BYD Dolphin Surf - reale Reichweite und Praxistest
Es kommt ja selten vor, dass wir einem Testwagen einen Spitznamen verpassen. Beim BYD Dolphin Surf war es "Flipper". In fröhlichem Quietschgelb ("Lime Green") rollt der Wagen an, 3,9 Meter kurz und damit der Freund aller Parklücken. Es sind Autos wie der Dolphin ("Delfin") oder eben dessen verkleinerte Version Dolphin Surf, mit denen Chinas Elektro-Gigant BYD nicht nur in der Heimat, sondern mittlerweile auch in anderen Ländern gewaltige Erfolge feiert und Volkswagen ratlos zurücklässt. Denn die Wolfsburger haben auf ein Fahrzeug wie den Dolphin Surf keine Antwort, nachdem sie ihren E-Up nicht mehr bauen. Erst auf der IAA im September wird mit dem ID.2 bzw. ID. Polo ein neuer Kleinwagen gezeigt. Laut neuesten Berichten soll es endlich die fertige Serienversion sein - kaufen kann man sie aber wahrscheinlich erst Ende 2025 oder gar 2026. Dazu zeigen die Wolfsburger eine Studie namens ID.2X.
Karosserie und Innenraum
Flipper dagegen kann man längst kaufen. Der China-Mini ist 3,99 Meter lang, knapp 1,6 Meter hoch und mit Außenspiegeln 1,9 Meter schmal. Wir schreiben "schmal", weil E-Fahrzeuge wegen ihrer Konstruktion (ein großer breiter Batterieblock im Unterboden) in der Regel ganz schön breit sind, besonders die vielen elektrischen SUV. So wird der Dolphin zum Freund jeder Parklücken, ohne dass man die (trotzdem vorhandene) Rückfahrkamera brauchen würde. Nur der Wendekreis ist ziemlich groß, was auch daran liegt, dass der Dolphin Front- und keinen Heckantrieb hat.
Im Innenraum finden nicht nur vorn, sondern auch auf der Rückbank Erwachsene Platz. Dank der hohen Karosserie und des langen Radstandes ist im BYD mehr Raum verfügbar, als man auf den ersten Bick meint. Das gilt auch für den Kofferraum, der immerhin 308 Liter fasst; bei aufgestellten Sitzen ist das sogar mehr als in einem VW Polo. Im großen Unterbodenfach lassen sich die Ladekabel verstauen (Typ 2-Kabel für Wallboxen und Ladesäulen sowie, falls man das noch benötigt, ein Kabel mit Schuko-Stecker). Das Cockpit an sich ist für einen Klein(st)wagen gut verarbeitet und trotz vieler Plastikteile ganz ansehnlich. Die Mittelkonsole hält ein paar Ablagen bereit, darunter eine praktische Handy-Halterung - leider ohne induktive Lade-Funktion. Die Sitze sind etwas weich und konturlos, auf langen Strecken macht sich das schon mal bemerkbar. Doch die Sitze sind (ab der zweiten Ausstattungsstufe "Boost") elektrisch verstellbar - das ist in einem Auto dieser Klasse nicht gerade alltäglich.
Bedienung und Infotainment
Hier lauert leider nicht die Stärke des kleinen Chinesen. Zwar findet man sich schnell zurecht, doch das Infotainment mit seiner kleinteiligen Monitor-Darstellung gewinnt keinen Usability-Preis. Die Touch-Bedienung hakt gerne, das DAB-Radio funktionierte mehr schlecht als recht und beim Navigationssystem gab es in unserem Testwagen Server-Probleme. Immerhin funktionierte die Smartphone-Verbindung über Bluetooth bzw. Apple CarPlay reibungslos. Die Schalter-Leiste mit den drehbaren Walzen lässt einen dafür etwas ratlos zurück, denn abgesehen von der Klimaanlage mit einer kleinen LED weiß man bei den anderen Funktionen nicht, ob man sie mit dem Dreh an der Walze nun gerade ein- oder ausgeschaltet hat.
Was absolut nervt, ist die Innenraumüberwachung. Die Kamera an der A-Säule scannt den Fahrer, als wäre sie ein Polit-Offizier aus Peking, und quittiert jede tatsächliche oder vermeintliche Blickabweichung mit einem "Keep your eyes on the road" ("Augen auf die Straße"). Mag gut gemeint sein, nervt aber nach kurzer Zeit tierisch.
Fahrwerk und Fahrverhalten
Der BYD Dolphin Surf ist (für ein E-Auto) nicht schwer, er bringt 1,3 Tonnen auf die Straße. Der Federungskomfort ist recht gut, Unebenheiten und Querfugen bügelt das Fahrwerk gekonnt weg. Allerdings hat der hochbeinige Wagen auch eine leichte Tendenz zum Aufschaukeln. Und er untersteuert stark. Für einen Kleinwagen bleibt das alles im Rahmen, aber eine Spaß-Maschine wie der neue Renault 5 oder der elektrische Mini Cooper ist der BYD-Zwerg nicht.
