Doppelpremiere eine Wucht: Der Holledauer Fidel ist zurück – und wie!
Auf diesen „Holledauer Fidel“ darf sich der Markt Au etwas einbilden. Mit großer Spielfreude sorgt das Ensemble der Liedertafel für ein abendfüllendes Großvergnügen. Auch, weil die Regisseurin bei der Besetzung nicht locker gelassen hat.
Au/Hallertau – Den ersten Coup landen die Macher des „Holledauer Fidels“ bereits, bevor das Stück überhaupt losgeht. Wenn kurz vor 19 Uhr die Besucherinnen und Besucher in die Hopfenlandhalle strömen, um ihre Plätze einzunehmen, ist die große Bühne vom linken bis zum rechten Rand bereits voll besetzt. Als Erntehelfer zupft das Ensemble Hopfen, stößt an, trinkt, scherzt. Das grüne Gold ist echt. „Zwei Tage vor der Freitagspremiere haben wir es noch gemeinsam aus den Hopfengärten eingeholt“, berichtet Doris Schinagl, die gemeinsam mit Stefan Haage Regie führt. Der Hopfen duftet bis in die Zuschauerreihen. Es ist angerichtet für einen Abend, der alle Sinne anspricht.
Wenn das Licht ausgeht, wird der Abend auch zum Fest für Augen und Ohren. Vor einem liebevoll und detailreich gestaltetem Bühnenbild lässt Dirigent Georg Neumeier sein Ensemble mit großer Akkuratesse aufspielen. Die Instrumentalisten stellen ihre Virtuosität voll in den Dienst der Musik und der Handlung, geben den Akteuren Raum für Gesang und Spiel und sorgen für Akzente, wenn es nötig ist. Etwa, wenn gleich in der Anfangsszene der Chor der Hopfenzupfer mit großem Schmiss den ersten Gassenhauer intoniert und damit die Handlung ins Laufen bringt, die an den beiden Premierenabenden – und das ist besonders – von jeweils unterschiedlichen Darstellern auf die Bühne gebracht wurde.

Der arme, aber anständige Wanderarbeiter Fidel hat sich in die adrette, aber hochnäsige Holledauer Großbauerstochter Reserl verliebt. Die erteilt ihm aus finanziellen Gründen eine derbe Abfuhr, weil: „S‘Geid is d‘Hauptsach“. Es dauert drei schwungvolle Akte voller munterer Melodien und slapstickartiger Momente mit einer missglückten Brautschau, die für Reserl zum Fiasko wird, ehe sie am Ende doch einsieht, dass genau das, was wirklich zählt, der Fidel zu bieten hat: „zwei starke Arme und ein treues Herz.“
Hellerbrand spielt die Rolle seines Lebens
Mit großem Herz füllen die Darstellerinnen und Darsteller ihre Rollen aus. Der Stolz auf das eigene Holledauer Nationalepos, die Identifikation mit dem Stück und der leidenschaftliche Einsatz sorgen dafür, dass jeder einzelne über sich hinauswächst. Ganz vorne mit dabei: Martin Hellerbrand, der den leicht verkommenen und schwer dem Alkohol zuneigenden Bauern Valentin Wurmdobler spielt. Als abgewirtschafteter Bauer hofft er, seinen Sohn Vinzenz mit dem Reserl verheiraten zu können, um mit der Mitgift die Hofschulden zu tilgen.

Erst im Juli, als die Proben bereits einige Wochen liefen, stieß Hellerbrand überhaupt zum Ensemble dazu. Aber auf der Bühne dreht er auf, als ob er die Rolle schon sein ganzes Leben spielen würde. „Der Martin wollte eigentlich gar nicht mitmachen“, verrät Doris Schinagl. „Ich habe da aber nicht locker gelassen, weil ich einfach wusste, dass das seine Rolle ist.“ Bei den beiden vergangenen Inszenierungen hatte Hellerbrand noch als Wurmdobler-Sohn agiert. „Er war ein toller Vinzenz“, sagt die Regisseurin. „Aber in seine jetzige Rolle ist er richtig hineingewachsen. Das Nörglerische, Kracherte, das spielt er perfekt. Und wann, wenn nicht jetzt?“
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Ebenfalls grandios am Samstagabend: Angelika Thalmair, die mindestens ebenso krachert die Wurmdobler-Gattin spielt und mit ihrem zwieder-heiteren Gstanzl „Dös past mir nöt, dös hab i dick“ für einen Höhepunkt des Abends sorgt. Großartige Komik bringen auch Gabriel Gleichauf als der leicht depperte Frauenheld Vinzenz und Hans Bauer als vermeintlich gescheiter Bankagent auf die Bühne.
Auch bei Bauer, der die Rolle schon im Alter von 25 Jahren 1999 gespielt hatte, waren Schinagls Überzeugungskünste gefragt. „Als selbständiger Unternehmer hat er ein Zeitproblem gesehen“, berichtet sie. Es habe viele Gespräche und gute Argumente gebraucht, ihn umzustimmen. „Letztlich habe ich ihn bei der Schauspielerehre gepackt. Denn das ist eine der wenigen echten Schauspielerrollen im Stück, und dafür wollte ich auch einen erstklassigen Laiendarsteller.“
Doch nicht nur die alten Haudegen brillieren. Eine große Entdeckung ist die 17-jährige Magdalena Neumeier, die das Reserl mit vielen kleinen mimischen Nuancen spielt. Ihr kräftiger Sopran: ein Hochgenuss, vor allem in den Duetten mit Rita Hösl, die ihre Mutter Gretl verkörpert, aber auch im Zusammenspiel mit ihrem Bühnenvater Andreas Huber (Bariton). Und mit Fidel-Darsteller Alexander Bauer stimmt die Chemie ebenso. „Die beiden sind ein richtiges Dream-Team, genauso wie das andere Reserl-Fidel-Paar Anna Kiermeier und Nepomuk Fichtner“, schwärmt Doris Schinagl, die selbst 1999 die Holledauer Bauerstochter gespielt hat. „Es ist einfach schön zu sehen, wie die vier die Fidelzeit genießen.“

Das tun sichtbar alle: auf der Bühne der Chor der Liedertafel und der Kinderchor – jeder einzelne Auftritt eine Wucht; im Orchestergraben, wo manch Streicher zwischen den Einsätzen aus dem Strahlen gar nicht herauskommt, und auch das Premierenpublikum an beiden Abenden.
Denn der Schlussapplaus ist überwältigend. Minutenlang wird das Ensemble so frenetisch gefeiert, dass noch am nächsten Tag manche Hände vom Beifall etwas gebrannt haben dürften. In Wahrheit hat die Liedertafel völlig verdient nur die Energie zurückerhalten, die von ihr gekommen ist: für eine über knapp drei Stunden hinweg exzellente Ensembleleistung, und da ist das Cast, das am Freitagabend ebenfalls Standing Ovations erhielt, noch nicht mal erwähnt.