Afrikanische Länder wenden sich Kernkraft zu – Russland ergreift die Chance
Fast ein Dutzend afrikanische Staaten will Atomkraftwerke bauen. Dabei wenden sie sich Russland zu. Das zeigt eine aktuelle Analyse.
London/Paris – „Kenia darf hier den Anschluss nicht verpassen“, zitierte das Handelsblatt einen Manager in Kenias nationaler Atombehörde. „Wir werden hier ein Atomkraftwerk bauen, das steht außer Frage.“ Wie etliche afrikanische Länder auch, wendet sich Kenia zunehmend der Atomkraft zu. Allzu oft führt der Weg dabei jedoch nach Russland.
16 Länder wollen mit Rosatom arbeiten – um Atomkraft zu nutzen
Zehn afrikanische Länder haben konkrete Pläne zum Bau von Atomkraftwerken. Das jedenfalls soll der noch nicht veröffentlichte World Nuclear Industry Report zeigen, über den das Handelsblatt berichtet hatte. 16 Länder sollen mit dem russischen Staatskonzern Rosatom Kooperationen zur Atomkraft-Nutzung vereinbart haben, allerdings sei nicht klar, ob das zur Energieerzeugung oder zur Forschung passiert ist.

Weiterhin sollen Vertreter aus Nigeria, Burkina Faso, Mali und Niger im März 2024 erstmalig die Messe Atomexpo besucht haben, die Russland ausgerichtet hatte. Tatsächliche Taten sind auf all das jedoch kaum erfolgt. Lediglich Ägypten hat bereits mit dem Bau eines Atomkraftwerks begonnen, ebenfalls unter der Leitung von Rosatom. 2030 soll hier ein 4,8 Gigawatt leistungsstarkes Atomkraftwerk in Betrieb gehen.
Atomstrom in Afrika – kann Kernkraft die Stromengpässe besiegen?
Die Energiesicherheit ist aktuell eines von Afrikas größten Problemen. Laut der Internationalen Energie-Agentur (IEA) haben 600 Millionen afrikanische Einwohner, also rund 43 Prozent der Gesamtbevölkerung, nur mangelhaften oder gar keinen Zugang zur Elektrizität. Die meisten davon leben in Subsahara-Afrika. Es gibt durchaus Erfolgsgeschichten: Ghana, Kenia und Ruanda sollen bis 2030 soweit sein, allen Bürgern Strom liefern zu können.
Die IEA glaubt, dass in ländlichen Gebieten, wo rund 80 Prozent der Menschen mit wenig Zugang zur Elektrizität leben, Mini-Stromnetze und eigenständig laufende Systeme die beste Wahl wären – die meisten davon solarbetrieben.
Energiesicherheit vor allem im Norden gegeben – Südafrika leidet unter Stromausfällen
Wie es konkret mit der Stromversorgung aussieht, schwankt je nach Land drastisch. Wie PricewaterhouseCoopers im „Africa Energy Review 2023“ offenlegte, ist Nordafrika die am weitesten entwickelte Region auf dem Kontinent. Dementsprechend hoch ist die Energiesicherheit, der Zugang zu Elektrizität weiter verbreitet. Außerdem habe die Gegend enorme Öl- und Gasreserven, vor allem in Algerien, Ägypten und Libyen. Die Region und das Pipeline-Gas sind für Europa als Lieferant zunehmend wichtig geworden.
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Südafrika dagegen kann zwar theoretisch auf eine große Menge natürlicher Ressourcen zurückgreifen und profitiert in hohem Maße von namibischen Öl-Funden, allerdings sind weite Teile der Infrastruktur veraltet. In der Konsequenz leiden die südafrikanischen Länder immer wieder unter Stromausfällen oder -knappheit. „Der Energie-Erfolg des Kontinents wird davon abhängen, wie sehr sich Afrika zu Kooperation bereit zeigt“, schloss PwC.
Europäische Länder investieren stärker in Kernkraft
Auch in Europa bemühen sich einige Länder wieder mehr um den Aufbau von Atomkraftwerken. Ein Atomgipfel im März, ausgerichtet von der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) und dem belgischen Staat, sollte eine Rückkehr der Kernenergie als dauerhafter Bestandteil des europäischen Energiemixes andeuten. Kernenergie ist bereits fest im Net Zero Industry Act (NZIA) verankert, zwölf von 27 EU-Ländern betreiben Kernkraftwerke. Die Niederlande und Belgien haben vorher getroffene Ausstiegspläne aufgeschoben oder gar eliminiert, während Polen jetzt erst in die Atomkraft einsteigen will.
Frankreich, bereits jetzt eine der am meisten auf Atomstrom bauenden Nationen, will sechs weitere Anlagen aufbauen. 65 Prozent des französischen Stroms kommen schon jetzt aus der Kernkraft. Ähnliche Schritte hatten die USA unternommen: Vor einigen Monaten hatte das Land unter Präsident Joe Biden das „Palisades“-AKW am Lake Michigan zurück ans Netz geholt, das vorher stillgelegt war.