"Ungerechtigskeitsgefühl mildern" - "Milliardäre in Deutschland abschaffen": Hier erklärt der Linken-Co-Chef seinen Plan
Hamburger Morgenpost: Herr van Aken, am 23. Februar wird in Deutschland gewählt – genug Zeit, die Linke aus der Bedeutungslosigkeit zu holen?
Jan van Aken: Wir sind nicht bedeutungslos. Und die Partei ist sehr viel lebendiger, als das für manche von außen erscheinen mag. Wir verzeichnen momentan sehr viele Eintritte, vor allem junger Menschen.
Ihre Konkurrenz, das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ räumt aber momentan ab – bei Ihnen hat es zuletzt in den Umfragen gebröckelt. Wozu wird Ihre Partei überhaupt noch benötigt?
Wir sind eine soziale Partei, die nicht nach unten tritt, sondern nach oben boxt. Wagenknecht spielt Bevölkerungsgruppen gegeneinander aus. Mit ihrer Hetze gegen Bürgergeldempfänger macht die Truppe eher CDU-Politik. In den Haushaltsberatungen hat Wagenknecht Vorschläge gemacht, wie Milliarden beim Bürgergeld zu kürzen wären.
Sie tut so, also ob es dem deutschen Arbeiter besser ginge, wenn es hier weniger Migranten gäbe. Das ist rassistisch. Wir wollen alle unterstützen, bei denen es am Ende des Monats finanziell knapp wird – unabhängig vom Pass.
Wie erklären Sie sich Wagenknechts Aufstieg und den Abstieg der Linken?
Wagenknecht ist berühmt geworden, weil sie jahrelang gegen die eigene Partei geschossen hat. Viele Medien lieben so etwas.
Der Linken hat der daraus entstandene Streit extrem geschadet. Mit ihrem Abgang ist unser zentrales Problem jetzt weg.
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Die Linke hat aber durchaus noch andere Probleme: In Berlin sind jüngst prominente Mitglieder ausgetreten. Begründung: Die Linke ist dort hoffnungslos antisemitisch.
Das stimmt einfach nicht. Wir haben eine glasklare Politik: Wer die Hamas oder den Terror vom 7. Oktober abfeiert, hat in der Partei nichts zu suchen – genauso wenig wie jemand, der in Anbetracht des Elends in Gaza Kriegsverbrechen durch das israelische Militär legitimiert. Antisemitismus wird bei uns nicht geduldet.
In der Außenpolitik scheinen Sie sich kaum vom BSW zu unterscheiden. Auch Sie wollen keine Waffenlieferungen mehr an die Ukraine …
Der Unterschied besteht darin, dass ich nicht wie diese Kreml-Truppe sage: Frieden, und dann muss die Ukraine eben riesige Gebiete abtreten.
Ich bin aber so lange gegen Waffenlieferungen, solange wir noch andere, zivile Mittel haben, um Putin unter Druck zu setzen.
Welche haben wir denn?
Jeden Tag werden Hunderte Millionen in die russische Kriegskasse gespült. Nicht zuletzt durch Öltanker, die durch die Ostsee schippern, um das Öl zu exportieren.
Die deutsche Küstenwache wie auch andere europäische Länder schauen dem tatenlos zu. Das ließe sich ändern.
Was schwebt Ihnen an Diplomatie vor? Putin macht bis zum heutigen Tag deutlich, dass er eigentlich nicht verhandeln will.
Konfliktforscher sagen, man kann auch dann zu Verhandlungen kommen, wenn man den „großen Bruder“ einer Kriegspartei mit einbezieht. Das wäre im Fall Russlands dann China. Wann ist in Deutschland jemals darüber diskutiert worden, China entsprechend diplomatisch aufzuwerten?
China hat in diesem Krieg nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren. China macht Angebote, die vom Westen nicht aufgegriffen werden.
Der Kanzler ist in dieser Angelegenheit sogar nach China gereist – ohne erkennbares Ergebnis. Wie stehen Sie zur Nato?
