Peinliche Schlappe für Putin: Wiener Bauamt will Russlands Spionagezentrale stilllegen

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Es soll die größte Abhörstation Russlands in der EU sein. Die Bauordnung könnte ihr zum Verhängnis werden. Österreich ist jedoch längst Einfallstor für russische Einflussnahme.

Wien – Seit Jahren betreibt der russische Auslandsgeheimdienst SWR eine Abhörzentrale mitten in der österreichischen Hauptstadt Wien. Österreichs Inlandsgeheimdienst DSN ist der Aufbau auf dem Dach der russischen Vertretung bei den Vereinten Nationen ein Dorn im Auge. Das Außenministerium hielt lange still.

Nun, so berichtete es die Tageszeitung Standard, hat sich die Stadt Wien eingeschaltet. Das Bauamt ordnete demnach bereits Anfang April den Abriss des Anbaus an, da es sich um einen ungenehmigten Schwarzbau handele. Doch die österreichische Bundesregierung kommt beim Vorgehen gegen russische Spionage und Einflussnahme in der Alpenrepublik nur schleppend voran.

Österreich ist Hotspot russischer Spionage in Europa – Parlament untersucht Einflussnahme

Österreich gilt als Hotspot der Aktivitäten des Geheimdienstapparates von Wladimir Putin. Das wohl eindrücklichste Beispiel ist der Spionagering, den der ehemalige Wirecard-Manager Jan Marsalek im Auftrag russischer Dienste innerhalb des ehemaligen österreichischen Inlandsgeheimdienstes BVT aufgebaut haben soll.

Zudem wurde seit Bekanntwerden des Spionagerings auch wieder vermehrt über russische Einflussnahme auf anderen Wegen diskutiert. Im Fokus steht hier die rechtsautoritäre FPÖ. Beides wird aktuell in einem Untersuchungsausschuss des Parlaments aufgeklärt. Noch vor der Nationalratswahl im Herbst wird ein Bericht erwartet. Aktuell regiert die konservative ÖVP mit den Grünen. Nach der Wahl könnte die FPÖ wieder an die Macht kommen.

Russland abhörstation wien
Auf dem Dach der russischen Vertretung bei den Vereinten Nationen in Wien steht wohl Putins größte Abhörstation in der EU. © IMAGO

Europazentrale für Lauschangriffe: Russland-Abhörstation in Wien seit Jahren bekannt

Dagegen rückte die seit Jahren bekannte Abhörstation in der sogenannten UNO-City mitten in der Hauptstadt zuletzt eher in den Hintergrund. Bereits 2022 recherchierte der ORF-Radiosender FM4, dass es sich bei den Satellitenschüsseln und dem eher unscheinbar anmutenden Verschlag, auf dem Dach der russischen UN-Botschaft wohl um die EU-weit wichtigste Abhöranlage Russlands handele.

Geschehen ist seither wenig. Laut dem Portal ZackZack regten die Geheimdienstler vom DSN bereits Ende März 2024 in einem Bericht an das Außenministerium an, 14 russische Diplomaten, die in Verbindung mit dem Lauschangriff stehen, auszuweisen. Im Ministerium will man demnach diesen Bericht nicht erhalten haben.

Wo Diplomatie versagt, schlägt die Bürokratie zu: Wiener Bauamt will Abhörstation Russlands abreißen

Deshalb folgte Anfang April, wenn man so will, der Gegenangriff des österreichischen Staates mit bürokratischen Mitteln. Das Bauamt der Stadt Wien stellte demnach einen „bescheidmäßigen Beseitigungsauftrag“ für den Abhörverschlag zu. Dieser sei, so die städtische Behörde, ohne Genehmigung errichtet worden. Deshalb habe man den Abriss verfügt. Doch auch hier muss das Außenministerium wieder mitspielen: Die Botschaft unterliegt zwar in Theorie der Wiener Landesbauordnung, praktisch jedoch, müsste das Außenministerium Russland klarmachen, dass auch seine Spione sich daranzuhalten haben. Im März 2024 wies Österreich zuletzt zwei russische Diplomaten aus, die der Spionage und der Mitarbeit an der Abhörstation verdächtigt wurden. Am Freitag (31. Mai) war unklar, ob die Wiener Bürokraten Schützenhilfe bei der Durchsetzung ihres Bescheides erhalten würden.

