Radioaktive E-Auto-Technik: Deutscher Quantensprung durch Loslösung von Neodym?

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In den Motoren von Elektroautos sind Seltene Erden wie Neodym verbaut. Das ist einerseits für die Umwelt problematisch und befördert zudem die Abhängigkeit zu China.

Hodenhagen/München - Die Umstellung hin zu einer nicht-fossilen Industrie stellt die globale Staatengemeinschaft vor eine riesige Herausforderung.

Im Verkehrssektor mitsamt Autoindustrie ist die Energiewende von Verbrenner- zu Elektroantrieben von besonderer Bedeutung. Hierbei ist jedoch eine gute Strategie gefragt:

Seltene Erden und weitere Rohstoffe: Weltweiter Bedarf steigt rapide

Im Zuge der Elektrifizierung wird die Nachfrage nach umweltkritischen Rohstoffen um ein Vielfaches steigen, erläutert die Strategieberatung Roland Berger in einer Studie. Dazu gehören Ressourcen wie Lithium, Nickel, Kupfer oder auch seltene Erden wie Neodym. 

Angesichts des stark steigenden Bedarfs ist die Verfügbarkeit derartiger Bodenschätze für Industriestandorte und verarbeitende Unternehmen wie Batteriezellhersteller oder die Automobilbranche zu einem sensiblen Unterfangen geworden. 

Ein norddeutsches Unternehmen sorgt nun mit einer innovativen Entwicklung für Aufsehen, weil dadurch gleich mehrere Probleme gelöst werden könnten, die mitunter eine wirtschaftspolitische Dimension haben.

Elektromotoren ohne Neodym? Norddeutsche Firma mit Innovation

Die auf Elektrotechnik spezialisierte Veekim AG baut Komponenten für E-Motoren und hat ein leistungsfähiges Aggregat entwickelt, dessen Magnete ohne Neodym auskommen. Dabei steckt der kritische Rohstoff aktuell in vielen Elektromotoren, weil Magnete dadurch als leistungsfähiger gelten.

Gegenüber Welt spricht der Firmenchef über weitere Aspekte, die bei der Elektroauto-Entwicklung eine große Rolle spielen: die Abhängigkeit von China sowie die Umweltschädlichkeit des Abbaus. „Das Material stammt zu 90 Prozent aus dem Norden Chinas. Und um eine Tonne Neodym zu fördern, entsteht eine Tonne radioaktiver Abfall“, sagt Gründer Peter Siegle.

Dazu erklärt das Schweizer Institut für Seltene Erden und Metalle: Beim Abbau von Neodym aus dem geförderten Gestein entstehen giftige Abfallprodukte, außerdem werden radioaktives Uran und Thorium freigesetzt. Auch in den getriebelosen Generatoren von Windkraftwerken sind pro Einheit mehrere Hundert Kilogramm von Neodym verbaut, schildert die FAZ.

Elektromotor von Veekim setzt auf Eisenerz statt Neodym

Veekim hat einen innovativen Elektromotor entwickelt, der es offenbar mit den leistungsstärksten Triebwerken der Branche aufnimmt - im Gegensatz dazu jedoch kein Neodym benötigt. Eine serienreife Umsetzung hätte also gleich mehrere Vorteile: 

Neben der Reduzierung der Umweltbelastung könnte die hiesige Industrie auch die Abhängigkeit bei Rohstoffen reduzieren, dazu sei laut Siegle auch die Produktion günstiger: Die Rede ist von 300 Euro pro Aggregat. Das Unternehmen spricht von einem “grünen Herzstück für den E-Motor” - und Siegle über den Vergleich mit Tesla. 

Die Performance sei dem leistungsstärksten Aggregat des US-Autobauers ebenbürtig, einzig im Bereich Drehmoment gebe es Unterschiede. Statt Neodym komme den Angaben zufolge in den Magneten der E-Motoren Eisenoxid zum Einsatz. Das wird zwar auch im Ausland gewonnen, gilt aber u. a. als umweltfreundlicher und günstiger. Eine Recherche zeigt allerdings, dass auch dieser Rohstoff in den vergangenen Jahren teurer geworden ist. 

