„Kommt eine ganze Menge zusammen“: Kosten zum Schulanfang belasten viele Familien – Es gibt Unterstützung

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Am Dienstag starten 1274 ABC-Schützen im Landkreis ins Schulleben. Deren Erstausstattung kostet viel Geld. © Philipp Schulze

Der Schulanfang kann für Eltern eine finanzielle Belastung darstellen. Blöcke, Hefte, Stifte und Co. sind nicht günstig. Einige Familien können die nötige Summe dafür nicht aufbringen.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Der Schulanfang ist teuer. Kinder brauchen einen Malkasten, Deckfarbe, Wasserbecher, Deckweiß und in der ersten Klasse in Geretsried vier Pinsel – davon zweimal Borsten. Mappen, Schnellhefter, natürlich ein Federmäppchen mit Bleistiften, Radiergummi, Linealen und Holzfarbstiften müssen die Eltern besorgen. Sie brauchen auch Blöcke und Tonpapier, Scheren und ein Schlampermäppchen für das alles. Zum Turnen braucht‘s Kleidung – Schuhe unbedingt mit heller Sohle – und fürs Klassenzimmer Hausschuhe. Das Ganze wird verstaut in einem Schulranzen. Hausaufgaben machen die Kinder meist an einem neuen Schreibtisch. Und weil das noch nicht ausreicht, bringen die Eltern zum ersten Elternabend der ersten Klasse bitte 100 Euro mit, weil die Lehrer Geld für Hefte, Arbeitshefte und Umschläge auslegen müssen.

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Schulanfang: Eine teure Angelegenheit für Eltern

Auch, um die Kosten im Alltag irgendwie im Griff zu behalten, besuchen immer mehr Menschen Secondhand-Shops. „Ich glaube, auch das Thema Nachhaltigkeit wird dabei immer größer. Da ist schon ein Bewusstsein da“, erklärt Melanie Baindl. Sie leitet den Kinderladen der Caritas in Geretsried. Zehn Schulranzen stehen im Regal. Ein blaues Exemplar von McNeill ist da zu haben – für sechs Euro. Und ein weiterer Ranzen der Marke mit gelb-rot-rosa Muster, den man für vier Euro kaufen kann. „Es kamen einige Spenden jetzt vor dem Schulstart zusammen“, sagt Baindl. Wirklich viel verkauft worden ist davon heuer nicht. Dabei seien viele Familien regelmäßig im Laden. Vielleicht, so mutmaßt eine Mitarbeiterin, hat die Einmal-Anschaffung erster Schulranzen einen so hohen Stellenwert, dass ihn die Familien neu kaufen wollen. „Und eine große Aktion zum Schulstart haben wir auch nicht gemacht.“

Wenn die Eltern bereits Wohngeld empfangen oder Bürgergeld beziehen, werden sie über die finanziellen Hilfen für Schulkinder automatisch informiert.

Über 100 Euro werden für das Schulmaterial fällig

Im Isar-Kaufhaus in Geretsried sind die relativ günstigen Rucksäcke beliebt, sagt Leiter Frederik Holthaus. Und zwar nicht nur einmal: Zum Schulstart kriegen alle Kinder einen Ranzen, die meisten ab der fünften oder sechsten Klasse einen neuen Rucksack. Viele Eltern kamen in den vergangenen Tagen mit Materiallisten ins Kaufhaus an der Egerlandstraße. Dann packte Gerda Kerkströer die vielen verschiedenen Arbeitsmittel in einen Korb, den die Eltern dann abholten. Für unsere Zeitung hat sie ein Rechenbeispiel zusammengestellt – mit Materiallisten einer Grundschule aus dem Nordlandkreis. Für einen Drittklässler und eine Erstklässlerin würden nur mit Schreibwaren gut 140 Euro fällig. Nämlich genau 101,21 Euro für den kompletten Drittklass-Materialsatz und 38,93 Euro für die Erstklässlerin.

