Soziales Jahr für Rentner? „Ich empfinde es als Zumutung“ – Linke reagiert empört

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Soziales Pflichtjahr für Rentnerinnen und Rentner: Mit seiner Idee stößt Ökonom Fratzscher auf viel Kritik. Doch was sagt die Merz-Regierung zu dem Vorstoß?

Berlin – Nach 45 Jahren Arbeitsleben endlich in Rente – und dann gleich im Anschluss ein soziales Jahr ableisten? Die Forderung von Ökonom Marcel Fratzscher hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. So wies die Linke die Idee scharf zurück. „Ich empfinde es als Zumutung, wenn Rentnerinnen und Rentner nach 45 Beitragsjahren zu einem sozialen Pflichtjahr gezwungen werden sollen“, kritisierte die Rentenexpertin der Bundestagsfraktion, Sarah Vollath, am Samstag (23. August) auf Anfrage von merkur.de von Ippen.Media. So sehe doch keine Anerkennung von Lebensleistung aus.

Ähnlich scharf äußerten sich auch Sozialverbände. Nur in der Merz-Regierung hielt man sich bislang eher zurück. Doch was heißt das nun für die Rentnerinnen und Rentner?

Soziales Jahr für Rentner: Idee von DIW-Präsident Fratzscher sorgt für Empörung bei den Linken

Der Vorstoß von Marcel Fratzscher hat jedenfalls die Debatte um Sozialleistungen und Generationengerechtigkeit befeuert. Im Spiegel-Interview hatte der Präsident vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentnerinnen und Rentner gefordert. „Die ältere Generation muss sich stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung“, erklärte er und fügte hinzu: „Gesundheitlich werden das manche nicht können, aber dafür gibt es auch bei jungen Leuten Regelungen.“

Empfindet ein soziales Pflichtjahr für Rentnerinnen und Rentner als „Zumutung“: Linken-Politikerin Sarah Vollath. © dts Nachrichtenagentur/dpa/Montage

Der DIW-Präsident begründet seinen Vorstoß mit der Generationengerechtigkeit. „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, sagte Fratzscher und warf den Älteren in Deutschland konkret „zu viel Ignoranz, Selbstbezogenheit und Naivität“ vor. „Wir wollen zu lange schon die Realität nicht sehen. So haben wir nach dem Ende des Kalten Krieges gedacht, wir müssten uns nie mehr verteidigen – und haben die Friedensdividende verfrühstückt.“ Deshalb müsse man jetzt über fünf Prozent der Verteidigungsausgaben reden und sei in der Klimapolitik auf einem „explosiven Pfad“.

Sozialverbände und Linke weisen Vorstoß zu sozialem Pflichtjahr für Rentner ebenfalls zurück

Sozial- und Seniorenverbände kritisierten die mögliche Einführung eines sozialen Pflichtjahres für Rentner. „Wir sollten zur Abwechslung mal anerkennen, was ältere Menschen in diesem Land leisten, anstatt ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie faul sind und der Gesellschaft auf der Tasche liegen“, sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Und Joachim Lautensack vom Seniorenverband Öffentlicher Dienst bezeichnete die Forderung als „dümmlich“. Er verwies auf die Tatsache, dass ein Drittel der Älteren bereits jetzt ehrenamtlich aktiv seien – in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen seien es rund 44 Prozent. Viele familiäre Hilfen seien dabei statistisch gar nicht erfasst.

Vor diesem Hintergrund wies auch die Linke den Fratzscher-Vorstoß zurück. „Leider beobachten wir immer häufiger, dass junge gegen alte Menschen ausgespielt werden – vom Pflichtjahr bis zur Rente“, sagte Vollath zu merkur.de von Ippen.Media. Diese Themen als Konflikt zwischen Jung und Alt aufzuziehen, werde weder die Attraktivität des Pflichtjahrs verbessern noch die Rente finanziell auf stabilere Beine stellen. Ihrer Meinung nach verstelle die Idee den Blick auf die eigentliche Frage, nämlich: Wie könne der Freiwilligendienst so attraktiv gestaltet werden, dass sich automatisch mehr Menschen dafür begeistern könnten.

Soziales Pflichtjahr für Rentner: In CDU stößt das auf geteiltes Echo

Die Debatte um ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentnerinnen und Rentner brodelt schon länger in Deutschland und spaltet die Gesellschaft. Neu ist der Gedanke nicht. Bereits vor einem Jahr kam die Idee schon einmal von Seiten der CDU auf: konkret von der ehemaligen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder.

Doch damals gab es in den Reihen der Union eine klare Ablehnung. „Wir sollten uns zuerst darum kümmern, wie wir ein Gesellschaftsjahr für die jüngere Generation organisieren, bevor wir an eine zweite Runde für die Älteren denken, die schon viel für unsere Gesellschaft geleistet haben“, erklärte Anja Weisgerber, stellvertretende Fraktionsvorsitzende für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, vor einigen Wochen gegenüber der Frankfurter Rundschau. „Viele Rentnerinnen und Rentner engagieren sich bereits ehrenamtlich“, argumentierte die Politikerin weiter.

Rente, Bürgergeld, Steuer: Merz-Regierung plant Entscheidungen im Herbst

Doch in der neu aufgeflammten Debatte halten sich Unionspolitikerinnen und -politiker noch zurück. Aktuell ist noch Sommerpause in der politischen Hauptstadt. Doch nach dem Ende der parlamentarischen Ferien kommen viele soziale Fragen auf den Kabinettstisch. Angesichts einer Schieflage in den sozialen Sicherungssystemen hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) harte Einschnitte und einen „heißen Herbst“ der Entscheidungen angekündigt. Vorrangig wird es um Krankenkassenbeiträge, das Bürgergeld und die Steuern gehen. Doch auch die Erhöhungen von Renten stehen immer wieder auf dem Prüfstand. Nicht ausgeschlossen, dass in diesem Zusammenhang auch noch mal die Fratzscher-Kontroverse an Fahrt gewinnt. (jek/fbu)

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