Europäische Wirtschaft: Vom hässlichen Entlein zum Schwan?

Trotz der Spannungen im Persischen Golf prognostizieren die Volkswirte der DekaBank für 2025 ein weltweites Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent. Dies wäre jedoch eine Abschwächung um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. „Geopolitische Konflikte sowie eine unberechenbare US-Zollpolitik belasten die Weltwirtschaft zwar, aber angesichts der weltpolitischen Umwälzungen ist sie überraschend robust“, erklärt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Besonders betroffen sei die US-Wirtschaft, deren Wachstum nach 2,8 Prozent in diesem Jahr 2025 nur noch bei 1,5 Prozent liegen dürfte.

Für Deutschland sehen die Experten der DekaBank vorsichtige Aufschwungssignale. Die Binnennachfrage gewinnt durch steigende Realeinkommen, sinkende Zinsen und Erwartungen wirtschaftspolitischer Reformen an Dynamik. Zusätzliche Impulse kämen durch geplante Mehrausgaben der Bundesregierung, die über drei Jahre verteilt rund zwei Prozent zusätzliches Wachstum bringen könnten. 

Für 2025 rechnen die Deka-Volkswirte mit einem Wachstum von 0,2 Prozent und im kommenden Jahr von 1,0 Prozent. Zusammen mit einer robusteren Entwicklung in den Nachbarländern könnte der Euroraum jeweils rund ein Prozent Wachstum erreichen. „Vor dem Hintergrund anhaltender Unsicherheiten der US-Politik ergeben sich Chancen für die europäische Wirtschaft, das Image vom hässlichen Entlein der Weltwirtschaft abzuschütteln“, so Kater.

Nahost-Krise und Ölpreis

Die aktuelle Krise im Nahen Osten hat die Wirtschaft bislang nur wenig belastet. Nach dem jüngsten militärischen Eingreifen der USA seien die Unsicherheiten jedoch wieder gestiegen. „Die Finanzmärkte sind gegenwärtig im Risk-off-Modus. Kurzfristig müssen die weiteren Eskalationsgefahren abgewartet werden. Langfristig gehen wir davon aus, dass der Ölpreis unterhalb der 70 US-Dollar-Marke je Fass liegen wird“, erläutert Kater. Grund hierfür sei ein strukturelles Überangebot auf dem Rohölmarkt.

Für nachhaltiges Wachstum in Deutschland fordert Kater eine Lockerung von Regulierungen und bessere Bedingungen für Unternehmen. „Der Einsatz von KI-Technologien muss zur Produktivitätssteigerung beitragen können, damit unser Wohlstand dem demografischen Druck standhalten kann“, sagt Kater.

Dr. Ulrich Kater, seit 2004 Chefvolkswirt der DekaBank
Dr. Ulrich Kater, seit 2004 Chefvolkswirt der DekaBank Deka

EZB-Zinspolitik und Kapitalmärkte

Im Bereich der Zinspolitik prognostizieren die Deka-Experten eine weitere Senkung des EZB-Einlagensatzes auf 1,75 Prozent im September. Laut Kater dürfte danach ein Konsens im EZB-Rat bestehen, die Geldpolitik vorerst nicht weiter zu lockern, außer die Inflation würde über rein energiebasierte Rückgänge hinaus spürbar sinken.

Die Kapitalmärkte zeigten sich im ersten Halbjahr robust. Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der DekaBank, verweist insbesondere auf die Stärke europäischer Aktien, mit dem DAX als Spitzenreiter (plus 20 Prozent). Nach der starken Entwicklung könnte es in den Sommermonaten aber zu moderaten Korrekturen kommen. Schallmayer erwartet jedoch keinen nachhaltigen Trendbruch und sieht den DAX zum Jahresende bei etwa 24.000 Punkten, im Verlauf der nächsten zwölf Monate sogar bei rund 26.000 Punkten.

Chancen für europäische Aktien

Er rechnet mit stabilen US-Aktienkursen und weiter steigenden europäischen Aktien, unterstützt durch eine positive Gewinnentwicklung und verbesserte Stimmung bei internationalen Anlegern. Besonders Potenzial sieht er bei MDAX-Unternehmen, deren Bewertungen aktuell noch unter langjährigen Durchschnittswerten lägen.

Beim US-Dollar erwartet Schallmayer eine Stabilisierung, nachdem der schwache Kurs im ersten Halbjahr die Renditen für Euro-Anleger belastet hatte.

Anleihemärkte und Renditechancen

Am Anleihemarkt prognostiziert er trotz erhöhter Staatsverschuldung nur moderate Zinsbewegungen, mit einem leicht sinkenden kurzen Ende der Zinskurve. Unternehmensanleihen böten weiterhin attraktive Renditechancen, obwohl Risikoaufschläge bereits niedrig seien.

Schallmayer erwartet aufgrund der US-Intervention im Nahen Osten kurzfristig volatile Märkte, rechnet jedoch bald wieder mit einer Beruhigung. Die langfristigen Wachstumsaussichten blieben positiv, weshalb Aktienanlagen seiner Ansicht nach essenziell für nachhaltigen Vermögensaufbau seien.