Trump-Zölle: Schweizer Firmen suchen einen Ausweg aus der Krise – und schauen auf die EU

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Die Schweizer Wirtschaft fürchtet wegen der US-Handelspolitik um Zehntausende Jobs. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter übt nun den Schulterschluss mit Berlin.

Weggis - Die Auswirkungen der US-Handelspolitik von Donald Trump sind bis ins kleine Schweizer Dorf Weggis zu spüren. Dort befindet sich der Sitz des Kaffeemaschinen-Herstellers Thermoplan, der sich über die Jahre vom Familienbetrieb zu einem wichtigen Zulieferer für die US-Kaffeekette Starbucks entwickelt hat. Doch nun steht die Zukunft von mehr als 500 Arbeitsplätzen auf dem Spiel. „Wir bluten aus“, sagte Thermoplan-Geschäftsführer Adrian Steiner der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist für uns ganz klar ein Verlustgeschäft. Wir haben nicht die Margen, um das auszugleichen.“

US-Präsident Donald Trump verhängte hohe Zölle gegen die Schweiz

US-Präsident Donald Trump hatte am 7. August 2025 wegen des Handelsüberschusses mit der Schweiz Zölle in Höhe von 39 Prozent verhängt. Die Schweizer Wirtschaft zeigte sich bis ins Mark getroffen. Das US-Geschäft machte vor dem Inkrafttreten laut dpa 18 Prozent des Schweizer Exportvolumens aus. Der Schweizer Industrieverband der Tech-Industrie, Swissmem, sprach von einem Horrorszenario: „Das bedeutet für viele Unternehmen den Verlust des gesamten US-Geschäftes.“

Dabei treffe es vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, denn sie könnten ihre Produktion oft nicht in die USA verlagern. Thermoplan-Geschäftsführer Steiner rechnet vor, dass die Zollabgabe und weitere US-Zölle auf Industriemetalle sein Unternehmen jede Woche mit rund 200.000 Schweizer Franken (rund 213.000 Euro) belasten. Thermoplan bereitet bereits eine Produktion in Deutschland vor, um von dort in die USA zu exportieren, weil für Waren aus der EU ein niedrigerer Einfuhrzoll von 15 Prozent gilt. Zudem erwägt die Firma, Arbeitsplätze in die Vereinigten Staaten zu verlagern, um das US-Geschäft zu sichern. Doch das stünde im Widerspruch zur Philosophie des Unternehmens, das mit seinem Qualitätssiegel „Made in Switzerland“ antritt.

US-Zölle: Schweizer Firmen prüfen Fertigung in der EU

Bereits im Januar könnte die Thermoplan-Fertigung in Deutschland beginnen. Das Unternehmen wartet noch auf die Auskunft vom US-Zoll, ob die Waren dann als EU-Produkte gelten würden. Das Unternehmen erhofft sich eine Antwort innerhalb eines Monats. Doch Steiner befürchtet, dass dieser Umweg die US-Behörden nicht zufriedenstellen wird. „Ehrlich gesagt verstehe ich, dass wir nach Amerika gehen sollen“, sagt er. „Trumps Ziel ist klar.“ Starbucks macht laut Reuters rund ein Drittel des Umsatzes von Thermoplan aus, wovon etwa zwei Fünftel auf die USA entfallen. Die Kaffee-Kette habe erklärt, man arbeite eng mit den Zulieferern zusammen, um die Auswirkungen zu minimieren und die Kosten zu teilen.

Thermoplan steht mit den Überlegungen für eine Verlagerung der Produktion nicht alleine da. Sollte der US-Zoll grünes Licht geben, könnte zahlreiche Unternehmen mit ihrem Geschäft in die EU abwandern, um somit als EU-ansässig zu gelten. Eine Umfrage des Branchenverbandes Swissmem zufolge ist das für fast ein Drittel der Unternehmen eine Option. Schon jetzt würden Stellen abgebaut. Zwischen dem ersten und dem zweiten Quartal gingen in der Branche rund 3000 Stellen verloren, sagte Jean-Philippe Kohl, stellvertretender Swissmem-Leiter, der Nachrichtenagentur Reuters. Im schlimmsten Fall könnten es bis Ende 2026 bis zu 30.000 werden.

US-Zölle führen in der Schweiz zu hohen Einnahmeausfälle

Viele Schweizer Firmen haben sich in ihren jeweiligen Branchen ein erfolgreiches Auslandsgeschäft aufgebaut, so auch die Tech-Industrie mit einem Exportanteil von 80 Prozent. Mit Zöllen für die Schweiz von 39 Prozent und für die EU von 15 Prozent würden nach Brachenangaben etwa vier Fünftel der US-Exporte des schweizerischen Maschinen- und Elektrotechniksektors wegfallen. Dies entspräche einem Wert von rund zehn Milliarden Franken im vergangenen Jahr, sagte Verbandsexperte Kohl.

US-Zölle treiben die Schweiz auch politisch auf die EU zu

Der Krisenmodus der Schweizer Wirtschaft stellt auch die berühmte, Schweizer Neutralität auf eine harte Probe. In Berlin übte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter den Schulterschluss mit der deutschen Bundesregierung. „Die Schweiz ist besonders betroffen durch sehr hohe Zölle. Umso enger müssen wir in Europa zusammenrücken und zusammenarbeiten“, erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach einem Treffen. Eine EU-Mitgliedschaft stehe in der Schweiz zwar nicht an. Aber es sei eine engere Zusammenarbeit möglich, betonte er. 

Der Wirtschaftsverband Economiesuisse hat sich für eine engere Kooperation mit der EU ausgesprochen, berichtete dpa: „Wir sind aufgrund unserer geografischen Lage umgeben von EU-Staaten und haben deshalb ein großes Eigeninteresse, mit der EU in für uns relevanten Bereichen eng zusammenzuarbeiten“, schrieb er vor Veröffentlichung der US-Zölle. „Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Selbstüberschätzung ‚Wir allein gegen die ganze Welt‘ aufgeben und unseren Weg gemeinsam mit Europa gehen“, schrieb die Abgeordnete im Ständerat, Franziska Roth, laut dpa auf Instagram. (Mit Reuters und dpa)

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