Kriegsverbrechen in Wowtschansk? Kiew: Russen erschießen Zivilisten – „entführt und in Keller getrieben“

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Russische Truppen in Charkiw nutzen Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“, berichtet die ukrainische Polizei. Moskau äußert sich zunächst nicht zu den Vorwürfen.

Wowtschansk – Kiew wirft Russland im Ukraine-Krieg erneut Kriegsverbrechen vor. Moskaus Truppen sollen Dutzende Zivilisten in der umkämpften Stadt Wowtschansk in der Region Charkiw gefangen halten und als „menschliche Schutzschilde“ nutzen. Der Leiter der Kriminalabteilung der Regionalpolizei Charkiws, Serhij Bolwinow, berichtete außerdem, dass Russen auf einen älteren Mann geschossen hätten, der versuchte zu fliehen.

Kiew wirft Russland Hinrichtung von Zivilisten vor: „Zynisch auf älteren Mann geschossen“

Nach Angaben von Serhij Bolwinow sollen 35 bis 40 Zivilisten in Wowtschansk in den Händen der russischen Truppen sein. „Die Russen halten sie an einem Ort als menschliche Schutzschilde fest, da sich ihre Kommandozentrale in der Nähe befindet“, sagte der Polizist am Donnerstag. Ein Großteil der Geiseln seien ältere Menschen. Der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko hatte zuvor auf der Plattform Telegram ähnliche Vorwürfe geäußert. „Im nördlichen Teil von Wowtschansk, wo aktive Kampfhandlungen stattfinden, nimmt das russische Militär Zivilisten gefangen.“ Die russischen Soldaten würden den Bewohnern nicht erlauben, die Stadt zu verlassen.

Stattdessen hätten sie „damit begonnen, Menschen zu entführen und in Keller zu zwingen.“ Der Innenminister bezog sich dabei auf Berichte des ukrainischen Nachrichtendienstes. Auch eine Hinrichtung habe es gegeben. „So versuchte ein Einwohner von Wowtschansk zu Fuß zu fliehen, weigerte sich aber, den Befehlen der Angreifer Folge zu leisten, und wurde von den Russen getötet“, schrieb der Minister. Es seien Ermittlungen wegen „Kriegsverbrechen“ eingeleitet worden. Die Russen hätten „zynisch auf einen älteren Mann geschossen“, der versucht habe zu fliehen, hieß es auch vonseiten der ukrainischen Polizei. Zudem war in der Region vom Einsatz von Streumunition durch russische Soldaten die Rede.

Präsident Wolodymyr Selenskyj 16. Mai 2024 Charkiw ukraine krieg
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 16. Mai 2024 bei einem Treffen mit der 92. Angriffsbrigade in Charkiw. © IMAGO/Ukraine Presidency via Bestimage

Kriegsverbrechen Russlands im Ukraine-Krieg: Haftbefehl gegen Präsident Wladimir Putin

Die Angaben Kiews ließen sich nicht unabhängig verifizieren. Moskau äußerte sich zunächst nicht zu den Anschuldigungen. Es wäre nicht das erste Mal im Ukraine-Krieg, dass der Vorwurf von Kriegsverbrechen Russlands im Raum steht. Im ukrainischen Bezirk Butscha waren 2022 nach dem Abzug der moskautreuen Truppen hunderte Leichen unbewaffneter Anwohner gefunden worden – darunter auch Kinder. Im vergangenen Jahr hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag in einem anderen Fall einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Er sei für die als Kriegsverbrechen eingestufte Verschleppung von Kindern auf russisches Territorium „persönlich verantwortlich“, hieß es.

Russische Bodenoffensive in Charkiw: Situation „extrem schwierig“

Russland hatte vor einer Woche in der Region Charkiw eine Bodenoffensive begonnen. „Die Operation zielt darauf ab, die ukrainischen Streitkräfte im gesamten Gebiet festzusetzen und sie entlang der 600 Meilen [etwa 966 km] langen Frontlinie auszudünnen“, analysierten die Experten der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW). Damit wolle Moskau Möglichkeiten in anderen Gebieten schaffen, insbesondere in Donezk.

Derzeit sei die Lage in Charkiw „weitgehend unter Kontrolle“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag mit Blick auf die russische Offensive. Gleichzeitig räumte der ukrainische Staatschef aber ein, dass die Lage im Nordosten der Ukraine „extrem schwierig“ bleibe. Russlands Streitkräfte erzielten binnen einer Woche Geländegewinne von 278 Quadratkilometern, wie die Nachrichtenagentur AFP auf Grundlage von ISW-Daten schätzte. Zum Vergleich: Seit Beginn des Krieges im Februar 2022 hat Moskau rund 65.300 Quadratkilometer des ukrainischen Staatsgebiets eingenommen.

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