Tanz als Funke des Lebens: „Sol Invictus“ im Landsberger Stadttheater

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„Sol Invictus“ mit der Compagnie Hervé Koubi: Das 19-köpfige Ensemble überzeugt mit ausdrucksstarker Akrobatik, kraftvollem Tanz und bestechender Optik. © Greiner

Hervé Koubis Ensemble ist in Landsberg bekannt: Vor drei Jahren überzeugte der Choreograf bereits mit „Les Nuits Barbares“ sein Publikum. Kein Wunder, dass das Stadttheater auch für „Sol Invictus“ bis an die Kante ausverkauft war. Auch dieses Mal begeistert das außergewöhnliche Ensemble.

Landsberg – Keine Kunstform ist so unmittelbar wie der Tanz. Ist selbst beim Gesang noch die Stimme eine ‚Sprache‘ zwischen Performer und Rezipient, wird beim Tanz der Körper selbst das Sprachrohr. Choreograf Hervé Koubi setzt mit seinem Ensemble auf diese direkte Verbindung – mit „Sol Invictus“, seiner „Verneigung vor der Liebe zum Tanz“.

Tanztheater „Sol Invictus“ im Landsberger Stadttheater: Akrobatik und ausdrucksstarker Street Dance

19 Tänzerinnen und Tänzerinnen aus Europa, Brasilien, Asien, Nordafrika und den USA hat Tänzer Koubi, geboren in Cannes, mit Wurzeln in Algerien, versammelt: keine Tanzenden aus klassischen Ballettensembles: Hier stehen Hiphopper, Streetdancer, deren Großteil Koubi 2010 für seine erste Compagnie gecastet hat, auf der Bühne – mit dabei auch ein Mann, dessen rechtes Bein amputiert ist. Das erklärt die Einzigartigkeit dieses Ensembles: In Worte gefasst ist ihr Tanz kraftvoll, massiv, ungemein körperlich, jenseits jeglicher Manieriertheit – und zugleich ergreifend, in seiner Direktheit nahezu zärtlich.

Auch mit „Les Nuits Barbares“ begeisterte Hervé Koubis Ensemble

Das Leben sei gegenüber dem gleichgültigen Universum nur ein fragiler Funke, zugleich leuchtend und vergehend, sagt Koubi im Stadttheater. Es gelte, in diesem Funken eine Bedeutung zu finden, sich, wie Stanley Kubrick es formuliert hat, sein eigenes Licht zu schaffen. „Sol Invictus“ ist sein Versuch, diesen Funken sichtbar zu machen, heller, leuchtender. Denn Tanzen, sagt Koubi, sei nichts anderes, als dem Tod lachend ins Auge zu blicken.

Den 19 Ensemblemitgliedern ist der Tanz in den Körper eingeschrieben. Die Choreografie ist selten streng geordnet, vielmehr scheinen sich die Körper anzunähern, abzustoßen und wieder in die eigene Umlaufbahnen zu ziehen. Meist gibt es mehrere ‚Hotspots‘ auf der Bühne, nur selten treten Solisten oder Tänzer im Duett– Begriffe wie Pas de Deux kommen einem hier erst gar nicht in den Sinn. Der Tanz ist mit akrobatischen Elementen gespickt, ohne zur Zirkusnummer zu werden: Die Akrobatik vermittelt vielmehr Ungestümes, zeigt Lebendigkeit, ein starkes Trotzen gegen den Stillstand.

In Goldenes Licht getaucht: Compagnie Hervé Koubi begeistert in Landsberg

Entsprechend dem Titel der ‚unbesiegbaren Sonne‘ leuchtet die Bühne in goldenem Licht. Der Bühnenboden ist von einer spiegelnden Oberfläche überzogen, die goldene Funken in den gesamten Theaterraum sendet. Ein Licht, dass droht, in der Dunkelheit zu versinken – sichtbar gemacht durch einen Lichtwechsel zu kaltem Weiß, in Lampen, die wenige Tänzer auf ihrem Rücken tragen. Erst durch den Tanz durch das Miteinander – oder wie Koubi sagt: durch die Liebe – wird aus weiß wieder golden, aus Kälte wieder Wärme. Das Kommen und Gehen des Lichts symbolisiert sich auch in einem bühnenbreiten, goldenen Tuch, das ein Tänzer mittels ‚Kopfkreisel‘ zusammenzieht, das eine Tänzerin vom Bühnenhintergrund kommend über die ganze Szenerie zieht.

Diese Mischung aus Tanz und Licht gestaltet Bilder, die sich im Kopf einnisten, Bilder, die emotional berühren. Unterstrichen wird das durch Musik von Mikael Karlsson und Maxime Bodson, experimentell, teilweise schrill, teils von ‚Störgeräuschen‘ unterbrochen – manch einer mag da an einen Sonnensturm denken. Koubi integriert aber auch klassische Musik und mit ihr Assoziationen zum klassischen Ballett: mit Beethovens schreitendem, sich aus dem Dunkeln zum Licht aufsteigenden 2. Satz der 7. Symphonie. Und Koubi greift auf Minimal Music von Steve Reich zurück: zu der sich beispielsweise ein Tänzer in Flicflacs auf einer Hand quer über die Bühne katapultiert.

„Sol Invictus“ sei eine „Offenbarung des Lebens, hell großzügig, universell“, sagt Koubi. Was er, sein Assistent Faycal Hamlat und die 19 Tanzenden auf die Bühne bringen, ist schlicht überwältigend und spricht direkt das Herz an. Schon Sekunden nach dem Ende springt das Publikum im ausverkauften Stadttheater jubelnd auf die Beine. „Sol Invictus“ ist, wie Koubi sich das erhofft, zum Funken des Lebens geworden.

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