Im Isarkaufhaus gibt es vor dem Schulstart Rabatte

Allerdings sind da noch keine Hefte eingerechnet – dafür sollen die Erstklässler-Eltern 100 Euro zusätzlich an die Lehrerin geben. Das Ende der Ausgaben ist noch nicht erreicht. „Da ist noch kein Rucksack, kein Turnzeug, kein Schreibtisch dabei“, sagt Kerströer. Kostentreiber für die Eltern bei den Schreibwaren sind auf dem Kassenzettel erkennbar. Mehrere Kieserblöcke braucht die Erstklässlerin, ein Füller mit Patronen für den Drittklässler kostet eigentlich 13 Euro, ist vor dem Schulanfang aber auf 7,99 Euro reduziert. Es gibt vor dem Schulstart Rabatt auf alle Schreibwaren. Das hat einen Grund: „Die Eltern haben da schnell eine höhere Summe zusammen, weil es so viele Dinge sind, die gebraucht werden“, erklärt Fachfrau Kerkströer. Für keinen einzigen Artikel muss man im Isar-Kaufhaus einen zweistelligen Betrag zahlen.

Die Summe der einzelnen Anschaffungen ist es, die einige Familien auf einen Schlag nicht aufbringen können. Landratsamts-Pressesprecherin Sabine Schmid erklärt, dass es Hilfen für Familien gibt. „Wenn die Eltern bereits Wohngeld empfangen oder Bürgergeld beziehen, werden sie über die finanziellen Hilfen für Schulkinder automatisch informiert“, sagt die Pressesprecherin. Es handle sich um Fixbeträge, die den Eltern zur Verfügung gestellt würden, um die Kinder auszustatten. Das geschehe im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets. Darüber hinaus habe es im Landratsamt kaum Anfragen gegeben. Auch bei der Caritas gab es zwar vereinzelte Anfragen, wie eine Mitarbeiterin erklärt, aber die ganz große Not zum Schulanfang sei nicht eingetreten. Landratsamts-Sprecherin Schmid stellt fest: „Das ist über Jobcenter und Bürgergeld geregelt, dass den Eltern die Unterstützungsmöglichkeiten erläutert werden. Familien wenden sich dann an die Stelle, die sie schon kennen.“

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Patenverein Oberland hilft Familien in der Not

Manchmal vermitteln die Stellen dann weiter. Zum Beispiel an den Patenverein Oberland, der sich für Familien und Kinder einsetzt – in manchen Fällen monetär, in manchen durch Unterstützung. „Im vergangenen Jahr waren es etwa 30 bis 40 Familien“, sagt Gabriele Fuchs. Als ehemalige Grundschullehrerin und Rektorin weiß sie, wie groß die Anschaffung gerade zum Schulstart ist. „Wenn da ein Erstklässler alles neu braucht, da kommt schon eine ganze Menge Ausrüstung zusammen. Und wenn‘s dann zwei oder drei Kinder sind, erst recht.“ Für einige Familien sei der Schulstart eine hohe Hürde. „Wir hatten einmal eine Kampagne zu dem Thema, da gab es viel Zulauf“, sagt Fischer. Der Verein unterstützt mehrere Kinder auch in der weiteren Schullaufbahn. Zum Beispiel mit ehrenamtlichen Betreuern bei den Hausaufgaben oder finanziellen Zuwendungen für Klassenfahrten. „An einigen Schulen gibt‘s dafür auch Fördervereine“, sagt die Lenggrieserin.

Fördervereine unterstützen Eltern und Schüler

An der Wolfratshauser Grund- und Mittelschule ist das der Fall. Johannes Müller-Räcke, der Vorsitzende des noch jungen Vereins, erklärt: „Wir haben da feste Rahmen gesetzt, in denen wir unterstützen.“ Für Klassenfahrten etwa sei das Budget auf 50 Euro maximal je Kind festgelegt. Zuletzt hätten Fahrten ins Schullandheim 120 Euro pro Kind gekostet. „Vor allem die Ausgaben für die Bus-Unternehmen sind gestiegen.“ Zuschüsse gibt der Verein nur auf konkrete Anfrage oder einen Hinweis aus dem Direktorat. Johannes Müller-Räcke bezweifelt, dass jede Familie, die die Zuwendungen gut brauchen könnte, auch wirklich in den Genuss einer Unterstützung kommt. „Das Thema ist ziemlich schambehaftet. Manche wollen das vor der Schulfamilie nicht ansprechen.“ Das müssten sie auch nie, betont der Fördervereins-Vorsitzende: „Wir behandeln das ganz diskret und legen großen Wert auf Datenschutz.“ Für ihn sei wichtig, dass alle Kinder im Schulleben dieselben Chancen haben – egal, wie hoch das Einkommen der Eltern ist. „Deshalb versuchen wir zu helfen.“

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