Aus für Holzkirchner Arbeitsgericht
Seit 1953 besteht der Arbeitsgerichtstag in Holzkirchen. Doch Ende Juni löst das zuständige Ministerium den Standort auf. Bei Fachanwälten stößt das auf Kritik.

Auf der Website des Arbeitsgerichts München ist derzeit noch zu lesen: „Wir gehen nach außen.“ Sieben Kammern des nach Berlin zweitgrößten deutschen Arbeitsgerichts tagen demnach nicht oder nicht nur in München, sondern in der Peripherie.
Doch mit Ablauf des 30. Juni wird unter anderem der Holzkirchner Gerichts- und Amtstag des Arbeitsgerichts München eingestellt. Das bestätigt Beryll Kunert, Pressesprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, in dessen Zuständigkeit die Arbeitsgerichtsbarkeit in Bayern liegt. „Der Standort in Holzkirchen wird aufgrund der geringen Verfahrenszahlen beziehungsweise Antrags- und Besuchszahlen geschlossen“, erklärt Kunert. Die angemieteten Räumlichkeiten im Gebäude der Agentur für Arbeit am Herdergarten erfüllten zudem nicht die technischen Voraussetzungen für einen digitalen Gerichtsbetrieb, insbesondere für die Nutzung der elektronischen Gerichtsakte und die Abhaltung von Videoverhandlungen.
Aus den gleichen Gründen würden auch die Gerichtstage in Garmisch-Partenkirchen und Freising mit Ablauf des 30. Juni geschlossen. Die bisher in Holzkirchen stattfindenden Verhandlungen sollen im Gerichtsgebäude des Arbeitsgerichts Münchens an der Winzererstraße (Schwabing) stattfinden, wo es laut Ministerium 16 Sitzungssäle gibt.
Markus Wrba, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Tegernsee, kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Von geringen Verfahrenszahlen könne nicht die Rede sein – im Gegenteil: „Das entbehrt jeder Grundlage“, sagt der 64-Jährige. An Verhandlungstagen habe schon er allein oft vier bis fünf Verfahren hintereinander. Gerade derzeit, wo es aufgrund der Wirtschaftslage viele Kündigungen gebe, sei die Arbeitsgerichtsbarkeit geradezu mit einer Klagewelle konfrontiert.
Wrba fürchtet eine „dramatische Verschlechterung des Rechtszugangs“ für Arbeitnehmer durch die Schließung des Holzkirchner Standorts. Arbeitnehmer seien strukturell ohnehin unterlegen, „allein schon finanziell“. Zwar sei es richtig, dass die technischen Voraussetzungen in Holzkirchen fehlten, „aber dann muss der Staat eine entsprechende Ausstattung finanzieren“. Dies ergebe sich aus dem Justizgewährleistungsanspruch, den jeder Rechtssuchende in einem Rechtsstaat habe.
Das Ministerium teilt diese Einschätzung nicht: „Im Vorfeld der Entscheidung wurden verschiedene Kriterien intensiv geprüft. Ein effektiver Rechtsschutz bleibt gewährleistet.“ Zudem könnten in geeigneten Fällen und nach richterlichem Ermessen Videoverhandlungen geführt werden, sodass die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten nicht zum Arbeitsgericht fahren müssten. Wrba findet jedoch, dass insbesondere bei Güteverhandlungen eine Videoverhandlung nicht zielführend ist. „Das Katalysatorische einer Präsenzverhandlung kommt dabei nicht zur Wirkung.“
Er ist nicht der einzige Arbeitsrechtler im Landkreis, der die Schließung des Holzkirchner Gerichtstags kritisch sieht. Eine Anwältin, die namentlich nicht genannt werden möchte, sagte angesprochen auf die laut Ministerium geringen Verfahrenszahlen in Holzkirchen: „Das kann ich nicht bestätigen.“ Vielmehr sei der Gerichtstag in Holzkirchen sehr gut ausgelastet.
Zudem sei er für die Menschen in der Region zweckdienlich, da sich ihre Verfahren hier auf kurzem Weg, zeit- und kostensparend lösen ließen. Von Vorteil sei auch, dass in Holzkirchen immer dieselbe Richterin befasst sei, die durch vorangegangene Verfahren bereits mit der Materie vertraut sei, während sich in München die Zuständigkeit nach der internen Geschäftsverteilung richte – mit wechselnden Richtern.
Laut Staatsministerium gehen am Arbeitsgericht München jährlich etwa 13 000 Verfahren ein. Auf der Website des Arbeitsgerichts München ist sogar von durchschnittlich 20 000 Verfahren pro Jahr die Rede. Wie viele davon auf Holzkirchen entfallen, ist unklar.