Motor, Antrieb und Verbrauch
Der permanenterregte Synchronmotor des Dolphin Surf hat eine Maximalleistung von 65 kW und magere 30 Kilowattstunden Akkukapazität. Nur in der Boost - und Comfort-Variante (diese haben wir getestet) ist die 43,2 Kilowattstunden-Batterie mit dem 115 kW / 156 PS starken Motor an Bord. Das reicht für 310 Kilometer mit einer Akku-Ladung gemäß dem WLTP-Zyklus. In der Realität sind bei sommerlichem Wetter bis zu 320 Kilometer drin, denn der reale Durchschnittsverbrauch des chinesischen Mini-Stromers liegt im Stadt- und langsamen Überlandverkehr bei gerade einmal 11 bis 13 kWh auf 100 km.
Auf der Autobahn schmilzt der Kilometervorrat natürlich schneller, aber die ist ja nicht das Revier eines Kleinwagens. Wobei: Fahr- und Windgeräusche sind auch auf der Autobahn angenehm niedrig und Flipper schafft immerhin Tempo 150. Etwas enttäuschend ist die Beschleunigung. Von der Ampel weg geht es noch flott, beim Überholen auf der Landstraße wird es zäher.
Preise und Ausstattung
In einer kurzen Einführungsphase gab es den Wagen zum Kampfpreis von 19.990 Euro, und wer seinen BYD-Händler des Vertrauens lang genug bekniet, kann den Dolphin Surf wahrscheinlich immer noch dafür mitnehmen. Offizieller Listenpreis ist jetzt aber 22.990 Euro für die Basisversion mit kleinem Akku und 26.990 Euro beziehungsweise 30.990 Euro für die Top-Version Comfort. Das Basismodell erfüllt auch nur Basiswünsche, erst ab "Boost"-Ausstattung kommen elektrische Sitzverstellung, ein paar andere Komfort-Extras und vor allem der größere Akku dazu. Die Top-Version hat dann unter anderem LED-Scheinwerfer (statt Halogen-Leuchten), Rundumsicht-Kamerasystem und Sitzheizung an Bord. Dann kostet der Wagen aber stolze 30.990 Euro, was beim besten Willen nicht mehr als Preisbrecher durchgeht.
Schnellladen kann der BYD nur mit 85 kW, was für ein Auto, das man wohl nur gelegentlich für lange Strecken nutzen wird, aber ok ist. An der heimischen Wallbox mit Wechselstrom holt das Onboard-Ladegerät 11 kW Ladeleistung heraus, damit ist der Akku in rund fünf Stunden gefüllt.

Fazit
Der größte Vorteil des BYD Dolphin Surf ist vielleicht der, dass viele Konkurrenten - allen voran VW, aber auch Kia oder Opel - noch kein Elektroauto im Mini-Segment haben, sondern nur größere Modelle. Direkte Konkurrenten sind im Wesentlichen der Leapmotor T03, wobei der BYD allein schon wegen seiner moderneren Optik hier den Vergleich gewinnt, der Hyundai Inster und der viel billigere, aber auch arg spartanische Dacia Spring. Andere E-Kleinwagen wie der Renault 5, Fiat Panda Electric oder Citroen e-C3 sind deutlich teurer, bieten aber auch mehr Platz und Ausstattung.
Als Zweitwagen und City-Hüpfer macht der BYD Dolphin Surf seine Sache jedenfalls sehr gut und füllt genau die Lücke, die Volkswagen mit dem E-Up hinterlassen hat. Flipper legt einen farbenfrohen und modernen Auftritt hin, hat ein ordentliches Platzangebot und abgesehen von ein paar Bedien-Problemen und der Ultra-Nanny-Überwachung keine relevanten Schwächen. Spätestens wenn BYD wie angekündigt im neuen Europa-Entwicklungszentrum seine Autos besser für den hiesigen Markt adaptieren kann, werden Stromer wie der Dolphin Surf den schwerfälligen Pottwal Volkswagen ganz schön durch den automobilen Ozean jagen.
BYD Dolphin Surf - Plus und Minus
Pluspunkte
- Geringer Verbrauch
- Gutes Platzangebot
- Gute Fahrleistungen
- City-taugliche Abmessungen
Minuspunkte
- Nervige Assistenzsysteme
- Infotainment mit Schwächen
- Starkes Untersteuern
Technische Daten BYD Dolphin Surf Comfort
- Motor: Permanenterregter Synchronmotor
- Leistung: Max. 115 kW / 156 PS (Basisversion: 65 kW)
- Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
- Beschleunigung 0 – 100 km/h: 9,1 Sekunden
- Antrieb: Frontantrieb
- Leergewicht: 1390 kg
- Normverbrauch: 16 kWh / 100 km
- Reichweite (kombiniert, Herstellerangabe): max. 310 km
- Reichweite (im FOCUS online-Test): 320 km
- Preis: ab 30.990 Euro (Basisversion: 22.990 Euro)
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