Pendlerpauschale und Gastro-Steuer: Länder wüten wegen Merz-Beschlüssen – „echter Fehlanreiz“

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Die Bundesregierung will die Pendlerpauschale erhöhen und die Mehrwertsteuer in der Gastronomie senken. Das wird teuer und passt den meisten Ländern gar nicht.

München – Schon die Lektüre des Koalitionsvertrags von Union und SPD verursachte unter den Länderregierungen an einigen Stellen Schnappatmung. Da dürfte das am Mittwoch (28. Mai) veröffentlichte „Sofortprogramm der Bundesregierung“ von Bundeskanzler Friedrich Merz die Laune nicht wirklich gehoben haben. Denn auch darin finden sich einige Punkte wieder, die Düsseldorf, Stuttgart, Hamburg oder Erfurt so nicht hinnehmen wollen.

Wie eine allerdings schon vor der Präsentation des Sofortprogramms durchgeführte Umfrage der Süddeutschen Zeitung (SZ) unter den 16 Finanzministern der Länder offenbarte, zählen etwa die geplante Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent und die vorgesehene Erhöhung der Pendlerpauschale um acht Cent pro Kilometer zu den heftig kritisierten Projekten von CDU, CSU und SPD. Allein diese beiden Vorhaben würden die Staatskasse demnach bis 2029 mit bis zu 23 Milliarden Euro belasten. Davon würden die Länder und Kommunen für 12,5 Milliarden Euro aufkommen müssen.

Kritik an Merz-Plänen aus Koalitionsvertrag: „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen“

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Marcus Optendrenk verwies bereits in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) auf die im schwarz-roten Koalitionsvertrag festgeschriebene „Veranlassungskonnexität“. Dort steht auf Seite 114: „Wer eine Leistung veranlasst oder ausweitet, muss für ihre Finanzierung aufkommen. Das heißt, wenn Bundesgesetze oder andere Maßnahmen des Bundes bei den Ländern und Kommunen zu Mehrausgaben führen, muss sichergestellt werden, dass die Mittel bei der ausführenden Ebene ankommen.“

Da hat die Bundesregierung den Salat: Die von Kanzler Friedrich Merz geplante Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie schmeckt vielen Landesregierungen gar nicht. © IMAGO / dts Nachrichtenagentur, IMAGO / Funke Foto Services

Folglich betonte der CDU-Politiker: „Wenn der Bund etwa eine Erhöhung der Pendlerpauschale beschließt, gibt es keinen Automatismus, dass sie aus den Länderhaushalten mitbezahlt wird.“ Es ließe sich auch sagen: „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.“ Laut SZ ruderte Optendrenk mittlerweile etwas zurück und pocht nur noch darauf, der Bund könne nicht „ohne Weiteres“ davon ausgehen, dass die Länder seine Beschlüsse ungefragt mitfinanzieren würden.

Unterstützung erfährt er aus verschiedenen anderen Landesregierungen. „Es muss endlich aufhören, dass der Bund Bundesgesetze oder andere Maßnahmen ergreift, die bei den Ländern und Kommunen zu Mindereinnahmen oder Mehrausgaben führen“, betont sein ebenfalls der CDU angehörender sächsischer Amtskollege Christian Piwarz.

Merz will Pendlerpauschale erhöhen: Hamburgs Finanzminister moniert „echten Fehlanreiz“

Berlins Finanzsenator Stefan Evers, auch in der Kanzler-Partei zu Hause, stellt bereits klar: „Insbesondere solchen Maßnahmen, die unsere Einnahmen weiter verringern, wird das Land Berlin nicht ohne Weiteres zustimmen können.“ Sein Hamburger Amtskollege Andreas Dressel von der SPD moniert, die Erhöhung der Pendlerpauschale sei „ein echter Fehlanreiz“ und die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie habe keine Priorität. Beide Projekte will die Merz-Regierung ab dem 1. Januar 2026 umsetzen, sie sollen ihren Teil zum neuen Wirtschaftswachstum beitragen.

