Die Grünen und der Klima-Betrug in Milliardenhöhe: „Kunden zahlten für Projekte, die es nicht gibt“

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Öl-Konzerne betrügen deutsche Verbraucher vermutlich um einen Milliardenbetrag. Auch, weil eine Grünen-Behörde versagte? Die Union meint, man hätte „einfach googeln“ können.

Ein Hühnerstall in China als Leuchtturmprojekt für Klimaschutz? Deutsche Autofahrer zahlten beim Tanken offenbar mit einer irrtümlichen Klima-Abgabe. Und das für Projekte, die nur auf dem Papier existierten oder als neu ausgewiesen wurden, obwohl sie schon Jahre zuvor gebaut wurden. So auch eine Anlage in der Nähe von Peking – das sich bei genauerer Betrachtung allerdings als verlassener Hühnerstall entpuppte. Was war passiert?

Betrug an der Zapfsäule: „Bezahlt wird das letztlich vom Verbraucher über den Kraftstoffpreis“

Eigentlich müssen Mineralölkonzerne dem Sprit Biokraftstoff beimischen. Das kann man aber umgehen, wenn man in Klimaschutzprojekte investiert. Deutschland hat etliche dieser Projekte gefördert. Das dem Umweltministerium unterstellte Umweltbundesamt genehmigte die entsprechenden Projekte. Wie Recherchen des ZDF-Magazins Frontal zeigen, hätten allerdings mindestens ein Viertel davon gar nicht gebilligt werden dürfen, da sie offenbar auf falschen Angaben beruhten. „Bezahlt wird das letztlich vom Verbraucher über den Kraftstoffpreis“, hieß es im ZDF.

Die Projekte gehören zu Konzernen wie Shell, bp, OMV oder Rosneft. Überprüft wurden sie von deutschen Prüfstellen, etwa einer im oberbayerischen Landkreis Freising. Wie konnte das passieren?

CDU-Kritik an Ministerium: „Das zeigt, wie diese Bundesregierung arbeitet“

Die Bundesregierung habe zu spät reagiert, kritisiert der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU, Christian Hirte, gegenüber IPPEN.MEDIA. In einer uns vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der CDU/CSU heißt es, am 31. August 2023 ging beim Umweltbundesamt „von einem unbekannten Hinweisgeber“ ein „erster Hinweis auf Unregelmäßigkeiten“ ein. Diese Unregelmäßigkeiten hätten sich Anfang 2024 konkretisiert, sodass das Ministerium entschieden habe, die umstrittene Förderung zu beenden. Ende Mai verabschiedete das Kabinett eine entsprechende Gesetzesänderung, die im Juni in Kraft trat.

Zudem kündigte die Bundesregierung an, künftige Projekte nicht mehr „allein auf der Basis von Zertifizierungsberichten“ zu finanzieren. Hier lag das Einfallstor für den Betrug. In Zukunft muss die Zertifizierung deshalb in „internationale Kooperationszusammenhänge“ eingebunden werden. Der Union geht das aber nicht weit genug. „Das zeigt, wie diese Bundesregierung arbeitet“, sagt Hirte. „Anstatt selbst national scharf zu kontrollieren, wird die Verantwortung in einen multilateralen Kontext verschoben.“

Wenn man dem Betrug wirklich entgegentreten wolle, „helfen keine freiwilligen, windelweichen Kooperationen, sondern nur knallharte eigene Kontrollen“, meint Hirte. „Das wäre im Falle der bereits begangenen Betrügereien „ziemlich bequem vom Schreibtisch aus zu kontrollieren gewesen, indem man einfach mal googelt“.

Christian Hirte in der 89. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Berlin, 03.03.2023
Christian Hirte sitzt seit 2008 für die CDU im Deutschen Bundestag. Unter Angela Merkel war der Thüringer Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, nun ist er unter anderem Mitglied im Umweltausschuss. © IMAGO/Jean MW

Milliardenschaden durch falsche Klima-Projekte

In dem bisherigen System konnten Konzerne ihre Treibhausgasquoten verbessern, wenn innerhalb der Lieferkette CO₂-Emissionen eingespart werden. Das geht auch im Ausland, etwa in China. Sie konnten also Projekte, bei denen im Öl-Sektor Emissionen reduziert werden, finanzieren, und bekamen im Gegenzug entsprechende Zertifikate für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben. Diese „Upstream Emission Reduction“-Projekte (UER) wurden so auf die Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet. 

Hirte geht von einem Milliardenschaden aus. „Legt man die durch den Klimabetrug nicht gezahlten Strafzahlungen von 600 Euro je Tonne CO₂ zugrunde, ergibt sich bei einem möglichen Volumen von 7,5 Mio. Tonnen nicht geleisteter CO₂-Einsparung ein Betrag von 4,5 Mrd. Euro“. Auch erste Ermittlungen gegen Firmen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern deuten einen Milliardenbetrug an. Laut Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich um insgesamt drei Firmen und einen Schaden in Höhe von 1,125 Milliarden Euro.

Wer trägt hierfür die Kosten? Die UER-Maßnahmen werden nicht aus dem Steuersäckel gezahlt, letztlich beteiligen sich die Menschen im Land aber dennoch daran, wie Hirte sagt. „Dem Kunden an der Tankstelle ist sehr wohl ein Schaden entstanden, weil er für Klimaprojekte zahlte, die es gar nicht gab.“

Grüne sehen Schuld bei Merkel-Regierung

Die Schuld hierfür sieht das betroffene Ministerium indes nicht zwingend bei sich. Auf Anfrage von IPPEN.MEDIA erklärt die Behörde von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), dass das gesamte UER-System noch 2018 von der Vorgängerregierung aus Union und SPD eingeführt worden sei. „Die jetzige Bundesregierung hat ein fehleranfälliges System geerbt, dies schnell erkannt und abgestellt“, erklärt ein Ministeriumssprecher. Ende 2024 läuft das Projekt aus, und damit zwei Jahre früher als vorgesehen.

Weiter heißt es: „Die Probleme liegen im Wesentlichen darin, dass das Umweltbundesamt (UBA) auf Arbeiten von Prüfstellen, also von Projektträgern beauftragter Prüfunternehmen, angewiesen ist.“ Bei Projektträgern im Ausland sei das schwierig. „Vorortbesuche von Behörden, um die Angaben zu prüfen, sind in vielen Ländern nicht möglich.“ Ähnlich äußerte sich das Ministerium in einem Bericht an den Umweltausschuss. Hirte meint: „Die Ausflüchte der Ministerin, man habe ein fehleranfälliges System geerbt, das jetzt beendet wird, sind doch nur vorgeschoben.“ Man hätte früher reagieren müssen. (as)

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