Gewonnen und doch verloren? Launiger Scholz überrascht beim TV-Duell gegen Merz
Ein letztes Mal vor der Wahl traten Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) im TV gegeneinander an. Scholz wählte einen besonderen Weg und überzeugte – zumindest in Sachen Unterhaltung.
Berlin – Vier Tage vor der Bundestagswahl trafen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beim letzten großen TV-Duell aufeinander. Vor dem Duell waren die Rollen klar verteilt: Merz gilt als Wahlsieger und nächster Kanzler quasi als gesetzt. Noch-Kanzler Scholz war auf ein Wunder angewiesen. Entsprechend ging der Kanzler in die Offensive – aber anders, als wohl viele dachten.
Scholz und Merz wirken im TV-Duell kurz vor der Bundestagswahl gelöst
„Nö“, „doch“, „soll ich es Ihnen erklären?“ - mit gleich einer ganzen Reihe von flotten Zwischenrufen und launigen Antworten sorgte Scholz beim TV-Duell bei Welt-TV und BILD für so einige Schmunzler, sowohl vor wie hinter der Kamera im Axel-Springer-Gebäude. So kurz vor der Wahl könnte man annehmen, dass die Nerven aller Beteiligten blank liegen. Sie touren seit Wochen durch die Bundesrepublik, haben täglich etliche Termine und Auftritte. Umso verwunderlicher dürfte für viele das Duell im Privatfernsehen gewesen sein. Die Stimmung war bis auf wenige Ausnahmen im Gespräch sehr gelöst, Scholz und Merz wirkten oft locker und gut gelaunt, fast wie Freunde, die einander necken.

Beim ersten Aufeinandertreffen der beiden im TV-Duell von ARD und ZDF vor einigen Tagen waren die Rollen vertauscht: Der eigentlich ruhige Scholz schaltete auf Angriff, der sonst öfter launige Merz trat betont besonnen auf. Auch bei Welt rief Scholz öfter dazwischen und unterbrach Merz; dieser gab sich geduldiger, lies den Kanzler meist ausreden.
Wirtschaft, Migration, Ukraine-Krieg – keine Überraschung bei Themen
Besprochen wurde, was ohnehin im Wahlkampf dominiert: Deutschlands lahmende Wirtschaft, der Ukraine-Krieg, die innere Sicherheit und Migrationspolitik. Neue Forderungen kamen keine auf: Scholz wies wie zuletzt häufig auf die umstrittene Abstimmung im Bundestag mit gemeinsamen Stimmen von Union und AfD hin und warnte vor einer Koalition der beiden – die Merz natürlich abwiegelte. Der CDU-Politiker dagegen warf Scholz in gewohnter Manier fehlende Wirtschaftskompetenz am Beispiel der vergangenen drei Ampel-Jahre vor und machte in Richtung Scholz klar: „Da wird jetzt kein Wunder mehr passieren. Ihre Zeit als Bundeskanzler ist in vier Tagen zu Ende.“
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Während Scholz SPD-typische Politik durch Entlastungen der kleinen Leute forderte, fokussierte sich Merz auf Steuersenkungen für die Wirtschaft. Beide waren sich in ihren Zielen oft einig: Mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber und Gewalttäter, Sanktionen für Bürgergeldempfängerinnen und Empfänger, die arbeitsfähig, aber nicht willig sind. Einzig die Wege zum selben Ziel unterschieden sich hier und da.
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Scholz mit flotten Zwischenrufen – Merz dürfte trotzdem zufrieden sein
Wo beide Kandidaten inhaltlich nicht überraschten, taten sie es im Umgang miteinander. Mehrmals während der Sendung lachten beide und gingen respektvoll, aber freundlich und mit Humor miteinander um. So sagte Scholz auf Frage der BILD-Chefredakteurin Marion Horn und Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard, er würde sich von Merz (der einen Flugschein besitzt) herumfliegen lassen. Merz entgegnete, er würde mit dem gerne rudernden Scholz gemeinsam in ein Boot steigen – „auch ohne Schwimmweste.“
Ob jemand, der noch unentschlossen war, durch das Duell zu einer klaren Wahlentscheidung kam, darf wohl bezweifelt werden. Und auch Kanzler Scholz dürfte mit seinem Auftritt nicht die wundersame Aufholjagd besiegelt haben. Trotzdem zeigte der Kanzler, dass er anders als der Scholz-O-Mat kann. Scholz sorgte durch seine bissigen und spitzen Kommentare für ein durchaus unterhaltsames Duell. Aber auch Merz war gut gelaunt und ließ sich davon nicht aus der Reserve locken. Der CDU-Kanzlerkandidat dürfte zufrieden sein; auch nach dem Duell muss er nicht fürchten, noch von Scholz eingeholt zu werden.