„Um abschrecken zu können“: Geheimpapier enthüllt Pistorius‘ Bundeswehr-Plan
Die Bundeswehr soll „kriegstüchtig“ werden. Dafür müssen auch unklare Verantwortlichkeiten minimiert werden. Der Verteidigungsminister will im April über Strukturänderungen in der Truppe entscheiden.
Berlin – Kurz nach seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister hatte Boris Pistorius (SPD) eine Umstrukturierung in seinem Haus angekündigt. Auch die Bundeswehr sollte eine neue Struktur bekommen. Erste Details zu den Reformplänen sickerten nun durch. Die Wiedereinführung einer Wehrpflicht ist demnach wohl nicht ganz ausgeschlossen. Zumindest sind laut einem Experten entsprechende Strukturen zu einer möglichen Wiederaufnahme vorgesehen. Im April will der Verteidigungsminister über die Strukturänderungen entscheiden.
Bundeswehr auf Landesverteidigung ausrichten: Pistorius plant Strukturreform
Der Umbau des Verteidigungsministeriums gilt als abgeschlossen, ging allerdings nicht ohne Kritik über die Bühne. Nun ist die Bundeswehr dran. Jahrelang war die Truppe auf das internationale Krisenmanagement ausgerichtet, angesichts des Ukraine-Kriegs soll der Fokus wieder zurück auf die Landesverteidigung gehen. Deutschland müsse sich an den Gedanken gewöhnen, „dass wir vielleicht einmal einen Verteidigungskrieg führen müssen“, hatte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, im vergangenen Jahr betont und kritisiert, dass es Strukturen in der Bundeswehr gebe, „die schnelle und zielgerichtete Entscheidungen fast unmöglich machen.“
Pistorius hatte unlängst einer Projektgruppe den Auftrag erteilt, Vorschläge für eine Strukturreform der Bundeswehr vorzulegen. Der 34 Seiten umfassende Bericht liegt Business Insider vor, wie das Portal am Freitag (8. März) berichtete. Das Ziel ist laut Papier, „kriegstüchtig sein, um abschrecken zu können“. Der Kritik des Generalinspekteurs wird offenbar Rechnung getragen: Überschneidungen von Verantwortungsbereichen sollen damit auf ein Minimum reduziert werden und damit auch die „Gefahr zeitintensiver Abstimmungen, Fehlsteuerungen und von Verantwortungsdiffusion“, heißt es in dem Papier. Damit sollen Entscheidungsprozesse beschleunigt werden.
Strukturänderungen in der Bundeswehr: Das steht im Bericht der Projektgruppe
- Vierte Teilstreitkraft „Cyber- und Informationsraum“ (CIR): Zusätzlich zu den bislang bestehenden drei Teilstreitkräften Marine, Luftwaffe und Heer
- Ein operatives Führungskommando der Bundeswehr: Die beiden Führungskommandos für Einsätze im Aus- und Inland werden zusammengelegt, um die Leitung aus einer Hand zu ermöglichen
- Formung eines „Kommando Unterstützung“: Das „Kommando Unterstützung“ soll unter anderem durch die Zusammenlegung der bislang eigenständigen Streitkräftebasis sowie des Sanitätsdienstes entstehen. Führen soll die Sanität ein „Chief Medical Officer“
- Luftfahrtamt der Bundeswehr: wird der Luftwaffe als Teilstreitkraft unterstellt
- Gründung von vier regionalen Personalzentren: Im Personalwesen sollen die regionalen Personalzentren dem Personalamt der Bundeswehr unterstellt werden, um die Reaktionsfähigkeit im Ernstfall zu erhöhen
- Mobile Verwaltungselemente in militärischen Strukturen: Sogenannte „Embedded Support Organisations“ (ESO) sollen die Wehrverwaltung und die Truppe besser verzahnen
- Gründung „Abteilung Fachaufgaben Bundeswehr“: um die Streitkräfte von sogenannten bundeswehrgemeinsamen Aufgaben zu entlasten
- Nun dem Heer unterstellt: Die Truppengattungen Feldjäger und ABC-Abwehr sollen dem Heer unterstellt werden. Ebenso das Kommando für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (CIMIC) sowie das Wachbataillon in Berlin, das dem Feldjägerwesen zugeordnet wird. Auch die Heimatschutzkräfte werden dem Heer unterstellt.
Quelle: Business Insider unter Bezugnahme auf das Bundeswehr-Dokument der Projektgruppe
Meine news
Neustrukturierung der Bundeswehr: Möglichkeit zur Wiedereinführung der Wehrpflicht?
Das Beschaffungsamt bleibt indes in seiner Struktur unverändert, soll durch 70 Einzelmaßnahmen jedoch schneller handlungsfähig gemacht werden. Und auch im zivilen Organisationsbereich will man den Fokus auf Kriegstüchtigkeit legen: Demnach habe man den Aufbau von „Strukturen zur Wiederaufnahme der verpflichtenden Einberufung zum Grundwehrdienst“ geschaffen, also die grundsätzliche Möglichkeit, eine eventuell wieder eingeführte Wehrpflicht auch umzusetzen, wie der Experte Thomas Wiegold in seinem Blog Augen geradeaus analysiert.
Die Entscheidung des Verteidigungsministers über die Neustrukturierung der Bundeswehr soll bis Anfang April stehen. Im Anschluss sollen Konzepte mit konkreten Zeitlinien erarbeitet werden, die bis 1. Oktober 2024 an den Generalinspekteur Breuer und Verteidigungs-Staatssekretär Nils Hilmer gehen. Pistorius steht indes künftig noch vor weiteren Herausforderungen. Wie interne Berechnungen des Verteidigungsministeriums zeigen, klafft in der Bundeswehr in vier Jahren eine Finanzlücke von 56 Milliarden Euro.