Stimmen im Kopf: Was eine Psychose wirklich bedeutet und wie sie behandelt wird

Was ist eine Psychose?

Psychosen sind schwere psychische Störungen, die durch den Verlust des Realitätsbezugs gekennzeichnet sind. Sie treten in verschiedenen klinischen Kontexten auf, darunter Schizophrenie, affektive Störungen mit psychotischen Merkmalen, organische Psychosen und Substanzinduzierte Psychosen. Die Entstehung ist komplex und multifaktoriell, wobei genetische, neurobiologische, umweltbedingte und psychosoziale Faktoren sicherlich eine Rolle spielen.

Es gibt Formale und inhaltliche Denkstörungen, die sich unterscheiden, aber aber auch ineinander übergehen können. Formale Denkstörungen behindern den Denkprozess, nicht aber seine Geschwindigkeit; inhaltliche Denkstörungen betreffen die Themen des Denkens. Die Betroffenen nehmen Inhalte verzerrt oder falsch war, oder empfinden sie ohne Grund als Bedrohung (paranoide Schizophrenie).

Ersterkrankungsbeginn erfolgt meist im späten Jugendalter bis zum frühen Erwachsenenalter. Dabei erkranken Männer früher und zeigen oft einen schwereren Verlauf.

Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien zeigen eine erhöhte Risiko-Rate bei Verwandten ersten Grades. Das würde für eine genetische Entstehung sprechen. Aber ähnlich wie bei der MS ist der Ursprung der Psychose multifaktoriell.

Über Mimoun Azizi

Der Facharzt für Neurologie Dr. med. Mimoun Azizi, M.A., ist seit 1. April 2025 geschäftsführender Chefarzt und Leiter des Zentrums für Geriatrie und Neurogeriatrie im Klinikverbund Südwest (KVSW). Darüber hinaus ist er Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und besitzt u.a. Zusatzqualifikationen in der Notfallmedizin, Geriatrie und Palliativmedizin. Der Autor verschiedener Fachbücher und -artikel besitzt zudem einen Magister der Politikwissenschaften und Soziologie sowie einen Master der Philosophie.

Symptome der Schizophrenie

In der Psychatrie, insbesondere bei der Schizophrenie wird zwischen positiven und negativen Symptomen unterschieden. Dies beschreibt, ob etwas hinzukommt (positiv) oder wegfällt (negativ). Zu den positiven Symptomen gehören eine Überaktivität oder eine Störung im normalen Denken und Wahrnehmen. Außerdem umfassen sie unter anderem:

  1. Halluzinationen: Sinneswahrnehmungen ohne äußere Reize, zum Beispiel Stimmen hören, Dinge sehen, die nicht da sind
  2. Wahnvorstellungen: Verfolgungswahn oder Größenwahn, die nicht der Realität entsprechen
  3. Desorganisiertes Denken: Schwierigkeiten, klar und zusammenhängend zu denken
  4. Abnorme Bewegungen: Ungewöhnliche Bewegungen oder Verhaltensweisen, zum Beispiel Manierismen oder Katatonie (übertriebene Gestik, Bewegungslosigkeit, Nachahmen etc.)

Ursachen und Folgen

Umweltfaktoren spielen bei der Entstehung der Psychose eine große Rolle. Zu diesen Faktoren gehören:

  1. Frühgeburt, Komplikationen während der Schwangerschaft (zum Beispiel Infektionen, Mangelernährung)
  2. Stress und psychosoziale Belastungen können die Vulnerabilität erhöhen
  3. Substanzmissbrauch: Cannabis, insbesondere in der Adoleszenz, erhöht das Risiko und andere Drogen (Amphetamin, Kokain etc.)