Wir brauchen Sicherheit. Ich möchte Sicherheit aber europäisch denken und nicht in der Nato. Die Nato ist kein Wertebündnis.
Es gibt dort auch Mitglieder wie die Türkei oder die USA, die auch völkerrechtswidrige Angriffskriege führen .
Europa gilt allgemein als kaum verteidigungsfähig ohne die USA, die Bundeswehr hätte beispielsweise im Ernstfall nur Munition für ein paar Tage …
Da sagen die Zahlen etwas anderes. Auch Europa ohne die USA hat einen höheren Militär-Etat als Russland. Es kommt auf die Prioritätensetzung an.
Ich will eine Bundeswehr ausschließlich zur Landesverteidigung, dafür sind wir gut aufgestellt. Und dazu braucht es keine teuren Transportflugzeuge oder Fregatten für die Ostsee.
Sie haben kürzlich erklärt, man müsste die Milliardäre in Deutschland eigentlich abschaffen. Wie stellen Sie sich das vor und was erwarten Sie davon?
Ja, ich bin der Meinung, dass Vermögen über einer Milliarde Euro eigentlich nicht zulässig sein sollten. Man könnte den darüber hinausgehenden Betrag jährlich mit Vermögenssteuern und -abgaben abschöpfen.
Dadurch würde viel Geld für die richtigen Dinge in die Kasse kommen. Zudem würde es das Ungerechtigskeitsgefühl vieler Menschen mildern und sie etwas positiver auf das Land und die Demokratie blicken lassen. Besonders Reiche so hoch zu besteuern, ist nicht neu. Das hat schon Konrad Adenauer getan.
Sie fordern die Prüfung eines AfD-Verbots. Ist das wirklich sinnvoll? Die entsprechenden Einstellungen lassen sich durch ein Verbot doch nicht aus der Welt schaffen.
Das ist ein Argument, das ich sehr ernst nehme. Bis vor einiger Zeit war ich deshalb auch gegen ein Verbot. Die jüngsten Ereignisse in Thüringen haben mich zu Umdenken gebracht …
Inwiefern?
Dort war zur konstituierenden Sitzung genau zu beobachten, dass es die AfD mit der Aushebelung demokratischer Prozesse sehr ernst meint. Faschisten können grundsätzlich mithilfe der Demokratie die Demokratie aushebeln. Und wir dürfen doch nicht unseren Feinden unsere schärfste Waffe zur Verfügung stellen – deshalb kann ein Verbot ein sinnvoller Schritt sein.
Die CDU schließt ein Bündnis mit der Linkspartei weiterhin aus. Können Sie sich eine Zusammenarbeit zumindest auf Landesebene vorstellen?
Das wäre sicher nicht mein Lieblingsprojekt! Aber ich bin da der Ansicht von Bodo Ramelow: Wir müssen alles tun, um die AfD von den Schalthebeln der Macht fernzuhalten. Wenn das nur geht, wenn wir in eine Koalition mit der Union gehen, dann muss es so sein. Wenn es mit einem anderen Modell geht – beispielsweise über die Duldung einer Minderheitsregierung – dann bin ich für dieses Modell. Ich schließe nichts aus.
In Hamburg wird im März gewählt. Die Linke steht hier relativ gut da. Viele Genossen fürchten vom Bundestrend der Linken nach unten gezogen zu werden … Wie stark werden Sie sich einmischen?
(lacht) Die Hamburger Genossen wissen, dass ich dem Bundestrend guttue. Insofern eine Win-win-Situation. Ich werde mich im Bundestagswahlkampf um die Spitzenkandidatur in Hamburg bewerben – das werden wir am 15. Dezember entscheiden. Wir werden einen gemeinsamen Linken-Wahlkampf in Hamburg für Hamburg machen.
Von Christian Burmeister, Geli Tangermann
Das Original zu diesem Beitrag "Linken-Chef van Aken im Interview: „Was Wagenknecht macht, ist rassistisch“" stammt von Hamburger Morgenpost.