angriffe lähmen Russlands wichtigstes Standbein
Russland geht durch die Drohnen-Attacken der Ukraine offenbar das Benzin aus. Ein Umstand, der Wladimir Putin nicht nur militärisch Sorgen bereitet.
Moskau – An der Front im Ukraine-Krieg scheint derzeit alles für Wladimir Putin zu sprechen. Dennoch kann sich Russland nicht ausruhen, da die jüngste Welle ukrainischer Drohnenangriffe auf Ölraffinerien tief im russischen Inland mehr als nur ein unangenehmer Dorn im Auge des Kreml-Autokraten ist. Die Attacken der Ukraine sorgen nämlich zusehends für große Probleme und treffen Russlands Wirtschaft mitten ins Herz.
Die Angriffe auf die Ölraffinerien haben dabei offenbar das Undenkbare bewirkt: Der größte Petrostaat der Welt hat kaum noch Benzin. Ein Umstand, der für Russland einem herben Verlust gleichkommt, da dieser Teil der Wirtschaft Putins wichtigstes Standbein ist.
Putin in Aufruhr: Russland geht nach Ukraine-Angriffen das Benzin aus
Dies bekommen auch die Russlands Bürger zu spüren und könnte Putin zunehmend in Aufruhr versetzen. Denn allein die Dieselpreise sind nach Angaben der Regierung in der vergangenen Woche um fast 10 Prozent gestiegen. Auch die Benzinkosten haben den höchsten Stand der vergangenen sechs Monate erreicht. Insgesamt sind sie seit Jahresbeginn um mehr als 20 Prozent gestiegen, da sich das Angebot verknappt und immer mehr Anlagen gezwungen sind, die Produktion einzustellen.
Am vergangenen Mittwoch wurden zwei Treibstofflager des russischen Energieriesen Rosneft rund 500 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt durch Drohnen schwer beschädigt und der Treibstoff ging in Rauch auf. Mehr als ein Dutzend Raffinerien in neun russischen Regionen wurden in diesem Jahr in ähnlicher Weise angegriffen. Die ukrainische Regierung erklärte unlängst, dass die Industrie Russlands ein legitimes Kriegsziel sei.
Ukraine-Angriffe zwingen Russland zu historischem Tiefstand bei Treibstoffexporten
„Es ist wie mit einer Mücke – wenn man sie nicht findet, nicht töten kann und sie Nacht für Nacht wiederkommt, ist man irgendwann erschöpft“, sagte Philip Ingram, ein ehemaliger britischer Geheimdienstoffizier und NATO-Planer im Gespräch mit dem US-Nachrichtenportal Politico. „Das ist eine sehr gute Methode, um den Druck von der Front zu nehmen.“
Infolgedessen hat Moskau seine Treibstoffexporte auf einen nahezu historischen Tiefstand gesenkt: In der vergangenen Woche wurden nur noch 712.000 Tonnen Diesel und Gasöl verschifft, verglichen mit mehr als 844.000 Tonnen in der gleichen Woche im Jahr 2023.
Putin sieht sich wegen der ukrainischen Angriffe politischen und militärischen Problemen ausgesetzt
Für Putin, der europäische Banken anzapft, ist das sowohl ein politisches als auch ein militärisches Problem, weil den Panzern das Benzin ausgeht. Billiger Treibstoff ist nicht nur für Russlands Kriegsanstrengungen unverzichtbar, sondern auch ein wichtiger Bestandteil des Angebots an die Bevölkerung. Ein Gegenmittel; gegen sinkende Löhne und einen schwachen Rubel.
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Die wirtschaftliche Entwicklung durch die empfindlichen Nadelstiche bleibt auch der Ukraine nicht verborgen. Der sich derzeit einstellende Erfolg gibt Kiews Truppen weiteren Aufwind, um die neue Strategie fortzuführen. Immerhin sagte der Igor Juschkow, ein Analyst des Nationalen Energiesicherheitsfonds Russlands, in dieser Woche in einem Gespräch mit lokalen Medien, dass die Preise in nächster Zeit wahrscheinlich nicht sinken werden. Möglicherweise könnte Russland sogar dazu gezwungen sein, Benzin aus Reserven im benachbarten Belarus zu importieren.
Russlands Wirtschaft am Scheideweg: Maximale Erlöse in der Industrie oder Russen an der Heimatfront unterstützen
Während die meisten westlichen Länder die Einfuhr von raffinierten russischen Kraftstoffen wie Benzin und Diesel eingestellt haben, kaufen die Vereinigten Arabischen Emirate sowie eine Handvoll südamerikanischer und nordafrikanischer Staaten weiterhin russische Kraftstoffe. Nun steckt Putin allerdings in dem Dilemma, dass Moskau sich entscheiden muss, ob es den Geldfluss in seine Kriegskasse maximieren oder die Versorgung von Soldaten und Zivilisten sicherstellen will.
„Die ‚physischen Sanktionen‘ der Ukraine können die tatsächlichen Sanktionen beschleunigen“, sagte Maria Shagina, Expertin für die russische Wirtschaft am Internationalen Institut für Strategische Studien bei Politico. „Kiew hat die technologische Verwundbarkeit Moskaus erkannt, und die ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Raffinerien beschleunigen die Auswirkungen der westlichen Sanktionen, die diese Raffinerien bereits in Schwierigkeiten gebracht haben.“
Ukraine-Strategie erzielt Wirkung: Muss Putin Russlands neue Offensive im Ukraine-Krieg begraben?
Die Angriffe der Ukraine auf Russlands Ölraffinerien lösen aber nicht überall auf der Welt Jubel aus. Stattdessen haben die USA, die zu Kiews wichtigsten Unterschützern gegen Putins Angriffskrieg zählen, unlängst eine Warnung gegen die Strategie ausgesprochen. Unter anderem positionierte sich US-Verteidigungsminister Lloyd Austin öffentlich gegen die Angriffe, weil die Befürchtungen groß seien, dass der globale Energiemarkt empfindliche Störungen erleiden könnte.
Während Putins Streitkräfte unvermindert ihre Attacken gegen die ukrainische Infrastruktur fortführt, hat Kiew geschworen, trotz der Warnungen alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Russlands Fähigkeit zur Kriegsführung weiter zu untergraben. Die Angriffe „zeigen Wirkung, weil sie die Ölinfrastruktur und andere kritische nationale Infrastrukturen zerstören“, bestätigt Ingram bei Politico die Wirkung der ukrainischen Strategie. Inwiefern dieser Umstand Putin und Russland von einer neuerlichen Offensive an der Ukraine-Front abhält, bleibt allerdings abzuwarten.