Gescheiterte Ukraine-Verhandlungen: Europa will neue Russland-Sanktionen
Die Gespräche in Istanbul endeten ohne Annäherung in der Frage einer Waffenruhe im Ukraine-Krieg. Als Reaktion plant Europa neue Russland-Sanktionen.
Tirana – Nach der Türkei-Blamage macht sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf zum Albanien-Gipfel. Thema Nummer Eins: Neue Sanktionen der europäischen Staaten für Russland. Die hatte sich Selenskyj als Konsequenz für die Abwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei Gesprächen zum Ukraine-Krieg in Istanbul gewünscht.
Am Freitag trafen sich unter anderem der britische Premierminister Keir Starmer, der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Friedrich Merz, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan in der albanischen Hauptstadt Tirana. Die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) sollte dort über den Ukraine-Krieg beraten. Dafür waren insgesamt 47 Staats- und Regierungschefs geladen. Auch der US-Präsident Donald Trump wurde dazugeschaltet.

Nach Türkei-Blamage: Europäische Staaten bestätigen Drohung mit Russland-Sanktionen
Mehrere der anwesenden Staats- und Regierungschefs hatten bereits vor den Gesprächen in Istanbul Sanktionen angedroht, sollte Putin nicht zu dem Treffen erscheinen. Diese Position wurde wenige Momente nach dem Ende der Gespräche zwischen Delegationen von Russland und der Ukraine verfestigt: Moskaus Weigerung sei „inakzeptabel“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Freitag bei dem Gipfeltreffen in Albanien.
Falls Russland sich weiterhin einem Waffenstillstand verweigere, würden die EU-Staaten in Abstimmung mit Washington neue Sanktionen vorbereiten, so Macron. Die ukrainische Delegation erwarte „in den nächsten Stunden“ eine „Rückmeldung zu den Forderungen“ an die Russen, fügte der französische Präsident hinzu.
Kurze Zeit später dann die Neuigkeiten: Die Istanbul-Gespräche endeten am Freitagnachmittag nach rund anderthalb Stunden ohne Annäherung in der Frage einer Waffenruhe. Die Konfliktparteien einigten sich zwar auf einen Gefangenenaustausch und erörterten ein mögliches Treffen zwischen Kreml-Chef Putin und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj, einem Kriegsende kamen sie allerdings nicht näher.
Merz „sehr enttäuscht“ über Istanbul-Gespräche: Setzt als Kanzler erste Akzente auf internationaler Bühne
Ein Schatten über die Gespräche warfen schon die Vertreter der Delegationen: Möglicherweise weil der US-Präsident Donald Trump nicht vor Ort war, blieb der russische Präsident Wladimir Putin fern und entsandte eine Delegation von Regierungsvertretern. Auch Selenskyj sagte das Treffen daraufhin ab und schickte eine Delegation, geleitet von Verteidigungsminister Rustem Umerow. Eigentlich hätte schon dieses Treffen ein direktes Gespräch zwischen den Staatschefs werden sollen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der sich „sehr enttäuscht“ über den Ausgang der russisch-ukrainischen Gespräche gezeigt hatte, kündigte nach dem Treffen mit seinen Amtskollegen weitere europäische Bemühungen für einen „Dialog“ zwischen Kiew und Moskau an. Dabei werde Trump kontinuierlich „auf dem Laufenden gehalten“. „Wir sind entschlossen, der Ukraine weiterhin zu helfen, damit dieser schreckliche Krieg zu Ende geht“, fügte Merz hinzu. Für ihn war der Gipfel eine Art Premiere als Kanzler auf internationaler Bühne.
Großbritanniens Premierminister Keir Starmer erklärte, die Europäer und Trump „stimmen sich jetzt eng ab und werden dies auch weiterhin tun“. Auch Polens Regierungschef Donald Tusk betonte die Einigkeit zwischen der EU und den USA: „Wir werden weiter zusammenarbeiten“.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nennt konkrete Ideen für neue Russland-Sanktionen
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat laut ARD bereits konkretere Ideen für ein neues EU-Sanktionspaket genannt. „Dieses Paket wird zum Beispiel Sanktionen gegen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 beinhalten“, sagte von der Leyen, die in Tirana ebenfalls anwesend war. Die Sanktionen wären eher symbolischer Natur, da durch beide Röhren aktuell kein Gas nach Europa fließt. Es soll allerdings auch weitere Sanktionen geben: gegen den russischen Finanzsektor und gegen die sogenannte russische Schattenflotte. Dazu solle auch der Ölpreisdeckel gesenkt werden.
Über das Paket abstimmen müssen die EU-Mitgliedsstaaten – ein Prozess, der nicht ganz ohne Streit verläuft. Ungarn hatte sich zum Beispiel in der Vergangenheit quer gestellt. Dass Putin zu dem Treffen in Istanbul nicht erschienen ist, zeige laut der EU-Kommissionspräsident seine wahre Absicht: Dieser wolle keinen Frieden.
Albanien-Gipfel setzt klares Signal – Weitere Sanktionen-Paket gegen Russland kommt schon Dienstag
Die neuen Planungen sind unabhängig von dem bereits ausgehandelten 17. Paket mit Russland-Sanktionen, das am Dienstag (20. Mai) bei einem EU-Außenministertreffen formell beschlossen werden soll. Auch dort soll gegen Öltransporte durch die russische Schattenflotte vorgegangen werden. Weiterhin sollen Unternehmen ins Visier genommen werden, die Russlands Rüstungsindustrie unterstützen oder an der Umgehung bestehender Sanktionen beteiligt sind.
Der EPG-Gipfel ist ein informelles Format, bei dem keine offiziellen Beschlüsse gefasst werden können. Wohl aber haben die Gipfel des Zusammenschlusses Signalwirkung. Das Signal des Gipfels in Albanien: Russland darf so nicht weitermachen. Das stand bereits wenige Momente nach den ersten direkten Gesprächen zwischen den Kriegsparteien Russland und Ukraine seit über drei Jahren fest. (lismah/AFP)