Möglicher Krieg um Taiwan: Dutzende Staaten stellen sich hinter China

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China will sich Taiwan einverleiben, notfalls mit Gewalt. Für Dutzende Staaten wäre das kein Problem. Von einem „Freibrief für die Eskalation militärischer Aggressionen“ spricht ein Experte.

Wenn es um Taiwan geht, lässt Chinas Staatschef Xi Jinping keinen Raum für Zweifel: Um den demokratisch regierten Inselstaat der Volksrepublik anzugliedern, „behalten wird uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen“, erklärte Xi auf dem letzten Parteitag von Chinas regierenden Kommunisten. Zwar solle die „Wiedervereinigung“ möglichst friedlich erfolgen, so Xi weiter. Aber: „Wir werden niemals versprechen, auf den Einsatz von Gewalt zu verzichten.“ Heißt: Auch ein Krieg um Taiwan ist für China eine Option.

Vor allem in den USA sind viele Beobachter und Politiker überzeugt, dass Chinas Volksbefreiungsarmee schon 2027 die Fähigkeit erlangt haben wird, eine großangelegte Invasion Taiwans zu starten. Ob Xi Jinping dann aber tatsächlich den Befehl zu einem Angriff auf den 23-Millionen-Einwohner-Staat gibt, ist völlig unklar. Denn Xi weiß: China müsste mit einer entschlossenen Reaktion des Westens rechnen – mit massiven Sanktionen etwa, die das Zeug hätten, die ohnehin schon schwächelnde chinesische Wirtschaft weiter nach unten zu ziehen.

Von Dutzenden anderen Staaten aber kann Xi Rückendeckung erwarten. Wie eine neue Auswertung des Magazins Economist zeigt, sagen 70 Länder weltweit, dass sie das Recht Chinas auf „alle“ Bemühungen um die „Wiedervereinigung“ mit Taiwan offiziell anerkennen. Und das bedeutet eben auch: dass sich China Taiwan mit Gewalt einverleiben darf, wenn es das möchte. Die Zahl der Staaten, die Chinas Säbelrasseln ausdrücklich hinnehmen, steigt demnach seit Jahren an.

Dutzende Staaten in Afrika unterstützen Taiwans China-Politik

Ausgewertet hat das Magazin unter anderem bilaterale Erklärungen von China und seinen Verbündeten. So sagte zuletzt etwa der Präsident von Sri Lanka bei einem Treffen mit Xi Jinping, dass sein Land „alle Bemühungen der chinesischen Regierung, die nationale Wiedervereinigung zu erreichen, entschieden unterstützt“. Ähnlich äußerten sich im vergangenen September gleich 53 afrikanische Staaten auf einmal, bei einem von Xi veranstalteten Afrika-Gipfel in Peking.

Von den 70 Ländern, die sich vorbehaltlos hinter Chinas Taiwan-Politik gestellt haben, liegen der Auswertung zufolge 97 Prozent im sogenannten Globalen Süden. Was kaum verwundert, schließlich baut Peking seit Jahren seinen Einfluss in der Region kontinuierlich aus, etwa durch sein Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“. „Ich denke, dass China durch die Seidenstraße geopolitisch und auch wirtschaftlich, gerade im Globalen Süden, ein höheres Ansehen erreichen konnte“, sagte unlängst die Asien-Expertin Lisa Flatten von Germany Trade & Invest, der Außenwirtschaftsagentur des Bundes, im Interview mit unserer Redaktion.

Nun bedeuten die Äußerungen der 70 engen China-Freunde zwar nicht, dass sie einen Angriff auf Taiwan direkt unterstützen würden, etwa mit Waffen oder ähnlichem. Die Länder könnten allerdings versuchen, China diplomatisch den Rücken freizuhalten, zum Beispiel in den Vereinten Nationen. Eine klare Verurteilung eines chinesischen Angriffs in der UN-Generalversammlung scheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich. Zudem geht es China wohl darum, eine mögliche Invasion als gerechtfertigten Schritt darzustellen. Je mehr Staaten sich hinter die chinesischen Gewaltdrohungen stellen, desto mehr wird auch ein militärisches Vorgehen legitim, so das chinesische Kalkül.

Konflikt um Taiwan
Soldaten aus Taiwan stehen im Januar 2023 Wache nach einer Bereitschaftsübung, bei der die Verteidigung gegen Pekings militärische Angriffe simuliert wurde. © Daniel Ceng/AP/dpa

Nur elf Länder unterhalten diplomatische Beziehungen mit Taiwan

Schon jetzt behauptet Peking immer wieder, es sei „universeller Konsens der internationalen Gemeinschaft“, dass Taiwan ein Teil Chinas sei. Was bei genauer Betrachtung freilich nicht ganz stimmt. So unterhalten immerhin elf Staaten sowie der Vatikan diplomatische Beziehungen mit Taiwan (und verzichten im Gegenzug auf Beziehungen zur Regierung in Peking).

Und von den restlichen Staaten, die keine Beziehungen zu Taiwan unterhalten, unterstützen längst nicht alle die chinesischen Ansprüche auf den Inselstaat. So zeigt eine im Januar veröffentlichte Auswertung der australischen Denkfabrik Lowy Institute, dass 40 Länder die chinesische Position zwar „zur Kenntnis nehmen“, „anerkennen“ oder „respektieren“ – diese aber nicht ausdrücklich unterstützen. Dazu gehören unter anderem die USA, Kanada und Australien. Von weiteren 23 Staaten, darunter auch Deutschland und Frankreich, gingen „gemischte Signale“ aus, so die Studie.

„Obwohl China selbstbewusst behauptet, es gäbe einen internationalen Konsens, ist die Welt in Bezug auf Taiwan tatsächlich gespalten“, sagt Benjamin Herscovitch vom Lowy Institute. Es sei allerdings besorgniserregend, dass sich immer mehr Länder hinter Peking stellen würden. Denn das, so Herscovitch, könnte China einen „Freibrief für die Eskalation militärischer Aggressionen und anderer Zwangsmaßnahmen gegen Taiwan ausstellen“.

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