EU rügt deutsche Energiewende mit Schock-Bericht: Ab jetzt hat Merz sechs Monate Zeit

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Die neue Regierung steht, es muss nur noch der Kanzler gewählt werden. Die EU bereitet Friedrich Merz mit einer brisanten Entscheidung die ersten Kopfschmerzen.

Brüssel – Er weiß es vielleicht noch nicht, aber für bald-Kanzler Friedrich Merz (CDU) tickt ab jetzt die Uhr: Am Montag, dem 28. April hat die europäische Stromnetzbehörde ENTSO-E der Europäischen Kommission empfohlen, Deutschland in bis zu fünf unterschiedliche Strompreiszonen aufzuteilen anstatt an der bisher einheitlichen Zone festzuhalten. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD versprochen, keine Teilung vornehmen zu wollen. Erst am Wochenende vor Bekanntgabe des Berichts hat sich CSU-Chef Markus Söder deutlich positioniert.

Söder will Aufspaltung der Strompreiszonen um jeden Preis verhindern

 „Unser Land darf nicht gespalten werden“, sagte der CSU-Vorsitzende der Augsburger Allgemeinen vom Samstag. „Der Süden ist das wirtschaftliche Leistungsherz und auch der Westen ist wirtschaftlich stark. Eine systematische Schwächung all dieser Länder würde am Ende ganz Deutschland und der EU insgesamt sehr schaden.“

In Deutschland gibt es bislang nur eine bundesweite Gebotszone für Strom. Da im Norden mit seinen großen Windparks oft mehr Energie erzeugt als verbraucht wird, könnten die Preise bei einer Aufteilung in mehrere Strompreiszonen dort sinken.

Im Süden und Westen hingegen gibt es deutlich weniger Windkraftanlagen, sodass der günstige Strom aus dem Norden geholt werden müsste. Müsste deshalb, weil es physikalisch im Moment nicht möglich ist, diese Strommengen von Nord nach Süd zu bringen. Der Ausbau der Netze hält nicht Schritt mit dem Ausbau der Erneuerbaren.

Bis zu fünf unterschiedliche Strompreiszonen: Das ist die Empfehlung an die EU

Die Folge: Im Süden werden Kohle- und Gaskraftwerke angeworfen, die teureren Strom erzeugen, damit die Industrie laufen kann. Weil Deutschland aber eine einzige Stromzone ist, bedeutet das: Der Strompreis steigt in ganz Deutschland, obwohl eigentlich nur der Süden dafür verantwortlich ist. Eigentlich müssten Industrie und Haushalte von den günstigen Bedingungen im Norden profitieren können, und niedrige Preise zahlen. Tun sie aber nicht.

Aus Sicht der Wissenschaft und der Energiewirtschaft ist das aktuelle System Unsinn. Denn es setzt die falschen Anreize für die Energiewende: Die Bundesländer mit einer starken Industrie wie Bayern, Baden-Württemberg oder auch Nordrhein-Westfalen haben sich lange auf dem Ausbau der Erneuerbaren Energien im Norden und Osten ausgeruht, und zu wenig selbst getan. So ist das Gefälle entstanden. Außerdem beklagen die nord- und ostdeutschen Länder, dass sich eigentlich mehr Industrie bei ihnen ansiedeln müsste, da sie günstigen Strom anbieten und eine Konkurrenz für den Süden sein könnten.

Nun empfiehlt die ENTSO-E eine Teilung Deutschlands in bis zu fünf unterschiedliche Strompreiszonen. Dies wäre die wirtschaftlichste aller Optionen, heißt es in dem Report. Demnach gäbe es eine Südzone mit Bayern und Baden-Württemberg, eine Ostzone mit allen ostdeutschen Bundesländern, eine Nordzone in Schleswig-Holstein, eine niedersächsische Zone im Nordwesten und eine Strompreiszone für NRW. Den Berechnungen zufolge hätten Schleswig-Holstein und die ostdeutsche Zone dann die niedrigsten Strompreise, im Süden wären die Preise am höchsten.

Dies ist aber nur ein Szenario von vielen: Die Behörde hält auch eine Teilung in zwei bis vier Zonen für besser als das Status Quo.

Merz und seine Wirtschaftsministerin haben jetzt sechs Monate Zeit

Dass die Empfehlung so ausfallen würde, war angesichts der aktuellen Schieflage zu erwarten. Wenn Merz und seine Regierung diesen Schritt aber verhindern will, dann muss sie jetzt schnell handeln. Die Bundesregierung hat sechs Monate Zeit, um die deutschen Nachbarländer zu überzeugen, in der EU gegen die Strompreisteilung zu stimmen. Gelingt das nicht und es kommt in der EU zu einer Pattsituation, dann darf die Europäische Kommission eigenständig eine Entscheidung treffen. Bis Anfang 2026 dürfte klar werden, wohin der Wind weht.

Energieökonomen sind quasi unisono für eine Strompreiszonenteilung. Bernd Weber, von der Klima-Denkfabrik Epico, sagt zu IPPEN.MEDIA: „Der Streit zwischen Nord- und Süddeutschland über eine mögliche Aufspaltung der Strompreiszone ist viel zu stark politisiert und oft kurzsichtig geführt. Dabei geht es nicht mehr nur um eine deutsche Ja-oder-Nein-Frage“. Die Ergebnisse von den Übertragungsnetzbetreibern seinen nicht überraschend, doch im Koalitionsvertrag fehlen die Ideen, wie man das Stromsystem in Deutschland denn anders machen sollte.

„Wir müssen offen über die Folgen einer Aufteilung sprechen, über Anpassungsmaßnahmen und Kompromisse zwischen Erneuerbaren-Erzeugern und industriellen Verbrauchern – und über Alternativen. Klar ist: Der deutsche Strommarkt braucht lokale Strompreissignale. Eine Alternative zur Aufspaltung könnte die Einführung dynamischer Netzentgelte sein – und genau das sollte die neue Wirtschaftsministerin jetzt ernsthaft prüfen“, so Weber weiter.

Deutsche Industrie stemmt sich gegen höhere Strompreise im Süden und Westen

Die deutsche Industrie ist – wenig überraschend – gegen eine Aufteilung in mehrere Zonen. Denn vor allem im Westen und Süden, wo viele energieintensive Unternehmen sitzen, würden die Preise erstmal höher ausfallen, bis auch dort mehr erneuerbarer Strom produziert wird. Matthias Belitz vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnt daher vor der Umsetzung: „Eine komplette Neuordnung des Strommarkts würde sich über viele Jahre hinziehen und eine neue Megabaustelle eröffnen. Erhebliche Unsicherheit für Verbraucher wie Produzenten ist das komplette Gegenteil von dem, was wir in der aktuell schwierigen Lage und mit Blick auf die dringend nötige Transformation brauchen.“

Daher müsse die neue Bundesregierung sehr schnell einen Plan vorlegen, die die Schieflage im deutschen Strommarkt schnell behebt und damit die Beibehaltung der einheitlichen Strompreiszone ermöglicht.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) weist darauf hin, dass Deutschland gerade dabei ist, wichtige Stromtrassen fertigzustellen, die die Engpässe im Süden beheben sollen. Dazu gehören SuedOstLink und SuedLink, die 2027 und 2028 fertiggestellt werden sollen. Die Strompreiszonenteilung würde noch länger dauern und könnte daher aus IHK-Sicht bis zu ihrer Fertigstellung schon überflüssig sein.

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