„CSU frauenfreundlicher machen“ – Schwierige Suche nach Mitstreiterinnen
Vor 40 Jahren hat Irmtraud Anhalt die Frauen Union in Ebersberg gegründet. Wir sprachen mit der 84-Jährigen über Mut, Pioniergeist und weiblichen Weitblick.
Ebersberg – 40 Jahre Frauen Union Ebersberg – das sind vier Jahrzehnte Engagement für Gleichberechtigung und Familienpolitik. Eine, die all das von Anfang an geprägt hat, ist Irmtraud Anhalt. 1985 rief die zweifache Mutter mit Mitstreiterinnen die Frauen Union Ortsverband Ebersberg ins Leben. Heute ist die ehemalige Stadträtin und ehemalige stellvertretende Bürgermeisterin ein lebendes Stück Zeitgeschichte. Wir haben mit der 84-Jährigen über Mut, Pioniergeist und weiblichen Weitblick gesprochen.
Frau Anhalt, 1985 waren Sie noch recht neu in der CSU und frisch im Stadtrat. Wie kam es zur Idee, eine Frauen Union in Ebersberg zu gründen?
Ich habe schnell gemerkt, dass Männer im politischen Geschehen längst ihre Seilschaften hatten, und wollte auch ein Netzwerk für uns Frauen – zum einen, um Rückhalt für meine Arbeit zu haben, zum anderen, um zu erfahren, was Frauen politisch brauchen.
1985 war die CSU nicht gerade als frauenpolitisch progressiv bekannt. Wie haben die männlichen Parteikollegen reagiert – gab es Widerstand oder Spott?
Das stimmt. Damals war auf der Parteiliste für den Stadtrat nur jeder sechste Name der von einer Frau. Im Rat saß außer mir für die CSU nur Angelika Kratzer. Aber wir hatten das Glück, dass die Bürgermeister Hans Vollhardt und Walter Brilmayer sehr aufgeschlossen waren und die CSU frauenfreundlicher machen wollten. Da war Ebersberg deutlich weiter als manch andere Stadt. Aus Grafing zum Beispiel hörten wir ganz anderes.
Sommerfest
Der Ortsverband der Frauen Union Ebersberg feiert am Sonntag, 20. Juli, sein 40-jähriges Bestehen – mit einem bunten Sommerfest am Klostersee von 15 bis 19 Uhr unter freiem Himmel. Wer mag, bringt Badesachen mit – bei gutem Wetter ist Planschen ausdrücklich erwünscht. Für die Verpflegung sorgt das Seecafé mit Getränken, Kuchen gibt es von der Frauen Union. Kuchenspenden sind willkommen – Interessierte schreiben an diese Mailadresse: ewpolte@t-online.de. Bei Regen entfällt die Veranstaltung.
Die Gründung der Frauen Union lief also reibungslos?
Das nun auch wieder nicht. Die Schwierigkeiten kamen aus einer anderen Ecke. Auf der Suche nach Mitstreiterinnen fing ich mir einen Korb nach dem nächsten ein. Die Frauen wollten neben der Arbeit in Haushalt, Familie und vielleicht auch Beruf nicht auch noch politisch aktiv werden. Am Ende habe ich einen Aufruf in die Zeitung gesetzt. Mit zehn Frauen haben wir dann den Ortsverband gegründet.
Wenn Sie zurückblicken: Welche Meilensteine oder Erfolge machen Sie besonders stolz?
Wir haben die Mittagsbetreuung an der Schule auf den Weg gebracht – trotz Protesten, weil die Räume im Keller der Schule ursprünglich für Senioren vorgesehen waren. Im ersten Jahr waren es acht Kinder, ein Jahr später schon 20 Kinder. Heute ist das nicht mehr wegzudenken. Außerdem habe ich eine Gleichstellungsstelle initiiert, wir Stadträtinnen haben eine wöchentliche Frauen-Sprechstunde im Rathaus abgehalten – das war eine wichtige Anlaufstelle. Auch die Spielzeugbörse wurde schnell ein Renner, ebenso das Spielplatzfest mit Drehleiterfahren, Malwettbewerb und Kuchen. Und wir haben das Thema häusliche Gewalt immer wieder platziert und dadurch zumindest mit angestoßen, dass ein Frauennotruf gegründet wurde.
Hatten Sie damals eigentlich eine Strategie, wie man Männer für frauenpolitische Themen gewinnt – oder haben Sie einfach gemacht und die mussten mitziehen?
Ich habe früh gelernt: Wenn wir Frauen etwas bewegen wollen, müssen wir selbst aktiv werden. Ich hatte oft das Gefühl, dass auch die Herren Stadträte viele Probleme schon erkannt hatten, es aber uns Frauen brauchte, um sie anzuschieben. Mit Angelika Kratzer hatte ich eine starke Mitstreiterin.
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Im Stadtrat als Frau ernst genommen zu werden, war dennoch bestimmt nicht immer einfach. Hat sich da etwas verändert in den Jahren?
In Ebersberg hatten wir großes Glück. Aber aus anderen Orten haben wir schon gehört, dass es damals noch üblich war, dass die weiblichen Räte vor einer Sitzung erstmal Kaffee kochen und dann den Herren die Getränke servieren durften. Bei uns war aber gleich klar, dass wir so einen Blödsinn gar nicht erst anfangen. Das kann man sich heute natürlich nicht mehr vorstellen, zum Glück. Aber es könnte nach meinem Geschmack auch heute in der Politik noch gleichgewichtiger zugehen.
Sprechen Sie von Parität?
Ja, ich würde mir wünschen, dass ein 50/50-Verhältnis in allen Gremien selbstverständlich wird.
Wofür sollte sich die Frauen Union in den nächsten 40 Jahre sonst noch einsetzen?
Es wird schon versucht, viel für Frauen zu bewegen – Schrittchen für Schrittchen, daraus könnten ruhig mal große Schritte werden. Ein Hauptproblem ist, dass viele Frauen durch Familie und Beruf so stark eingespannt sind, dass sie sich nicht für ein politisches Ehrenamt verpflichten wollen oder ihnen einfach die Zeit dafür fehlt. Auch die heutige Vorsitzende Elvira Weißmann-Polte findet kaum junge Mitstreiterinnen. Genau wie ich damals bei der Gründung vor 40 Jahren.