Vortrag der Archäologischen Gesellschaft: Der Wunderlhof und seine Historie

„Der Sewald“ wurde der Wunderlhof im Urkataster von 1809 genannt. Er gehörte unter anderem einem Priester, der außer Landes verwiesen wurde.

Gauting – „Bevor der Wunderlhof verschwand“: Dieses Thema lockte circa 40 Interessierte in den Gautinger Pfarrsaal St. Benedikt. Auf dem Programm stand am Freitagabend ein Vortrag der Gesellschaft für Archäologie und Geschichte (GFAG) Oberes Würmtal. Der Vorsitzende Karl Ludwig Hebler erläuterte die bis in die Römerzeit reichende Geschichte des abgerissenen gemeindlichen Wunderlhofs an der Starnberger Straße 9.  Mit Argusaugen verfolgen die Gautinger bereits seit gut zwei Jahrzehnten die Entwicklungen auf dem Gelände in zentraler Lage gegenüber des Rossmann-Marktes.

„Der Sewald“ – so hieß das Anwesen im Urkataster von 1809 – umfasste 3000 Quadratmeter, also ein Tagwerk, das der Bauer mit einem Ochsengespann bewirtschaften kann, erzählte Hebler. Im Bild zeigte der GFAG-Vorsitzende dazu letzte Original-Aufnahmen vom Wunderlhof mit dem Wohnhaus, dem Räucherhäusl und einer etwa zwölf Meter hohen Scheune.

Bei Grabungen auf dem seit 2022 eingeebneten Anwesen habe Archäologe Stefan Mühlemeier „sowohl römische als auch frühbajuwarische Scherben gefunden“, berichtete Hebler. Auch Holzpfostenpfähle eines Reihenhauses und zwei römische Münzen seien entdeckt worden. Es werde vermutet, dass die Römerstraße des einstigen „Vicus“ Gauting durch den späteren Wunderlhof in Richtung des heutigen Römerstegs verlief so Hebler.

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Beim geschichtlichen Abriss zitierte Hebler aus dem „Haus- und Höfebuch“ aus dem Jahr 2005, das der verstorbene Gautinger Historiker Dr. Hans H. Schmidt vom Arbeitskreis Ortsgeschichtsforschung geschrieben hatte. Ein interessanter Eigentümer des „Sewalds“ war demnach der Priester Ignaz Schmid (1774-1821): Wegen Verdachts auf Zugehörigkeit zum Illuminati-Orden hatte der Fürst von Passau den späteren Münchner Hofbibliothekar, „der seinen Mund nicht halten konnte“, nämlich außer Landes verwiesen, erzählte Hebler.

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1789 verkaufte Ignaz Schmid das Gautinger Anwesen mit Haus, Garten und vier Tagwerk für 330 Gulden an den Söldner Josef Geiger. Nach dessen Offenbarungseid ging der Hof an den „Gütlerssohn“ Xaver Spiegl. Und 1877 stiftete die verwitwete Anna Spiegl 280 Gulden ihres mit 300 Gulden bewerteten Anwesens an die Kirche im Ortsteil Buchendorf, damals Gautinger Pfarrsitz, „für die Seelenmesse“ ihres verstorbenen Gatten, erzählte Hebler. Ein weiterer Eigentümer war Landwirt Georg Spiegl, der erste Bürgermeister von Gauting. Aber wie der bisherige „Sewald“ nach dessen Tod 1899 zum Hof von Otto Wunderl I. wurde, sei unbekannt, sagte der GFAG-Vorsitzende.

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Klar ist: Landwirt Otto Wunderl III. (1930-2002) hat bis zu seinem Tod im Wunderlhof gewohnt – und er hinterließ keine direkten Nachkommen. Von einer Erbengemeinschaft hat die Gemeinde deshalb das Anwesen erworben. Auf dem nun leeren gemeindlichen Grundstück, auf dem heute ein Kunstwerke-Bauzaun der Gautinger Schule der Fantasie steht, sind noch weitere archäologische Ausgrabungen fällig, bevor überhaupt etwas gebaut werden darf. Christine Cless-Wesle

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