Anti-Bayern-Beschluss der Ampel: Fliegt die CSU aus dem Bundestag?

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Die Ampel-Regierung stößt mit ihrer Wahlrechtsreform auf Widerstand. Vor dem Verfassungsgericht wird verhandelt. Für die CSU könnte die Reform drastische Folgen haben.

Berlin – Vor rund einem Jahr hat die Ampel-Regierung nach langer Debatte und scharfer Kritik eine Wahlrechtsreform beschlossen. Anders als bei Neuerungen im Wahlrecht sonst üblich, hat die Regierung dies gegen den Willen der Oppositionsparteien entschieden.

Besonders betroffen von der Neuerung wären die Linke sowie die CSU. Nach dem Beschluss des Gesetzes im Jahr 2023 sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber: „Wir nehmen es nicht hin, dass die Ampel bayerische Wählerstimmen entwerten will.“ Damals warf Huber der Ampel vor, „Bayern strukturell zu schwächen“.

Gegen das Gesetz geht unter anderem die Union, aber auch die Linke gerichtlich vor. Am Dienstag (23. April) haben die mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe begonnen. Neben der bayrischen Staatsregierung, der Unionsfraktion und der Linken klagen auch über 4.000 Privatpersonen gegen die Reform.

Friedrich Merz (r.), Bundesvorsitzender der CDU, wartet mit Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU im Bundestag, im Bundesverfassungsgericht auf den Beginn der Verhandlung über die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition.
Friedrich Merz (r), Bundesvorsitzender der CDU, wartet mit Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU im Bundestag, im Bundesverfassungsgericht auf den Beginn der Verhandlung über die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition. © Uli Deck/dpa

Wahlrechtsreform der Ampel: Was ändert sich und was ist neu?

Ziel der Wahlrechtsreform ist es, die Anzahl der Mandate im Parlament von zuletzt 734 auf 630 zu reduzieren. Darüber waren sich sowohl die Bundesregierung als auch die Oppositionsparteien einig. Die Ausführung sorgte jedoch für Zerwürfnisse. Das Gesetz, das im März 2023 durch die Mehrheit der Ampel im Bundestag beschlossen wurde, sieht vor, dass Überhang- und Ausgleichsmandate sowie die sogenannte Grundmandatsklausel wegfallen.

Neue Regelungen im Wahlrecht: Keine Ausgleichs- und Überhangmandate

Zuvor haben Parteien, die viele Erststimmen bei einer Wahl erhalten und damit viele Wahlkreise gewonnen haben, trotz schlechterer Ergebnisse bei den Zweitstimmen mehr Sitze im Bundestag erhalten, als ihnen grundsätzlich zugestanden hätten. Dies waren die Überhangmandate.

Die Ausgleichsmandate dienten daraufhin dazu, das Gleichgewicht zwischen den Parteien infolge der Vergabe der Überhangmandate wieder herzustellen. Somit erhielten andere Parteien sogenannte Ausgleichsmandate, um das Verhältnis der Wahlergebnisse zu wahren.

Mit der Neuregelung der Ampel-Regierung fallen diese zwei Aspekte weg und der Fokus liegt auf dem Zweitstimmenergebnis. Eine Partei bekommt demnach nur so viele Sitze, wie ihr nach diesem Ergebnis zusteht. Gewinner von Direktmandaten können demzufolge leer ausgehen und möglicherweise nicht in den Bundestag einziehen.

Ampel schafft Grundmandatsklausel ab: Folgen für Linke und CSU

Die Abschaffung der Grundmandatsklausel betrifft indirekt die Fünf-Prozent-Hürde. Erreichen Parteien diese bei einer Wahl nicht, ziehen sie grundsätzlich nicht in den Bundestag ein. Die Grundmandatsklausel hat bislang eine Ausnahme dieser Regelung geschaffen: Parteien, die über die Erststimme bei einer Wahl drei Direktmandate bekommen haben, sind aufgrund der Klausel dennoch in den Bundestag eingezogen. So zum Beispiel die Linke bei der Bundestagswahl im Jahr 2021.

Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition: CSU könnte aus Bundestag fliegen

Aber auch die CSU könnte von dem Wegfall der Grundmandatsklausel sowie der Überhangmandate betroffen sein. Bei der letzten Bundestagswahl hat die CSU 45 Direktmandate gewonnen und kam bundesweit auf ein Ergebnis von 5,2 Prozent. Die Partei erhielt folglich elf Überhangmandate. Nach dem neuen Wahlrecht wäre dies nicht mehr der Fall.

Am gravierendsten wäre für die CSU das Szenario, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2025 nicht erreichen würde und infolge der neuen Regelung der Ampel nicht mehr in den Bundestag einziehen könnte. Dies würde auch dann gelten, wenn die CSU in Bayern wieder die allermeisten Wahlkreise direkt gewinnen würde.

CDU und CSU kritisieren Ampel-Reform: „Manipulation des Wahlrechts stoppen“

Vor dem Verhandlungsstart am Dienstag in Karlsruhe sagte der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt über die Reform der Ampel, es sei „offensichtlich, dass dieses Wahlrecht zu missbrauchen versucht wird, um eigene Mehrheiten sicherzustellen“. Die Reform nannte Dobrindt „verfassungswidrig“ und forderte: „Wir müssen die Manipulation des Wahlrechts stoppen.“

Auch CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte die Reform scharf. Das Gesetz, so schreibt es die CDU/CSU Bundestagsfraktion in einem Statement, könne dazu führen, dass ein Wahlkreis oder ein ganzes Bundesland nicht mehr im Bundestag von der Partei vertreten wird, die vor Ort die Mehrheit oder die meisten Wahlkreise gewinnt. Dies könne zum Beispiel für die CSU und Bayern der Fall sein.

Ampel-Politiker sieht in Wahlrechtsreform „historische Chance“

Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Koalition verteidigen die Reform. Vor der Verhandlung sprach der FDP-Politiker Konstantin Kuhle davon, dass Menschen in Deutschland kein Verständnis für einen immer größer werdenden Bundestag hätten. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann nannte die Reform eine „historische Chance“, um das Vertrauen der Wählerschaft in das deutsche Wahlsystem zu stärken.

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition

Spätestens bis kurz vor der parlamentarischen Sommerpause dürfte mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts in Karlsruhe bezüglich der Reformen zu rechnen sein. Die Venedig-Kommission des Europarats hat festgelegt, dass die Wahlregeln ein Jahr vor einer Wahl feststehen müssen.

Mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2025 bleibt demnach nicht viel Zeit für eine Entscheidung, und erst recht nicht für eine Nachbesserung an dem Gesetz. Dienstag und Mittwoch (23. und 24. April) finden vor dem Verfassungsgericht die mündlichen Verhandlungen über die Reform statt. (pav)

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