„Ausmaß ist verheerend“: Milliardenbetrug im Klimaschutz – schwere Vorwürfe gegen Deutsch-China-Projekte

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Die Mineralölindustrie steht im Mittelpunkt eines gigantischen Klimaschutzbetrugs. Deutsche Konzerne finanzierten offenbar gefälschte CO2-Projekte aus China, die vom Umweltbundesamt genehmigt wurden.

Berlin – Die Mineralölindustrie setzt auf Projekte zur Emissionsreduktion, um gesetzliche Klimaschutzauflagen zu erfüllen. Diese Vorhaben werden von deutschen Prüfinstituten zertifiziert und von Deutschlands zentraler Umweltbehörde, dem Umweltbundesamt, genehmigt. Doch eine Vielzahl der Projekte weist Unregelmäßigkeiten auf oder existieren sogar gar nicht. Medienrecherchen haben ergeben, dass eine beträchtliche Anzahl der in den letzten Jahren gehandelten Treibhausgas (THG)-Quoten aufgrund von Fälschungen offenbar unrechtmäßig anerkannt wurde. Daher könnte die Klimabilanz des deutschen Verkehrssektors weitaus schlechter sein als bislang angenommen.

Verbraucher zahlen beim Tanken für Fake-China-Projekte

„Das Ausmaß des Betrugs am Klimaschutz ist verheerend. Mehr als 7,6 Millionen Tonnen angeblicher CO₂-Einsparung hat es real nie gegeben. Das können wir jetzt nicht einfach mit einem Achselzucken abtun“, so Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie, das sich für die Belange der Bioenergiebranche einsetzt, in einer Pressemitteilung vom 16. Mai 2024.

Auch Verbraucher sind direkt betroffen, denn diese zahlen beim Tanken nicht nur für den reinen Kraftstoff, sondern auch für Klimaschutzprojekte – unter anderem eben in China. Autofahrer dürfte das erneut ärgern, immerhin wird im Jahr 2024 für Autofahrer in Deutschland sowieso einiges noch teurer- auch das Kaufen von E-Autos ist künftig kostenintensiver.
Seit 2020 dürfen deutsche Unternehmen in China Klimaschutzprojekte betreiben, um ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. ZDF-frontal-Recherchen haben nun ergeben, dass viele davon nur auf dem Papier existieren. Ölkonzerne haben ihre Klimaschutzpflichten offenbar mit vorgetäuschten Projekten erfüllt. 

„Es geht um einen Milliardenbetrug“: Umweltbundesamt genehmigt Projekte trotz Warnungen

„Es scheint sich ein gewaltiger Skandal abzuzeichnen, wo es um einen Milliardenbetrug geht“, kommentiert Christian Hirte von CDU/CSU im zdf-frontal-Bericht. Immerhin übersteigt der Wert der chinesischen Projekte zusammen eine Milliarde Euro, die vom Umweltbundesamt genehmigt wurden – eben trotz früher Kritik aus der Biokraftstoffbranche und konkreter Warnungen. Im April meldete sich etwa ein chinesischer Gastechnologiekonzern beim Umweltbundesamt und teilte mit, dass er nichts davon wisse, dass seine Anlagen als deutsches Klimaschutzprojekt im Ausland gelten würden. Der Konzern vermutete, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gebe, dass Dokumente gefälscht wurden, und bat die Behörden dringend, Ermittlungen aufzunehmen.

Der Skandal um die deutsche Mineralölwirtschaft könnte sich zu einem der größten Klimaschutz-Betrugsfälle entwickeln. Im Fokus des Betrugs stehen die Klimaschutzauflagen für Mineralölkonzerne, die verpflichtet sind, die THG-Emissionen von Benzin und Diesel jährlich zu reduzieren, festgelegt durch die Bundesregierung. Eine Option besteht darin, CO₂-Sparmaßnahmen bei der Öl- und Gasproduktion im Ausland zu finanzieren, „Upstream Emission Reductions“ (UER). Die Ölkonzerne haben auch die Möglichkeit, über Zertifikate von Projektträgern Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen zu belegen. Diese Kosten zahlt der Verbraucher auch beim Tanken mit.

Bioenergie-Branche äußerte erste Zweifel schon vor Monaten

Die Bioenergie-Branche äußerte seit Monaten Bedenken hinsichtlich der Authentizität von CO₂-Zertifikaten aus China, die in Deutschland zur Anrechnung auf die Biokraftstoffquote verwendet wurden – ein Zweifel, der sich nun bestätigt hat. Mindestens 60 von 76 genehmigten Projekten könnten demnach unzulässig oder gefälscht sein.

Eine Aussendung von Bioenergie beziffert den Schaden für heimische Marktakteure auf 4,5 Milliarden Euro, der aufgrund mangelnder Prüfung des Umweltbundesamts, der Deutschen Emissionshandelsstelle sowie missbräuchlicher Tätigkeit deutscher Zertifizierungsstellen entstanden sei. „Hinweisgeber aus der Branche wurden von den Behörden abgewimmelt – noch vor wenigen Wochen wurden offenkundig gefälschte Projekte durchgewunken. Wir hoffen, dass vor dem Hintergrund der Recherche-Ergebnisse des ZDF die verantwortlichen Behörden endlich aufwachen“, so Rostek.

Umweltbundesamt prüft Hinweise von Whistleblower

Auch der ADAC fordert in einer Aussendung verlässlichere Zertifizierungssysteme, konsequente Sanktionierung und die sofortige Entfernung unrechtmäßig zertifizierter THG-Quoten. In seiner Verbraucherschutz-Funktion kritisiert der Automobilclub, dass die umweltpolitische Wirkung der THG-Quote untergraben wird. Fälschlich angerechnete THG-Reduzierungen seien günstiger zu beschaffen als legitime Quoten, was deren Marktpreis senkt. Elektrofahrzeughalter erzielten geringere Erlöse beim THG-Bonus, und das Förderinstrument für Elektromobilität werde geschwächt. „Nur durch entschlossenes Handeln können wir sicherstellen, dass die Zertifizierung von alternativen Kraftstoffen nicht dauerhaft Schaden nimmt und Emissionsminderungen tatsächlich wirksam werden“, meint ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.

Das Umweltbundesamt prüfe Hinweise von Whistleblower, die auf einen Betrug bei Klimaschutzprojekten hinweisen, berichtete ein Sprecher des Amtes der Deutschen Presse-Agentur. Die Untersuchungen seien „längst noch nicht abgeschlossen“. Das Amt habe bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

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