„Beschämende“ Flucht aus Syrien? Putin zieht wohl Kriegsschiffe ab – Satellitenbilder geben Rätsel auf

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Russland gibt sich nach außen nach dem Sturz von Baschar al-Assad relativ gelassen. Doch Wladimir Putin soll den Abzug seiner Truppen aus Syrien längst begonnen haben.

Damaskus – Wladimir Putin konnte in Syrien lange Zeit schalten und walten, wie er wollte. Immerhin sorgte er dafür, dass Baschar al-Assad überhaupt so lange an der Macht war. Im Bürgerkrieg galt der Kreml-Chef als wichtigster Unterstützer des Diktators aus Damaskus. Russland lieferte Waffen und stationierte eigene Militäreinheiten in dem Land, das seit mehr als zehn Jahren nicht zur Ruhe kommt.

Nun ist Assad Geschichte. Eine Rebellenallianz, die für einen Umsturz gesorgt hat, schlug ihn in die Flucht. Aus Verbundenheit soll Putin ihn in seinem Land aufgenommen haben. Was aber bedeutet die veränderte Lage für Russlands Rolle in Syrien? Endet auch die Zeit von Moskaus Einfluss in Damaskus abrupt?

Bordkanone in der Luft über einem Meer, in dem Schiffe schwimmen
Bild aus einer für Russland besseren Zeit: Im Februar 2022 ließ Wladimir Putin vor Tartus eine Militärübung abhalten. © IMAGO / SNA

Putin und die Truppen in Syrien: Kreml hat offenbar Sicherheitsgarantien der Assad-Gegner

Diesem Eindruck will Putins Regime wenig überraschend mit aller Macht widersprechen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte jedenfalls laut Tass vor Reportern, Russland stelle „Kontakte zu denjenigen her, die die Sicherheit seines Militärs in Syrien gewährleisten können“.

Zudem schrieb die russische Nachrichtenagentur, die sich dabei auf eine Quelle aus dem Kreml bezieht, die „bewaffneten Führer der syrischen Opposition“ würden die Sicherheit russischer Stützpunkte und diplomatischer Institutionen garantieren. Darauf will sich Putin aber offenbar nicht verlassen.

Jüngste Satellitenbilder lassen zumindest reichlich Raum für Spekulationen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet etwa, dass Aufnahmen des Unternehmens Planet Labs vom Montag (9. Dezember) zeigen, wie drei Schiffe der russischen Mittelmeerflotte etwa 13 Kilometer nordwestlich der Basis in Tartus vertäut waren.

Dabei handelte es sich um zwei Lenkwaffenfregatten und einen Öltanker. Der Rest der Flotte sei nicht auffindbar, befand sich also offenbar nicht in der näheren Umgebung des Hafens. Auf früheren Bildern von BlackSky und Planet Labs seien fünf Schiffe und ein U-Boot der Russen in Tartus zu sehen gewesen. Noch am 5. Dezember hätten diese allesamt im Hafen gelegen.

Einmal durchzählen: Auf diesem Satellitenbild sind drei von Wladimir Putins Schiffen im Hafen von Tartus zu sehen. © IMAGO / ITAR-TASS, Twitter/@bradyafr

Putins Schiffe in Tartus: Auch Angriffe von Israel auf syrische Flotte könnten Russen verjagen

Von ersten Anzeichen einer Evakuierung russischer Kriegsschiffe aus Syrien berichtete das Portal Naval News bereits am 3. Dezember. Demnach legte der Tanker „Jelnja“ einen Tag zuvor ab. Informationen würden darauf hindeuten, dass weitere oder auch alle dem Beispiel folgen würden, hieß es weiter.

Der unabhängige Marine-Analyst Droxford Maritime twitterte: „Das Schiff wird wahrscheinlich das Mittelmeer verlassen. Es besteht jedoch die realistische Möglichkeit, dass die Abfahrt mit der sich verschlechternden Lage in Syrien zusammenhängt.“ Obendrein war die syrische Flotte vor Tartus auch von Israel attackiert worden, wodurch Putins Schiffe ebenfalls in Gefahr gerieten.

Brady Africk, ein auf Karten und Satellitenbilder spezialisierter Analyst vom American Enterprise Institute (AEI), postete eine Aufnahme, auf der noch drei Schiffe im Hafen zu sehen sind. Diese soll am 6. Dezember entstanden sein.

Russische Flagge weht auf Militärfahrzeug
Allgegenwärtiges Russland: Ein Militärfahrzeug in Latakia ist im Februar 2023 mit einer Flagge von Wladimir Putins Reich bestückt. © IMAGO / ITAR-TASS

Putin nach Assads Sturz: Ukrainer schreiben von „großer Flucht“ der russischen Einheiten

Nun zog der Business Insider Satellitenaufnahmen von einem weiteren Dienstleister namens Maxar für einen Vergleich heran. Demnach lagen noch am 5. Dezember alle sechs Schiffe in Tartus im Hafen. Doch am Montag waren diese nicht mehr zu sehen, auch am Dienstag blieb die Anlegestelle im Hafen verwaist. Mindestens zwei der Fregatten wurden aber mehrere Kilometer von der Küste entfernt gesichtet.