CIA warnte Österreich bereits 2017 vor Russland-Spion – Angeklagt wurde er 2017

Bei der Verfolgung des russischen Spionageringes ließen sich die österreichischen Behörden jedenfalls Zeit: Im November 2017 soll es erste Hinweise vom US-Auslandsgeheimdienst CIA gegeben haben. Erst 2021 wurden beiden zentralen Akteure befragt und einer verhaftet. Als er zwischenzeitlich aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, soll er noch drei Handys von Spitzenbeamten des Innenministeriums und mindestens einen Laptop mit deutscher Verschlüsselungstechnologie nach Russland verkauft haben. Angeklagt wurde er erst 2023, als die britische Justiz neue Beweise gegen ihn übermittelte. Sein mutmaßlicher Komplize konnte mit Hilfe Marsaleks nach Dubai fliehen. So die sehr groben Züge der Affäre. Sicherheitspolitisch brisant ist sie auf vielen Gründen.

Angeklagter hatte Verbindungen zur FPÖ – Steuerte Russland die Razzia in Österreichs Geheimdienst?

Zusätzlich innenpolitisch brisant wurde sie, weil einer der verantwortlichen Innenminister der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl war. Unter seiner Verantwortung gab es 2018 eine Razzia im österreichischen Geheimdienst. Geführt von einem Polizisten mit FPÖ-Parteibuch. Zudem soll der Angeklagte Kontakte zum sicherheitspolitischen Sprecher der Partei gepflegt haben und, wie die Tageszeitung Presse berichtete, die Razzia mit nachweislich falschen Anschuldigungen gegen Kollegen ausgelöst haben. Kickl plante damals eine Umstrukturierung des Geheimdienstes.

kickl fpoe
FPÖ-Chef Kickl zeigt, wo es mit Österreich für ihn hingehen soll: Nach Rechtsaußen. © ALEX HALADA/AFP

Sein Sicherheitssprecher versprach dem in der Affäre Angeklagten, laut Chat-Auszügen, die der Untersuchungsausschuss zutage förderte, einen Posten in diesem neuen Geheimdienst. Wohlgemerkt nach der Razzia. Das US-Portal Politico berichtete Ende Mai von Hinweisen darauf, dass all das Teil einer russischen Geheimdienstoperation gewesen sein könnte.

Österreichische Parlamentarier fordern Russland-Untersuchungsausschuss – FPÖ stärkste Kraft in Umfragen

Schon zuvor wurde im Parlament ein zweiter Untersuchungsausschuss zu russischer Einflussnahme gefordert. Der aktuell laufende dreht sich um „Machtmissbrauch“ im Allgemeinen. Der Abschlussbericht wird noch vor der Wahl erwartet. Im Fokus der neuerlichen Untersuchungen dürfte wohl wieder die FPÖ stehen. Es gibt diverse Hinweise auf fragwürdige Verbindungen der Partei in den Kreml. Die FPÖ unterschrieb 2016 einen „Freundschaftsvertrag“ mit Putins Partei „Einiges Russland“. Kickl behauptete immer wieder, dieser sei gekündigt, aber weigerte sich den Vertrag oder die Kündigung zu veröffentlichen.

Zur Europawahl im Juni tritt die Partei mit der Forderung an, die militärische Unterstützung der Ukraine sofort zu beenden. Damit ist sie laut Wahltrend der Austria Presse Agentur aktuell stärkste Kraft, mit etwa 27 Prozent. Auch die Umfragen zur Nationalratswahl führt die Partei aktuell an. Sollte die FPÖ nach der Wahl das Außenministerium besetzen, bleibt Russlands Abhörzentrale in der EU wohl, wo sie ist. (kb)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!