Weitere Ursachen sind organischer und medizinischer Natur wie zum Beispiel:

  1. Hirntraumata
  2. Tumore
  3. neurodegenerative Erkrankungen
  4. Infektionen (zum Beispiel Enzephalitis)

Eine andere Ursache wird im Zusammenhang mit einer glutamaterger Dysfunktion hergestellt. Also ein Fehler bei der Signalübertragung im Gehirn, ausgelöst durch den Neurotransmitter Glutamat. Dabei gibt es Hinweise auf eine Unterfunktion des NMDA-Rezeptors. Dieser ist für Signalübertragung, Lernprozesse und Gedächtnisbildung zuständig. Eine Unterfunktion dessen kann somit mit negativen Symptomen und kognitiven Defiziten in Verbindung steht. Diese Symptome spiegeln einen Verlust oder eine Verminderung normaler Funktionen wider. Sie sind oft schwerer zu erkennen und können den Alltag stark beeinträchtigen. Dazu gehören unter anderem:

  1. Apathie: Mangel an Motivation und Interesse an Aktivitäten
  2. Sozialer Rückzug: Wenig Kontakt zu anderen Menschen und Isolation
  3. Affektverflachung: Eingeschränkter emotionaler Ausdruck, zum Beispiel wenig Mimik oder emotionale Reaktionen
  4. Anhedonie: Verlust des Interesses oder der Freude an Aktivitäten, die früher Spaß gemacht haben
  5. Reduziertes Sprechverhalten: Wenig Sprache oder Sprachverarmung

Bei Psychosen kommt es bei 5-6 Prozent der Betroffenen zum Suizid. Ca. 20 Prozent berichten über ein Suizidversuch. Menschen mit Psychosen können auch plötzlich und unkontrolliert gewalttätig werden und sich und andere verletzen. Nicht wenige der Betroffenen hören Stimmen, oft sind es imperative Stimmen, die den Betroffenen Befehle erteilen. Dabei können diese Stimmen auch befehlen andere zu töten oder sich selbst zu töten.

Wie wird eine Psychose diagnostiziert?

Die Diagnostik dieser Erkrankung basiert auf eine gründliche Anamnese, einer Fremdanamnese (Befragung von Freunden und Familienangehörigen) und den klinischen Symptomen. Dabei müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, um diese Diagnose zu stellen.

Gemäß DSM-5 erfordert die Diagnose der Schizophrenie eines der folgenden Konstellationen:

  1. Zwei oder mehr charakteristische Symptome (Wahnvorstellungen, Halluzinationen, zerfahrene Rede, desorganisiertes Verhalten, Negativsymptome), die über einen signifikanten Anteil eines 6-Monats-Zeitraums bestehen (die Symptome müssen mindestens eines der ersten drei einschließen)
  2. Abgeschwächte Krankheitszeichen oder Frühsymptome vor der Erkrankung mit Beeinträchtigungen im sozialen, beruflichen Bereich oder bzgl. der eigenen Versorgung, die über einen 6-Monats-Zeitraum hinweg offensichtlich sind, wobei 1 Monat mit aktiven Symptomen eingeschlossen ist.

Selbstverständlich müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden. Daher sind radiologische Untersuchungen wie MRT-Kopf, Drogenscreening und weitere laborchemische Untersuchungen erforderlich, um zum Beispiel somatische Ursachen auszuschließen. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser ist die Prognose.

Wie wird eine Psychose behandelt?

Die Therapie basiert auf verschiedenen Pfeilern. Initial ist eine Behandlung – insbesondere in der Akutphase – mit Antipsychotika unausweichlich. Dabei ist die Wirksamkeit der Antipsychotika manchmal individuell, daher kann es durchaus mehrmals zu Anpassung und Umstellung der Medikation kommen. Nach Stabilisierung und Reduzierung der Symptome oder gar kompletter Rückläufigkeit, ist eine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich.

Auch eine psychotherapeutische Behandlung ist angebracht. Es erfolgt eine Psychoedukation, dabei wird dem Patienten die Erkrankung wie auch die Symptome erklärt wie auch die Therapie. Das Ziel ist die Erhöhung der Akzeptanz der Behandlung, damit der Betroffene die Medikamente nicht von sich aus absetzt, was zu einem Rückfall führen könnte.

Zusätzlich können Betroffene durch sozialpsychiatrische Betreuung im Alltag unterstützt werden bis hin zur Einleitung einer gesetzlichen Betreuung, um zum Beispiel die Behördengänge für die Betroffenen erledigen zu können. Auch eine kognitive Verhaltenstherapie scheint sinnvoll zu sein. Dabei geht es eher um eine Art „kognitive“ Sortierung. Insgesamt zeigen Frauen unter antipsychotischer Therapie bessere Ergebnisse als Männer.

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.