Neue Hürden beim Netzausbau – Erdkabel treiben Ampel in die Kostenfalle
Die Bundesregierung will den Netzausbau vorantreiben. Dabei war der Bau gewaltiger Erdkabeltrassen geplant. Doch jetzt äußern Experten Sorgen wegen der Kosten.
Berlin – 18.000 Kilometer Stromnetz: So viel muss die Bundesregierung für die Energiewende ausbauen oder verstärken. Insgesamt ist das deutsche Stromübertragungsnetz rund 35.000 Kilometer lang. Sogenannte Stromautobahnen wie A-Nord vom Netzbetreiber Amprion oder der SuedLink-Leitung aus der Kooperation von Tennet TSO und TransnetBW sollen künftig riesige Mengen Strom transportieren. Allerdings gibt es ein Problem mit diesen Leitungen: Sie verlaufen unter der Erde.
Netzausbau unter der Erde: Erdkabel sorgen für Druck auf Ampel-Regierung
Aktuell machen die Bundesländer zunehmend Druck auf die Bundesregierung, sogenannte Stromautobahnen lieber doch nicht in der Erde zu verlegen, sondern sich auf die klassischen Freileitungen zu verlassen. Der Grund: die Kosten. Sowohl in Hessen und Sachsen-Anhalt als auch in Thüringen steht aktuell infrage, ob die Verkabelung unter der Erde tatsächlich Vorrang vor Freileitungskabeln haben soll. Durch alle drei Bundesländer soll künftig viel Strom fließen; hauptsächlich geht es hier um Stromlieferungen aus der Windkrafterzeugung im Norden, der nach Süden gelangen soll.

Die Freileitungen sollen wesentlich günstiger sein, außerdem soll die Umsetzung schneller laufen. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche herrscht allerdings innerhalb der Bevölkerung ein breiter Widerstand gegen Freileitungskabel. „Überirdische Leitungen können ein Weg sein, Dinge zu beschleunigen und Kosten zu optimieren“, zitierte das Magazin Bodo Ramelow (Linke), den Ministerpräsidenten Thüringens. Seiner Meinung nach gehe es hier um die Quelle der deutschen Energie – wenn Unternehmen und die Menschen vor Ort profitieren sollen, sei der Zeitfaktor umso wichtiger.
Und auch Hessens Vize-Regierungschef Kaweh Mansoori (SPD) deutete bereits an, dass Erdkabel vielleicht nicht der richtige Weg sind. „Mit Blick auf die immensen zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe ist es berechtigt, sich die Frage zu stellen, ob dieser Weg in der Zukunft fortgesetzt werden soll“, sagte er dazu.
Warum brauchen wir Stromautobahnen für den Netzausbau?
Sogenannte Stromautobahnen sind für die Bundesregierung vor allem für das Ziel der Klimaneutralität wichtig. Innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte müssten die schon erwähnten 18.000 Kilometer Stromnetze entstehen; der wachsende Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion stelle die Netze vor „neue Herausforderungen“, teilte die Bundesregierung dazu mit.
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Zum Beispiel müsse der Strom teilweise über „weite Strecken“ von den Stromerzeugern zu den Verbrauchern gelangen. Im Norden sind die Voraussetzungen für die Windkrafterzeugung wesentlich besser als im Süden (unter anderem darum, weil sich Bayern seit Jahren gegen einen stärkeren Ausbau der Windkraft sperrt), und damit auch die südlichen Länder profitieren, müssten eben Stromautobahnen wie SuedOst, SuedLink und eben A-Nord her.
Darum wollen Bürger Erdkabel
Dabei stellt sich die Frage: War der Kostenpunkt nicht bekannt? Die Netzbetreiber haben den Bau der Stromautobahnen in der Erde von langer Hand geplant, und einer der Punkte, der sie dazu verleitete, war die Bürgermeinung. Viele Deutsche sind der Ansicht, dass die Stromleitungen am besten nicht sichtbar sein sollten. Dr. Eick von Ruschkowski, Leiter des Fachbereiches Naturschutz und Umweltpolitik im Naturschutzverbund Deutschland e.V. (NABU), gab an, es liege unter anderem an einem hohen „Bedürfnis nach einer intakten Umwelt“. Alle Eingriffe in die Natur seien ernst zu nehmen, auch beim Kabelbau. „Vor allem werden aber mit Erdkabeln offene Landschaften nicht verunstaltet und die Zerschneidung von Lebensräumen verhindert“, sagte er in einer Stellungnahme für das Bundesamt für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Außerdem verhindern Erdkabel tödliche Unfälle, zum Beispiel, wenn Vögel wie Kraniche oder Schwäne in die Kabel hineinfliegen. Zuletzt spiele auch die Entscheidung über mögliche Alternativen eine Rolle. „Anders als etwa bei der ertragsbestimmten Standortfestlegungen von Windkraftanlagen, bietet der Leitungsbau mit Erdkabeln mehr Optionen als nur eine Variation von Masthöhen bei Freileitungen“, erklärte von Ruschkowski.
„Erhebliche Ertragseinbußen“ – Experte warnt vor Nachteilen bei Erdkabeln
Dem stehen diverse Schwächen gegenüber, die mit dem Verbau von Erdkabeln einhergehen. Die Bundesnetzagentur listet hier ein enormes Platzbedürfnis beim Transport und beim Bau, eine aufwändige Montage und eine gewisse Anfälligkeit der notwendigen Verbindungsstücke der Kabelabschnitte für Fehler auf. Für die Verbindung der Kabelabschnitte sind spezielle Muffen notwendig, die am Ende eine Schwachstelle für die Erdverkabelung darstellen können.
Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), warnt vor „massiven Eingriffen in den Boden und seine Struktur“ bei der Verlegung von Erdkabeln. „Bei der Verlegung eines Erdkabels im Höchstspannungsbereich wird zudem der Boden komplett ausgetauscht werden müssen, um Halt und Stabilität der Leitungen zu gewährleisten“, sagte Hemmerling dem BMWK. Die Kabeltrassen bräuchten nicht nur Schutz von tief wurzelnden Pflanzen, es brauche zudem eine Überbebauungssperre für den Raum über dem Kabel.
Außerdem sieht er Gefahren für die Natur, denn diese Erdkabel strahlen Wärme ab. Die dadurch erfolgende Bodenerwärmung soll zu erhöhten Verdunstungs- und Austrocknungsraten des umliegenden Bodens führen. Dadurch entstehe ein Risiko von „erheblichen Ertragseinbußen auf landwirtschaftlichen Flächen“.
320 Milliarden Euro bis 2045 – teure Energiewende steht bevor
Die Energiewende wird die Regierung noch viel Geld kosten: Laut der Bundesnetzagentur sollen sich die Gesamtkosten aller Ausbaumaßnahmen bis 2045 auf etwa 320 Milliarden Euro belaufen. Normalerweise landen diese Kosten über die Netzentgelte am Ende beim Stromverbraucher. Insgesamt ist die Bundesnetzagentur mit dem Ausbau und der Verlegung von rund 7.400 Kilometern Leitung betraut, von denen gerade 1.350 genehmigt sind. Wie die Wirtschaftswoche berichtete, ist davon nur ein Bruchteil bereits in Betrieb.
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