„Wie eine zweite Familie“: Bei den Pfadfindern geht‘s nicht um Leistung, sondern um Spaß
Im Stamm „Skythen“ treffen sich Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen. Die Ickinger mit den gelb-blauen Halsbändern suchen Nachwuchs.
Icking – Hinter einer kleinen Hütte sitzen Buben und Mädchen im Dunkeln. Sie tragen gelb-blaue Halstücher – das Erkennungszeichen der Pfadfinder. Feuer lodert in einer Schale. Im gelben Schein der Flammen spitzen die Kinder und Jugendlichen mit scharfen Messern pfeilgerade Äste an. Ums Stockende wickeln sie hellen Hefeteig.
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Wie jeden Donnerstag trifft sich die Pfadfindergruppe „Skythen“ aus Icking in ihrem roten Schwedenhäuschen neben den Bahnschranken. Nach und nach trudelt etwa ein Dutzend junge Leute in der unbeheizten Hütte ein. Der jüngste von ihnen ist sechs, der älteste 21 Jahre alt. Nur 15- bis 18-Jährige sucht man vergeblich. In Icking kämpft der Stamm mit Nachwuchsproblemen.
„Wegen Corona gibt es eine Generationslücke“, erklärt Anouk Rathnow. Sie ist Teil der Stammesführung, gehört sozusagen zum Organisationsteam, und ist somit für die jüngeren Mitglieder verantwortlich. „Normalerweise bilden die Sechs- bis Zehnjährigen sowie die Älteren jeweils eigene Gruppen.“ Aber seit zwei Jahren treffen sich alle 20 aktiven Pfadfinder gemeinsam, weil es für die Jüngeren keinen Gruppenleiter mehr gibt. Über mehr Mitglieder würden sich die „Skythen“ daher freuen.
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Seit der ersten Klasse dabei
„Heute Abend machen wir Stockbrot“, verrät Rathnow. Sie deutet auf die mit einem Geschirrtuch abgedeckte Schüssel. „Den Teig habe ich schon vorbereitet.“ Während der 21-jährige Gruppenleiter Anton van den Brulle im Pfadfinder-Garten ein großes Feuer entfacht, suchen die Kinder und Jugendlichen im Gebüsch hinter den S-Bahn-Gleisen nach geeigneten Stöcken.
Sie helfen sich gegenseitig, sägen im Licht ihrer Stirnleuchten die geraden Äste ab. „Bei uns geht es nicht um Leistung, sondern darum, einfach Spaß zu haben“, so Rathnow. Die 19-Jährige, die ab Herbst Politikwissenschaften studieren möchte, ist selbst seit der ersten Klasse bei den Pfadfindern und weiß den Zusammenhalt der Gruppe zu schätzen. „Bei uns sind alle willkommen. Jeder wird mitgenommen.“
Wenige Meter weiter steht van den Brulle und beobachtet das helle Feuer. Währenddessen erklärt er: „Die meisten Mitglieder kommen durch ältere Geschwister oder Freunde zu uns.“ Anders war es bei Valentin. Seit einem halben Jahr ist der Siebenjährige dabei. Seine Eltern fragten ihn, ob er Lust darauf habe. Also probierte es der Bub einfach mal aus und freut sich seitdem jede Woche auf das Treffen. „Ganz besonders gut gefallen mir die Spiele im Wald“, verrät Valentin.
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„Altersunterschied macht bei uns gar nichts aus“
Auch alle anderen Mitglieder, die ums Feuer sitzen, kennen viele Gründe, warum man sich den Pfadfindern anschließen sollte. Der elfjährige Arvid ist gern draußen und hat in der Gruppe einen neuen Freund gefunden. Während der 13-jährige Oskar ein Stück Teig von seinem Stockbrot zupft, sagt er: „Der Altersunterschied macht hier gar nichts aus. Alle sind sehr offen für den anderen.“
In diesem Punkt pflichtet ihm van den Brulle bei. „Wir kommen wirklich gut miteinander aus. Das ist wie eine zweite Familie.“ Für die Kinder ist der soziale Kontakt wichtig, weiß der Informatik-Student. Er blickt auf die jungen Pfadfinder, die im Halbkreis um die Feuerschale sitzen. Manche Buben spitzen noch ihre Stöcke an, ein Mädchen hält den mit Hefeteig umwickelten Stock schon über die Flammen.
Sie reden, lachen und scherzen. Der Gruppenleiter weiß auch, dass die Kinder bei den Pfadfindern lernen, Verantwortung in einer Gruppe zu übernehmen. Zudem zählt er den Umgang mit der Natur und die Abenteuer bei den Zeltlagern als spannende Erfahrungen auf. „Das alles hat bei mir einen großen Teil zum Erwachsenwerden beigetragen“, sagt van den Brulle.
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Inzwischen sind die Stockbrote fertig, und während die Kinder den heißen Teig essen, hängen bereits Marshmallows über dem Feuer. Nächstes Mal geht's vielleicht wieder in den Wald oder es wird Räuber und Gendarm gespielt – Hauptsache draußen sein, da sind sich alle einig.