Unklar sei, ob sie zurückkehren werden. Womöglich hätten sie sich aus Sicherheitsgründen aus dem Hafen entfernt. Zu den Entwicklungen meldeten sich auch die Nachrichtendienste des ukrainischen Verteidigungsministeriums zu Wort. Sie schrieben auf ihrem Telegram-Kanal von „Putins großer Flucht“, die „beschämend“ sei.

Nicht nur würden die Schiffe aus Tartus abgezogen, sondern auch Waffenreste per Flugzeug vom Stützpunkt Hmeimim abtransportiert werden. Letzterer liegt auf dem Internationalen Flughafen Basil al-Assad – benannt nach dem verstorbenen älteren Bruder des langjährigen Machthabers – nahe Latakia an der Mittelmeerküste. Er wird intensiv genutzt, um Militäreinheiten nach Afrika zu fliegen oder von dort zurückzubringen.

Die „hohen Tiere“ seien als erste geflohen. Namentlich genannt wird General Alexander Tschaiko, der erst vor einer Woche das Kommando über die russischen Militärs in Syrien übernommen habe. Außerdem seien für eine schnelle Evakuierung der Ausrüstung Schiffe der Ostseeflotte herangezogen worden.

Putin evakuiert seine Schiffe aus Syrien: Soldaten vor Ort sollen frustriert und deprimiert sein

Weitere Enthüllungen folgten in einem Post am Dienstag. Dort war zu lesen, dass Russland vom Luftwaffenstützpunkt Hmeimim die Flugplätze Uljanowsk, Tschkalowski und Priwolschski anfliegen würde.

Zudem seien zwei in der Stadt Baltijsk in Kaliningrad liegenden Schiffe – der Massengutfrachter „Sparta II“ und das Kriegsschiff „Alexander Schabalin“ – angewiesen worden, sich bereit zum Auslaufen in Richtung Tartus zu machen. Die Nordflotte entsende die „Alexander Otrakowski“ und die „Ivan Gren“ ins Mittelmeer.

Um den Rückzug voranzutreiben, seien bereits hunderte russische Spezialeinheiten in Tartus eingetroffen. Dort begegnen sie offenbar schlechtgelaunten Kameraden. Denn die Reste des stationierten Kontingents seien frustriert und deprimiert, würden ihre Unzufriedenheit mit ihren Befehlshabern zum Ausdruck bringen. Vor allem würden sie die schlechte Organisation kritisieren.

Kiew hat wegen des seit mehr als zweieinhalb Jahren laufenden Ukraine-Kriegs ein besonderes Interesse daran, über russische Rückschläge zu informieren. Dazu würde ein Abschied aus Syrien allemal zählen.

Baschar al-Assad und Wladimir Putin (r.) sitzen nebeneinander auf Stühlen
Sind sich nun näher, als ihnen lieb sein kann: Baschar al-Assad (l.) floh nach dem Ende seines Regimes in Syrien nach Moskau zu Wladimir Putin. (Szene von Assads Moskau-Besuch im Juli 2024) © IMAGO / ITAR-TASS

Assads Sturz und Folgen für Putin: „Russlands Wahrnehmung als Partner und Beschützer nimmt Schaden“

Bereits am 4. Dezember verwies der Think Tank Critical Threats Project vom AEI in einem Gastbeitrag für das Institute for the Study of War (ISW) auf die Folgen eines Sturzes von Assad auf Putin. Ein Ende dessen Regimes würde „den strategischen Zielen des Kreml schaden, seine Macht im Mittelmeer und im Roten Meer auszuspielen und die Südflanke der Nato von Afrika und vom Mittelmeerraum aus zu bedrohen“.

Damit würden Operationen in Afrika erschwert werden, da Moskau hier vor logistischen Herausforderungen stünde. Und was Putin womöglich noch mehr schmerzen dürfte: „Der Zusammenbruch von Assads Regime würde zudem der weltweiten Wahrnehmung Russlands als effektiver Partner und Beschützer schaden und möglicherweise Russlands Partnerschaften mit afrikanischen Autokraten und seinen daraus resultierenden wirtschaftlichen, militärischen und politischen Einfluss in Afrika gefährden.“

Der Kontinent schien für den Herrscher im Kreml zuletzt immer wichtiger zu werden. Gerade im Hinblick auf seine Konfrontation mit dem Westen. Womöglich wird Putins Machtbereich also nicht nur in Syrien erheblich eingeschränkt. (mg)

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