„Keine Praxis für Kinder und Jugendpsychiatrie im Landkreis Landsberg“

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Die Schulschließungen währen der Pandemie wirken nach: Immer noch kämpfen Kinder und Jugendliche mit den psychischen Folgen – und fehlenden Hilfsangeboten. © Marcus Brandt/dpa/Archivbild

Die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat während der Corona-Pandemie gelitten – auch im Landkreis. Ein Expertenbericht sorgte im Inklusionsbeirat des Kreistags für Betroffenheit. Denn die Hilfsangebote sind zu knapp, Anlaufstellen arbeiten am Limit, Wartezeiten sind viel zu lang.

Landkreis - Landkreis – „Versorgungsdefizit und Handlungsbedarf bei der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Landkreis Landsberg am Lech“, so der Titel des Situationsberichts, den Diplom-Psychologin Susanne Stegmaier – vormals beim psychologischen Fachdienst des Landratsamts beschäftigt, inzwischen kommunale Gleichstellungsbeauftragte – im Inklusionsbeirat vorstellte. An dem Bericht haben Kinderärzte, Schul-, Kinder- und Jugendpsychologen, Vertreter von Beratungsstellen, Politik und Kreisjugendring, ein Schülersprecher sowie weitere Fachleute mitgewirkt.

Schulschließungen in der Pandemie „extreme Belastung“

Die Pandemie habe – aufgrund der veränderten Lernbedingungen, des Wegfalls von vielen Freizeitangeboten und vor allem wegen der Trennung von Gleichaltrigen – eine extreme Belastung für Kinder und Jugendliche dargestellt, heißt es in dem Bericht. Je nach persönlicher Lebenslage und familiärer Struktur habe dies starke Spuren bei den jungen Menschen hinterlassen. Der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf ist seitdem stark gestiegen. Essstörungen, emotionale und depressive Störungen sowie Angststörungen mit Schulvermeidung treten vermehrt auf.

Erste Anlaufstelle sind häufig Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte, der Mobile Sonderpädagogische Dienst sowie die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), die mittlerweile an allen Schularten inklusive Gymnasien angeboten wird. Allerdings komme dort auf 1.000 Schüler eine halbe JaS-Stelle, machte Stegmaier die Dimensionen klar. „Die Stellen arbeiten seit Jahren absolut am Rande ihrer Kapazität.“

Keine Praxis für kinder- und Jugendpsychiatrie in Landsberg: zwei Jahre Wartezeit

Wenn Kinder eine ambulante oder stationäre Diagnostik beziehungsweise Therapie benötigen, müssen sie oft lange Wartezeiten und weite Wege in Kauf nehmen. „Im gesamten Landkreis fehlt derzeit eine niedergelassene Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie“, kritisiert der Expertenbericht. Allein bis zur Abklärung erster Symptome könne bis zu einem Jahr vergehen, so Stegmaier. Bis eine Therapie beginnt, kann es noch einmal ähnlich lange dauern. Sie verdeutlichte das Problem am Beispiel eines Grundschülers, der an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leidet. „Wenn ein Siebenjähriger erst mit neun Jahren Hilfe bekommt, ist das ein Desaster, ein enormer Entwicklungsverlust.“ Auch leide die Qualität der Versorgung unter der Überbelastung der bestehenden Anlaufstellen.

Der Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mache sie „betroffen und traurig“, sagte Beiratsmitglied Ulla Schäfer. Gleichzeitig stellte sie auch die Frage nach den Ursachen und nach möglicher Prävention. Stegmaier erklärte, die Corona-bedingten Schließungen von Schulen, Sport- und Freizeiteinrichtungen hätten Kinder massiv belastet. „Das ist inzwischen eindeutig wissenschaftlich belegt.“ Außerdem sei in den Schulen der Druck zu hoch. Gleichzeitig seien die motorischen, sprachlichen und konzentrativen Fähigkeiten bei Schulanfängern heute geringer. „Das liegt noch an Corona.“ Kinder aus Familien mit höherem Bildungsstand seien weniger stark betroffen.

Beiratsmitglied Monika Groner regte an, die Ergebnisse des Berichts im Kreistag vorzustellen, was auch geschehen soll. Bei einer der Forderungen der Experten – Schaffung einer Stelle für einen Kinder- und Jugendpsychiater am Gesundheitsamt – habe Landrat Thomas Eichinger aber bereits abgewinkt, da dies für den Landkreis nicht finanzierbar sei, berichtete Barbara Klaus, Vorsitzende des Psychosozialen Netzwerks. Eichinger habe aber zugesagt, das Thema auf eine höhere politische Ebene – in den Bayerischen Landkreistag – mitzunehmen.

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