Umweltschützer sind vom Wahlergebnis enttäuscht. Das Bündnis gegen Rechtsextremismus fühlt sich in seiner Angst bestätigt. Die Europaunion sieht aber auch positives.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Der Trend ist auch im Landkreis unverkennbar: Die Grünen sind die ganz großen Verlierer. Die AfD ist im Aufwind und holt ein historisch starkes Ergebnis bei einer Europawahl. Für die Ampel war der Sonntag ein Wahlabend zum Vergessen – die Kanzlerpartei SPD landete auf dem fünften Platz im Landkreis. Die CSU führt – wie die Union bundesweit – mit einem recht komfortablen Vorsprung.
„Haben es befürchtet“: Initiativen sind enttäuscht vom Europa-Wahlergebnis
Für den Chef der Europa-Union im Landkreis bot der Wahl-Abend verschiedene Aspekte. Zum einen ist da die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung im Landkreis: Die 66,2 Prozent stellten eine Steigerung von fast drei Prozentpunkten dar. „Aus meiner Sicht ist das durchaus ein Zeichen dafür, dass die Menschen die Bedeutung der europäischen Ebene für unseren Alltag verstärkt wahrnehmen“, sagt Alexander Lippert. Dass mehr Menschen ihr Kreuz gemacht haben, „ist erfreulich“. Deutlich weniger glücklich macht den Chef der Europa-Union die Tatsache, dass in der ganzen EU europaskeptische beziehungsweise offen separatistische Parteien Zuwächse feiern konnten.
Ist die EU jetzt in Gefahr: Europa-Union-Chef zur Wahl
„Zu den Ursachen gehört wohl, dass sich ein Teil der Bevölkerung von einigen Entwicklungen der letzten zehn, 20 Jahre benachteiligt fühlt und sich durch eine Stimme für den rechten Rand Gehör verschaffen will“, mutmaßt Lippert. Die EU sei dadurch noch nicht in Gefahr: „Die pro-europäischen, demokratischen Kräfte“ hätten weiterhin eine solide Mehrheit. Das hält er in der Auseinandersetzung mit den Populisten für wichtig. „Das Voranschreiten von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sowie die jüngsten Umbrüche in der Weltordnung sind alles Themen, die flexible, anpackende Antworten von uns verlangen.“ Das gelte auch für die „sich verschärfende Klimakrise“.
Wahlbeteiligung höher, Rechte stärker, schwache Ampel: Die Europawahl im Landkreis
Die treibt die Unterstützer der Wolfratshauser Future-Initiative regelmäßig auf die Straße. Die Umweltschützer hätten sich ein klares Votum für konsequente Klimapolitik gewünscht und wurden massiv enttäuscht. „Offensichtlich haben die Menschen andere, größere Prioritäten“, sagt Bündnis-Sprecher Dr. Jan Reiners. Dass das Thema Klimaschutz trotz der Starkregenereignisse und Überschwemmungen in Teilen Bayerns im Wahlergebnis nicht stärker im Fokus stand, hat Reiners überrascht. „Vielleicht sehen viele Wähler nicht die Intensität und die Dringlichkeit, mit der wir das Thema Klimaschutz angehen müssen.“ Europaweite Vorstöße wie den „Green Deal“ gelte es zu schützen. „Alle Parteien erzählen, dass sie das Klima schützen wollen – was sie aber unterscheidet, ist die Konsequenz und die Priorität.“ Im Vorfeld der Wahl hatte Reiners zusammen mit einigen anderen Umweltschützern ein Schreiben unterzeichnet, in dem vor den Auswirkungen eines AfD-Erfolgs auf die Klimapolitik gewarnt wurde. Reiners: „Wir stehen ganz klar gegen Rechtsextremismus.“
Demos gegen Rechtsextremismus werden weitergehen
Diese Einstellung teilt die Initiative „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“. Seit Februar hat das Bündnis um Martin Lorenz regelmäßig gegen Rechtsextremisten demonstriert – und immer wieder vor der AfD gewarnt. Jetzt, nach den Zuwächsen für die Partei, sagt Lorenz: „Das Ergebnis bestätigt uns darin, dass es wichtig war, auf die Straße zu gehen.“ Immer wieder habe er von Außenstehenden Relativierungen gehört – „dass die AfD ja eh nicht so stark werden wird“. Das Wahlergebnis gibt ihm „leider“ recht. Was Lorenz erschreckt: Vor allem bei jungen Wählern war die selbst ernannte Alternative beliebt. „Ich habe das befürchtet, aber gehofft, dass es anders kommt.“ Er gibt den anderen Parteien daran eine Mitschuld: „Sie haben der AfD auf Plattformen wie Tik-Tok komplett das Feld überlassen.“ Für ihn ist klar: Die Proteste der Initiative werden weitergehen.