Von der fossilen Abhängigkeit in eine der seltenen Erden: Neodym ist ein magnetisches Element und wird vorrangig in China abgebaut
Von der fossilen Abhängigkeit in eine der seltenen Erden: Neodym ist ein magnetisches Element und wird vorrangig in China abgebaut. © Dreamstime/Imago

Seltene Erden: Westliche Staaten verschlafen eigene Förderung

Eine interessante These über Seltene Erden und die Abhängigkeit des Westens von China hat das Handelsblatt veröffentlicht: Demnach hätten sich EU-Staaten oder auch die USA lange um eine eigene Förderung gedrückt, da die Trennung nicht umweltfreundlich ist und radioaktive Abwässer die Böden kontaminieren. Außerdem habe die Volksrepublik die Metalle stets günstig angeboten, sodass sich eine eigene Gewinnung kaum lohne.

„Die Industrieländer haben bei der Förderung seltener Erden zu lange gezögert“, wird Tycho Möncks, ein Experte für Bergbauprojekte, in dem Artikel zitiert. Einer Auswertung zufolge würde die Nachfrage nach derartigen Rohstoffen von 170.000 Tonnen im Jahr 2022 auf ungefähr 466.000 Tonnen im Jahr 2035 ansteigen.

Seltene Erden in Elektromotoren: Deutsche Innovation

Sollte der E-Motor der Veekim AG den Weg in die industrielle Massenproduktion finden, könne sich also die Abhängigkeit bezüglich Seltener Erden schlagartig reduzieren. Dabei beruht die elektrotechnische Innovation des Unternehmens offenbar nicht auf einem gänzlich neuen Ansatz: Vielmehr habe man einzelne Komponenten sowie deren Beschaffenheit optimiert, um den Motor leistungsfähiger zu machen. 

Im Welt-Artikel werden vordergründig zwei Faktoren genannt: Die Magnete des elektrischen Triebwerks sind spritzgegossen, außerdem werde der Rotor von einer “ultradünnen, aber sehr starken Kohlenfaser-Hülle” zusammengehalten. 

Elektroantrieb mitsamt E-Motor: Für die Energiegewinnung eines Stromers sind Seltene Erden notwendig (Symbolbild)
Elektroantrieb mitsamt E-Motor: Für die Energiegewinnung eines Stromers sind Seltene Erden notwendig (Symbolbild). © MIS/Imago

E-Motoren ohne Neodym schon Realität - es gibt auch andere Ansätze

Während der Elektrotechnik-Spezialist bereits mit Autoherstellern und Zulieferern über die Verwendung eigener Komponenten in Kontakt sei, sind E-Motoren ohne Neodym im Automotive-Sektor bereits Realität: Marken wie BMW, Nissan oder Renault setzen zunehmend auf fremderregte Synchronmotoren, wo das magnetische Feld durch einen Stromfluss innerhalb des Rotors erzeugt wird.

Siegle benötigt für den großflächigen Aufbau der Motorenfertigung viel Geld, erste Investoren sind bereits an Bord. Auch ein Börsengang kursiert in den Gedanken des Firmenchefs von Veekim. 

Ob E-Mobilität in der Zukunft tatsächlich ohne kritische Rohstoffe funktioniert, ist derweil fraglich. Forschungseinrichtungen verschreiben sich mitunter Themen wie dem Recycling von ausgedienten Magneten. Dazu kommen Bemühungen, Seltene Erden aus anderen Regionen zu gewinnen - wie Vietnam, Brasilien, USA, Skandinavien - oder auch die Ukraine. Auch Norwegen ist diesbezüglich zuletzt in den Mittelpunkt gerückt. (PF)

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