Katja Wolf vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die in Thüringen über die Finanzen wacht, findet: „Es ist verständlich, dass der Bund ein Interesse daran hat, die Menschen im Land zu entlasten. Aber diese Geschenke müssen auch die bezahlen, die sie sich ausdenken.“ In Baden-Württemberg hat Danyal Bayaz von den Grünen das Geld im Blick und hält es für „nicht sinnvoll, Einzelinteressen zu bedienen, wie es bei der Pendlerpauschale oder der Gastro-Mehrwertsteuer der Fall wäre“, wie er auch dem Münchner Merkur sagte.

Seine Parteifreundin und Amtskollegin aus Schleswig-Holstein, Silke Schneider, kritisiert vor allem, „dass mit einer höheren Pendlerpauschale mehr und längere Autofahrten steuerlich unterstützt werden, was zu einer Verschärfung der Klimaprobleme führt“. Vom ebenfalls der Ökopartei angehörenden Bremer Senator Björn Fecker heißt es, der Stadtstaat habe „keinen Cent zu verschenken“.

Pläne zu Pendlerpauschale und Gastro-Steuer

Pendlerpauschale soll zum 1. Januar 2026 ab dem ersten Kilometer dauerhaft auf 38 Cent erhöht werden.

Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll zum 1. Januar 2026 dauerhaft auf sieben Prozent reduziert werden.

CSU lobt Merz-Pläne zu Pendlerpauschale: „Wichtige und wirksame Entlastung“

Nur aus einem Bundesland gibt es dem Bericht zufolge Zustimmung für diese Berliner Pläne: aus Bayern. Der dortige Finanzminister Albert Füracker von der CSU hält die Erhöhung der Pendlerpauschale für „eine wichtige und wirksame Entlastung, gerade für Menschen im ländlichen Raum“. Sollte dieser Vorschlag im Bundesrat abgelehnt werden, sei diese Entscheidung „grün-ideologisch motiviert“.

Doch genau das könnte angesichts des Stimmungsbildes drohen. Die SZ schreibt zwar, die Kritik müsse nicht heißen, dass die Länder die Pläne ablehnen: „Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) werden aber jede Menge Geld auf den Tisch legen müssen, um die Skeptiker zu überzeugen.“

Friedrich Merz (r.) steigt in ein Auto ein
Ab ins Auto und weg: Auch die von der Bundesregierung um Kanzler Friedrich Merz (r.) geplante Erhöhung der Pendlerpauschale wird unter den Finanzministern der Länder kritisiert. © IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Wackeln Merz-Pläne zu Pendlerpauschale und Gastro-Steuer? Offenbar größerer Widerstand als erwartet

Denn nicht nur im Bundestag sei die Mehrheit hauchdünn, was Merz bei der Kanzlerwahl wegen einiger Abweichler beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Auch im Bundesrat sei die Regierung darauf angewiesen, dass die von der Union oder der SPD regierten Länder geschlossen auftreten.

Lediglich in Berlin, Hessen und Sachsen ist wie im Bund Schwarz-Rot an der Macht, im Saarland regieren die Sozialdemokraten allein. In Sachsen-Anhalt sitzt neben CDU und SPD auch die FDP in der Regierung, in Thüringen das BSW. Was Merz Mut machen könnte: Keine Landesregierung kommt ohne Schwarz oder Rot aus.

Laut dem Artikel dürften Kanzler und Vizekanzler nicht mit so viel Widerstand gerechnet haben. Da ist es wohl nur ein schwacher Trost, dass der Umfrage zufolge die geplante steuerliche Förderung von Investitionen, die Senkung der Körperschaftssteuer und eine mögliche Reform der Einkommensteuer unter den Finanzchefs der Länder zumindest im Grundsatz breite Zustimmung erfahren. (mg)

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