CDU-Agenda: Mehr Wirtschaftswachstum durch Bürgergeld-Reform – Darum kann das nicht gelingen

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Die CDU will ihr Wirtschaftsprogramm „Agenda 2030“ auch durch die „Neue Grundsicherung“ finanzieren. Dabei gibt es beim Bürgergeld kaum Potenzial zum Sparen.

Hamburg – Die CDU will vor der Bundestagswahl mit einem neuen Wirtschaftsprogramm punkten. Mit der sogenannten „Agenda 2030“ will die Partei um Kanzlerkandidat Friedrich Merz mittelfristig ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent pro Jahr erreichen. Das geht aus einem Beschlussentwurf des Bundesvorstands hervor, welcher der Deutschen Presse-Agentur (DPA) und dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Teil des Pakets ist eine Steuerreform. Geplant ist, die Einkommenssteuerbelastung zu senken, den Spitzensteuersatz erst später greifen zu lassen und den Grundfreibetrag jährlich zu steigern.

CDU will Wirtschaftsprogramm „Agenda 2030“ über Bürgergeld-Reform finanzieren

Zur Finanzierung ihres Wirtschaftsprogramms plant die CDU keine Steuererhöhungen. Stattdessen soll das Bürgergeld dienen – neben der Migrationspolitik. Im Bundesetat würden durch eine deutlich härtere Migrationspolitik sowie die Überführung des Bürgergelds in eine neue Grundsicherung größere Summen frei, berichtet das ARD-Hauptstadtstudio über den Entwurf. CDU und CSU planen die sogenannte „Neue Grundsicherung“, die auch im Programm zur Bundestagswahl enthalten ist.

Friedrich Merz hält eine Rede und breitet seine Arme aus.
Friedrich Merz und die CDU wollen die Steuererleichterungen der „Agenda 2030“ über Einsparungen am Bürgergeld finanzieren. © Henning Kaiser/dpa

Die Union sieht bei der neuen Grundsicherung härtere Sanktionen vor, als das bisher beim Bürgergeld der Fall ist. Wer eine „zumutbare“ Arbeit „ohne sachlichen Grund“ ablehne, soll seine Ansprüche verlieren. Das selbe gilt, wenn Leistungsempfänger mehr als einen Termin im Jobcenter verpassen. Zudem sprechen sich zahlreiche CDU-Politiker für eine Arbeitspflicht aus. „Jeder, der in Deutschland Bürgergeld bezieht und arbeiten kann, muss arbeiten gehen“, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann der Bild. „Ansonsten darf es keine Sozialleistungen mehr geben.“

Bürgergeld-Posten im Bundeshaushalt ist relativ gering

Größere Einsparungen beim Bürgergeld sind jedoch fraglich – und damit auch die Finanzierung des CDU-Wirtschaftsprogramms. Das liegt schon allein am Posten, den das Bürgergeld im Bundeshaushalt einnimmt. Mit etwa 45 Milliarden Euro macht die Grundsicherung weniger als zehn Prozent des Haushalts aus.

Auch die wirtschaftliche Entwicklung spricht gegen ein größeres Sparpotenzial beim Bürgergeld. Zwar gibt es 2025 keine Erhöhung des Regelsatzes, Alleinstehende erhalten etwa weiterhin 563 Euro im Monat. Allerdings „wird die Zahl der Bezieher voraussichtlich nicht sinken, weil die wirtschaftliche Lage schlecht ist und dies die Chancen mindert, vom Transferentzug in Arbeit zu kommen“, erklärte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Wirtschaftliche Entwicklung könnte zu größerer Zahl an Bürgergeld-Empfängern führen – und damit zu Mehrausgaben

Die deutsche Wirtschaft wird 2025 kaum wachsen – nach zwei Jahren Stagnation. Das spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider. 2024 ist die Zahl der Arbeitslosen gestiegen – ein Trend, der schon seit Mitte 2022 anhält. Und auch für 2025 rechnet das IW mit einem Anstieg, womit die Zahl der Bürgergeld-Empfänger zunimmt. „Potenziell könnten 2025 mehr Menschen aus dem Arbeitslosengeld I in die Grundsicherung rutschen, weil Arbeitssuchende immer schwerer eine Beschäftigung finden“, erklärte IW-Expertin Stefanie Seele.

Mit der steigenden Zahl der Leistungsberechtigten steigen auch die Ausgaben. Der Grund: Das Bürgergeld ist eine Pflichtleistung. Das bedeutet, dass es in jedem Fall an Berechtigte ausgezahlt wird – unabhängig davon, wie viel die Haushaltsplanung des Bundes dafür vorsieht. Das gilt auch für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese übernehmen zwar überwiegend die Kommunen, der Bund zahlt jedoch einen Zuschuss in Höhe von derzeit elf Milliarden Euro. Auch die Kosten der Unterkunft, wie es offiziell heißt, nehmen damit zwangsläufig mit einer höheren Zahl an erwerbslosen Leistungsbeziehern zu.

Harte Sanktionen der Union würden nur wenig Bürgergeld-Empfänger treffen

Die Härte der CDU mit den geplanten Sanktionen wird die Zahl der Leistungsempfänger auch nicht verringern. Im Fokus dabei sind sogenannte „Totalverweigerer“, deren Zahl jedoch verschwindend gering ist. Bernd Fitzenberger, Direktor am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), hatte gegenüber dem Focus von „Einzelfällen“ gesprochen. Auch die Zahl der Sanktionen wegen der Verweigerung, eine Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme zu beginnen, ist gering. Im August 2024, den neusten verfügbaren Daten, gab es deshalb 2097 Kürzungen. In den letzten zwölf Monaten mit verfügbaren Daten, dem Zeitraum von September 2023 bis zum vergangenen August, sind es 21.730. Ob die Betroffenen mehrfach einen Job ausgeschlagen haben, also als „Totalverweigerer“ gelten, ist jedoch nicht bekannt.

Schon mit Blick auf die einfach sanktionierten Bürgergeld-Empfänger zeigt sich, dass die „Arbeitsverweigerer“ einen verschwindend geringen Anteil haben. Denn: Zwar gibt es derzeit knapp 5,5 Millionen Leistungsbezieher. Weil jedoch 1,5 Millionen Kinder darunter sind, sind lediglich etwa vier Millionen erwerbsfähig. Davon wiederum stehen lediglich 1,6 Millionen dem Arbeitsmarkt auch zur Verfügung.

Nur wenig Arbeitsverweigerer im Bürgergeld – Einsparungen würden entsprechend gering ausfallen

Mit Blick auf die 21.730 Sanktionen, die zwischen September 2023 und August 2024 ausgesprochen wurden, sind das lediglich 1,36 Prozent, die tatsächlich Arbeitsangebote ausschlagen. Dementsprechend gering ist das Sparpotenzial, wenn dieser Gruppe das Bürgergeld entzogen wird.

Ausgehend vom Regelsatz für Alleinstehende von 563 Euro sind das auf ein Jahr gerechnet 146.807.880 Millionen Euro. Zusätzlich könnten dann durchschnittlich 651,20 Euro für die Kosten der Unterkunft pro Bedarfsgemeinschaft und Monat wegfallen. In einem Jahr sind das 169.806.912 Millionen Euro, also inklusive Regelsatz dann 316.614.792 Millionen Euro insgesamt. Damit lassen sich keine Steuererleichterungen finanzieren. Zudem könnte der im Grundgesetz verankerte Schutz der Menschenwürde den härteren Sanktionen durch die CDU einen Riegel vorschieben.

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