Russlands Nachbarn in Aufruhr: Duma-Abgeordneter spricht offen über Gebiets-Annexion

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Kennen sich mit Annexionen aus: Die russische Armee operiert seit Jahren in der Ukraine - der Politiker Sachar Prilepin (kl. Foto) sieht aber noch mehr Potenzial zur Vergrößerung Russlands. © IMAGO / ITAR-TASS , Russian Look

Wladimir Putin wird nachgesagt, der Ukraine-Krieg sei nur der Anfang seiner imperialistischen Pläne. Ein Duma-Abgeordneter spricht das unverblümt aus.

Moskau – In den Tagen vor Weihnachten werden Wünsche gerne öffentlich geäußert. Oder Ideen für eine bessere Zukunft. Daher werden sie in aller Regel auch wohlwollend aufgenommen. Der Vorschlag eines Duma-Abgeordneten versetzte nun aber mindestens ein Partnerland von Russland in Alarmstimmung. Denn Sachar Prilepin sprach auf einer Pressekonferenz ganz ungeniert davon, dass Moskau weitere Gebiete annektieren könnte. Genauer gesagt: alle, die einst zur ehemaligen UdSSR gehörten.

Putin-Anhänger aus Duma über Annexionen: „Niemand verbietet es uns“

Der russischsprachige Telegram-Kanal Vorsicht, Nachrichten zitiert den als Ultranationalisten bekannten Schriftsteller, der einst an der Seite des mittlerweile verschwundenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny agierte, mittlerweile aber ein glühender Anhänger von Wladimir Putin ist. Demnach sagte Prilepin bei seinem Auftritt am Mittwoch in Moskau auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg: „Wer wird uns nach der Parade in Kiew verbieten, etwas auf eurasischem Territorium zu tun?“ Die Antwort lieferte er gleich selbst: „Niemand.“

In den baltischen Staaten und auch in Moldau geht spätestens seit der russischen Invasion in der Ukraine die Befürchtung um, der Kreml-Chef würde auch diese Staatsgebiete seinem Land einverleiben wollen. Und so die Sowjetunion nach seinen Vorstellungen wieder aufleben lassen. Wohl nicht ganz unbegründet: Zuvor hatte bereits ein anderer Duma-Abgeordneter betont, der Krieg solle über die Ukraine hinausgehen. Auch andere Offizielle äußerten sich bereits ähnlich.

Video: Selenskyj will auch Soldaten aus Deutschland mobilisieren

Russischer Nationalist wünscht sich Annexionen: „Je mehr Russen, desto weniger Probleme mit anderen“

Prilepin, der eine Führungsrolle in der als putin-nah geltenden Partei „Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit“ einnimmt, erklärte seine Pläne mit der Demografie. Es müssten mehr Kinder geboren werden. „Je mehr Russen es gibt, desto weniger Probleme mit Menschen, die sich unangemessen verhalten“, schlussfolgert der 48-Jährige und meint die Migranten aus den umliegenden Nationen.

Daher sei es notwendig, die Länder zu annektieren, „aus denen die Gastarbeiter zu uns kommen“. So würden diese von klein auf die russische Sprache lernen – ohne ihre Heimat zu verlassen, wie Prilepin betont und dabei auch ein Beispiel nennt: „Sie werden dann nicht hier, sondern schon in Usbekistan unterrichtet, sagen wir mal.“

In Usbekistan blieben diese Worte verständlicherweise nicht folgenlos. Wie unter andere die russische Nachrichtenagentur TASS berichtet, bestellte das Außenministerium den russischen Botschafter vor Ort, Oleg Malginow, ein. Der muss nun wohl genauer erklären, ob Prilepins Aussagen mehr als leere Drohungen sind.

Russland reagiert auf Prilepin: „Nicht im Entferntesten der offzizielle Standpunkt“

Auch Moskaus Führungszirkel sah sich zu einer Reaktion auf den Auftritt gezwungen. Das Außenministerium verbreitete ein Statement im Namen von Sprecherin Maria Sacharowa. In diesem wird auf die herzliche Atmosphäre beim jüngsten Besuch des usbekischen Präsidenten Schawkat Mirsijojew verwiesen, die Zusammenarbeit beider Länder basiere auf „der Achtung der Souveränität, der Nichteinmischung, der Freundschaft und der guten Nachbarschaft“.

Das eigentliche Thema wird so umschrieben: „Derzeit wird an einer ganzen Reihe von regulatorischen, organisatorischen, informationellen und anderen Maßnahmen gearbeitet, um die Zusammenarbeit im Bereich Migration geordneter und für beide Seiten vorteilhafter zu gestalten.“ Daher sei „ganz offensichtlich, dass es sich bei den Aussagen von S. Prilepin um seine persönliche Meinung handelt, die nicht einmal im Entferntesten den offiziellen Standpunkt der Russischen Föderation widerspiegelt“.

Ob diese Worte ausreichen, um in Taschkent für Beruhigung zu sorgen, muss sich noch zeigen. Besinnlich dürfte die Stimmung zwischen den beiden Hauptstädten vorerst eher nicht sein.

Sachar Prilepin sitzt und guckt
Träumt von einer Wiedervereinigung der einstigen Sowjet-Staaten: Sachar Prilepin sorgt mit seinen Aussagen in Usbekistan für Unbehagen. © IMAGO / Russian Look

Prilepin und Putin: Duma-Abgeordneter unterstützt Putins Wiederwahl

Prilepin wurde von Putin einst in einer militärischen Führungsposition in den Donbas geschickt. Im Mai dieses Jahres wurde er bei der Explosion einer Autobombe in Nischni Nowgorod schwer verletzt, während sein Fahrer und sein Bodyguard starben.

Bei seinen jüngsten Auslassungen in Moskau warb er auch für eine fünfte Amtszeit Putins als Präsident und schimpfte auf den Verband der Soldatenmütter, der der Armee und den Kindern das Leben schwer machen würde. Daher schlug er als Alternative eine „Union der Väter“ vor, die er nach seinen eigenen Strukturen ins Leben rufen will.

Auch damit stößt Prilepin viele Mitmenschen vor den Kopf. Aber dieser vorweihnachtliche Wunsch hätte wohl deutlich bessere Aussichten, vom Kreml öffentlich abgenickt zu werden. Schließlich ließe sich so von den Unzulänglichkeiten der Militärführung und dem Sterben an der Front ablenken. (mg)

Auch interessant

Kommentare