Wegen Umfrage-Hoch der AfD: CDU-Basis will Brandmauer einreißen – „Rumort massiv”

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Ein Kreisverband sträubt sich gegen die „Brandmauer“: In Sachsen-Anhalt will die Parteibasis einen Kurswechsel erzwingen. Knickt die Partei ein?

München - Die Brandmauer soll weg: Der CDU-Kreisverband Harz in Sachsen-Anhalt hat die Bundespartei aufgefordert, den Unvereinbarkeitsbeschlusses unter anderem mit der AfD aufzuheben. Laut dpa-Informationen fasste Kreisvorstand den Beschluss bereits in der vergangenen Woche und legte ihn jetzt der Landespartei vor. 

Parteiaustritte im Kreisverband Harz nach „klar verlorener“ Wahl

„Die CDU hat die Wahl im Osten klar verloren“, heißt es in dem Beschluss, der der Nachrichtenagentur vorliegt. Selbst klassische CDU-Hochburgen hätten nicht gewonnen werden können. „An der CDU-Basis rumort es massiv“, heißt es weiter. Zahlreiche Parteiaustritte lägen im Kreisverband Harz bereits vor, viele weitere Mitglieder drohten mit Austritt. 

Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU ist ein Parteitagsbeschluss von 2018, der jegliche Zusammenarbeit der Union mit AfD und Linkspartei ausschließt. In einem Schreiben fordert der Kreisverband Harz neben der Aufhebung des Beschlusses außerdem, in den Koalitionsgesprächen im Bund gegenüber der SPD bei der Umsetzung zentraler CDU-Wahlkampfversprechen nicht nachzugeben. Daneben fordert der Kreisverband auch eine Abstimmung der Parteimitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag.

Direktmandate in Sachsen-Anhalt gehen an die AfD

Bei der Bundestagswahl im Februar waren alle Direktmandate in Sachsen-Anhalt an die AfD gegangen. Schon 2019 hatte unter anderem der CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Thomas gefordert, Koalitionen mit der AfD nicht auszuschließen. Thomas ist Vorsitzender im CDU-Kreisverband Harz. 

Der Landesverband der CDU in Sachsen-Anhalt geht allerdings nicht mit dem Wunsch des Kreiverbandes konform. Der Landesverband teilte auf Anfrage mit, dass die Beschlusslage zum Unvereinbarkeitsbeschluss mit Linken und AfD klar sei: „Keine Zusammenarbeit mit AfD und Linke“, teilte Landesgeschäftsführer Mario Zeising mit. „Beide sind für uns weder Ansprechpartner noch Verbündeter.

Merz spürt die „Unruhe“ und äußert sich zu AfD-Umfragehoch

CDU-Chef Friedrich Merz sieht seine Partei und die Unionsfraktion trotz grundsätzlich wachsender Kritik an ihm hinter sich. „Ja, an der Basis der CDU gibt es Unruhe“, sagte Merz der Wochenzeitung Die Zeit laut Angaben vom Mittwoch. „Aber in der Führung der Partei und der Fraktion sind Geschlossenheit und Entschiedenheit in den letzten Tagen eher gewachsen.“

Merz äußerte sich auch zum Aufwind für die AfD in den Umfragen in den vergangenen Wochen. Am Wochenende war die rechtspopulistische Partei mit der Union gleichgezogen - sie hatte dazugewonnen, während die Union Prozentpunkte verloren hatte. Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Instituts Ipsos sah die AfD einen Punkt vor CDU und CSU. „Ich kann uns allen nur raten, nicht wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren“, sagte er dem Medium.

„Brandmauer“ in Kommunen gegen AfD ist laut Studie weitgehend stabil

Der Kreisverband Harz ist wohl aber nur eine Ausnahme, was die Kommunen und die Brandmauer angeht. In den Gemeinden ist diese laut einer Studie weitgehend stabil. Bundesweit stimmten andere Parteien in Kommunalparlamenten bei rund 81 Prozent der untersuchten Fälle gegen Anträge der AfD, wie Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) feststellten. Zwischen west- und ostdeutschen Bundesländern gebe es nur auf dem Land wesentliche Unterschiede.

Die am 20. März 2025 veröffentlichte Studie bezieht sich auf das Stimmverhalten in Kommunalparlamenten in ganz Deutschland und geht über eine allein auf Ostdeutschland begrenzte Untersuchung hinaus, die das WZB bereits im September herausgab. Im Osten, wo die AfD bei der Bundestagswahl im Februar in allen Bundesländern stärkste Kraft wurde, grenzen sich die restlichen Parteien demnach ähnlich stark von der AfD ab wie im Westen. So stimmten diese in westdeutschen Städten (18 Prozent) und Landkreisen (15,2 Prozent) etwa so häufig für Anträge der AfD wie auch in ostdeutschen Städten (16 Prozent).

Forscher: Keine Partei hält „Brandmauer“ gegen AfD komplett aufrecht

In den ostdeutschen Landkreisen zeigt die Brandmauer dagegen mehr Risse. Dort stimmten andere Parteien bei 26,9 Prozent der AfD-Anträge zu, heißt es in der Studie. Unter den Bundesländern fiel Sachsen-Anhalt demnach mit den meisten Zustimmungen auf (27 Prozent). Bundesweit untersuchten die Forscher insgesamt 11.053 Sitzungen von Kreistagen und kreisfreien Städten von Mitte 2019 bis Mitte 2024.

Friedrich Merz schau grimmig, Alice Weidel freut sich
Union und AfD sind in Umfragen gleichauf. © IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Die Brandmauer werde von keiner der etablierten Parteien „ohne Wenn und Aber“ aufrechterhalten, erklärten die Autoren. So stimmten nach Kleinstparteien und Wählerverbänden zwar FDP und CDU am häufigsten für AfD-Anträge, doch auch SPD, Grüne und Linke gaben bestimmten Anträgen ihre Unterstützung. (cgsc mit dpa)

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