Ist das Ende vom Ukraine-Krieg in Sicht? Trump soll mit Russland einen Geheimplan aushecken. CDU-Politiker Kiesewetter warnt vor dem „Versagen Europas“.
Washington, D.C./Kiew – In Washington verhandelt man über die Zukunft der Ukraine – ohne Kiew und ohne die Europäer. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff soll mit dem russischen Unterhändler Kirill Dmitriev einen 28-Punkte-Plan ausgehandelt haben. In Europa ist man mehr als irritiert über den US-Friedensplan. Kommt man so einem Frieden im Ukraine-Krieg näher?
CDU-Politiker Roderich Kiesewetter bezeichnete das Konzept als „Kapitulationsplan“. Trump stehe aufseiten Russlands, erklärte der deutsche Außenpolitiker auf X. „Anstatt über sinnlose Pläne zu reden, sollte Europa endlich anfangen, die Ukraine so zu unterstützen, als wäre die Ukraine schon in EU und NATO. Denn faktisch ist sie Europas erste Verteidigungslinie“, schrieb Kiesewetter.
Kiesewetter sieht Versagen Europas nach neuem Geheimplan zwischen Trump und Putin
Auf Anfrage des Münchner Merkurs von Ippen.Media erklärt Kiesewetter, er sehe in den geheimen Verhandlungen unter Ausschluss der Ukraine-Verbündeten auch ein Versagen Europas. Man hätte sich „früher, entschiedener und substantieller“ für den „Sieg der Ukraine“ einsetzen müssen. „Deutschland schaut weiterhin zu und wartet auf Washington. Dabei verkennt es, dass Trump sich weder für die Ukraine noch für Europa interessiert, sondern im Team ‚Multipolarität‘ ist, also Einflusszonen und das Recht des Stärkeren unterstützt“, so Kiesewetter gegenüber unserer Redaktion.
Deutschland habe zwar einen Führungsanspruch bekundet, aber keine Bereitschaft, Führungsverantwortung zu übernehmen. Es klaffe „eine Glaubwürdigkeitslücke zwischen rhetorischer Ankündigung und tatsächlichem Handeln“, meint der CDU-Politiker. „Diese Lücke füllen dann kremlfreundliche Politiker wie Witkoff.“ Politikwissenschaftler Nico Lange kritisierte den US-Sondergesandten auf X ähnlich: „Witkoff sieht seine Rolle darin, die russischen Forderungen als vermeintlichen ‚Deal‘ der Ukraine aufzudrücken. Doch kapitulieren könnte die Ukraine auch allein, dafür braucht sie die USA nicht.“
Wenig Hoffnung auf Ende vom Ukraine-Krieg: Trump-Plan stößt in Europa auf Verwunderung
In Polen ist die Verwunderung über die geheimen Verhandlungen mit Russland ebenfalls groß. Außenminister Radosław Sikorski sagte, es sollte nicht die Fähigkeit des Opfers zur Verteidigung eingeschränkt werden, sondern die Fähigkeit des Angreifers zu Aggressionen. Ersten Berichten zufolge sieht der neue Friedensplan vor, die ukrainische Armee zu halbieren. Und die ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk an Russland abzugeben.
Sollte das passieren, warnt Kiesewetter gegenüber dem Münchner Merkur: „Wenn Putin durch territoriale Zugeständnisse belohnt wird, wird er den Krieg auf unsere Nachbarn und Bündnispartner und auf uns ausweiten – dann müssen wir uns verteidigen.“ Auf dem Spiel stehe „unsere Freiheit und Selbstbestimmung“.
Beim amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) kommt man zu einem katastrophalen Schluss: „Der gemeldete Friedensplan würde der Ukraine wichtige Verteidigungspositionen und Fähigkeiten nehmen, die sie braucht, um sich gegen zukünftige russische Angriffe zu verteidigen, und das anscheinend ohne Gegenleistung.“ Die Militärexperten des ISW analysieren, dass ein einfrieren der südlichen Frontlinie vor allem Russland zugute käme.
Militärexperten warnen vor Trumps Ukraine-Plan – starke Parallelen zu Verhandlungen von Istanbul 2022
Ein ukrainischer Rückzug aus der Oblast Donezk würde russischen Streitkräften strategische Vorteile verschaffen, die weit über die unmittelbare Region hinausreichen. Die Militärexperten des ISW warnen, dass eine solche Entwicklung Moskau vorteilhaftere Positionen für erneute Vorstöße in die südliche Oblast Charkiw sowie in die östlichen Gebiete von Saporischschja und Dnipropetrowsk eröffnen würde. Besonders besorgniserregend ist die Möglichkeit, dass russische Truppen den Oskil-Fluss in der östlichen Oblast Charkiw überqueren könnten, was ihnen erlauben würde, die Stadt Charkiw von mehreren Fronten aus zu bedrohen.
Der berichtete Friedensplan zeige bemerkenswerte Parallelen zu Russlands Forderungen von Istanbul 2022, die Moskau der Ukraine präsentierte, als die Schlachtfeldumstände schwerer zu Russlands Gunsten zu stehen schienen. Diese Forderungen wurden in den ersten beiden Kriegsmonaten gestellt, als russische Truppen Kiew von Norden und Nordwesten bedrohten. Seitdem hat sich die Frontlage erheblich verändert, Russlands Forderungen jedoch nicht.
Deutschland muss Konsequenzen ziehen, fordert CDU-Politiker Kiesewetter – „Taurus liefern“
Angesichts des neuen Plans der Trump-Regierung für ein Ende des Ukraine-Kriegs meint Kiesewetter gegenüber unserer Redaktion: „Die Konsequenz muss sein, dass Deutschland endlich begreift, dass es an Europa ist, die Ukraine zu unterstützen und es dafür einen Siegesplan braucht. Deutschland sollte entsprechend vorangehen und weitreichende Waffen wie Taurus liefern, mit einer Koalition der Willigen die Flugabwehr über der Westukraine übernehmen, seine militärische und finanzielle Unterstützung auf mindestens 0,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes im Jahr erhöhen und die Mitfinanzierung der russischen Kriegswirtschaft stoppen durch ein entschiedenes Vorgehen gegen die Schattenflotte.“
Als großen Verlierer der neuen Entwicklungen sieht der CDU-Außenpolitiker jedenfalls Europa. Sollte man die Ukraine nicht stärker unterstützen, mache man sich selbst „zum Spielball der USA, Russlands und Chinas“. „Die Gefahr ist groß, dass wir aus entscheidenden Sicherheitsfragen ausgeschlossen werden und über unsere Köpfe hinweg Fakten geschaffen werden.“ (Quellen: ISW/Eigene Recherche/X/Politico) (sischr)