Parlamentswahl in Japan: Premierminister Shigeru Ishiba gerät in Bedrängnis
Am Sonntag wählt Japan ein neues Parlament. Die Abstimmung entscheidet auch über das Schicksal von Premierminister Shigeru Ishiba.
Man muss sich Shigeru Ishiba als jemanden vorstellen, der sich von Niederlagen nicht so leicht entmutigen lässt. Viermal hat er seit 2008 versucht, Vorsitzender der LDP zu werden, jener Partei, die Japan seit Jahrzehnten fast ununterbrochen regiert. Viermal kam ein anderer zum Zug. Erst beim fünften Anlauf war Ishiba am Ziel, Ende September wählten ihn die Liberaldemokraten zu ihrem neuen Vorsitzenden und wenig später die Abgeordneten des Parlaments in Tokio zum neuen Premierminister. Als eine seiner ersten Amtshandlungen löste Ishiba das Parlament auf. „Es ist wichtig, dass die neue Regierung so schnell wie möglich vom Volk bewertet wird“, so Ishiba. An diesem Sonntag (27. Oktober) wird das japanische Unterhaus deshalb neu gewählt. Und einmal mehr steht Ishiba vor einer Niederlage.
Denn Umfragen sehen die LDP zwar weiterhin als Wahlgewinnerin, so wie fast immer seit ihrer Gründung im Jahr 1955. Die Regierungskoalition, die die LDP zusammen mit der kleinen Partei Komeito bildet, könnte allerdings ihre Mehrheit im Parlament verlieren. Bislang halten die beiden Parteien 288 der 465 Parlamentssitze, die LDP alleine stellt 256 Abgeordnete. Als Ziel für die Wahl am Sonntag hat die Partei nun ausgegeben, 233 Sitze zu holen – und damit gerade so viel, wie für eine Mehrheit nötig sind.
Parlamentswahl in Japan: LDP möglicherweise auf weiteren Koalitionspartner angewiesen
Einer Umfrage im Auftrag der japanischen Zeitung Asahi zufolge wird Ishibas Partei aber auch dieses Minimalziel möglicherweise verfehlen. Die LDP könnte demnach 50 Sitze verlieren, auch Komeito könnte deutlich Federn lassen. Die oppositionelle Konstitutionell-Demokratische Partei CDPJ kann der Umfrage zufolge mit rund 140 Sitzen rechnen, bislang hat sie 99 Abgeordnete im Parlament sitzen. Sollte es so weit kommen, stünde Japan vor den „größten politischen Turbulenzen seit 2009“, wie die Zeitung Nikkei kommentierte. Damals verlor die LDP die Parlamentsmehrheit an die (mittlerweile aufgelöste) Demokratische Partei.
Dass die LDP nicht mehr die Regierung stellt und Shigeru Ishiba sein Amt verliert, gilt zwar als wenig wahrscheinlich; die LDP wäre für eine Parlamentsmehrheit aber auf einen weiteren Koalitionspartner angewiesen. Mögliche Kandidaten wären etwa die kleine Demokratische Volkspartei (DPP) oder die Partei zur Erneuerung Japans. Beide dürften Ishiba das Regieren schwierig machen. Die DPP etwa setzt, anders als Ishiba, auf massive Steuererleichterungen. Die CDPJ, die in den Umfragen auf Platz zwei liegt, hat eine Koalition mit Ishibas LDP bereits ausgeschlossen und behält sich vor, eine eigene Regierungsmehrheit zu bilden. Angesichts der zersplitterten Opposition dürfe das allerdings schwierig werden.
Nach Parteispendenskandal: Japan wählt neues Parlament
Die Krise der LDP begann im vergangenen Dezember, als ein Spendenskandal die Partei erschütterte. Dem damaligen Premierminister Fumio Kishida gelang es nicht, das Vertrauen in seiner Partei zurückzugewinnen, im August dieses Jahres kündigte er schließlich seinen Rückzug an. Seine Zustimmungswerte lagen da bei nur noch 15,5 Prozent.
Kishidas Nachfolger hat seiner Partei nun einen Reformkurs verordnet, und auch Japan will er modernisieren. So hatte Ishiba noch vor ein paar Wochen angekündigt, das japanische Namensrecht zu reformieren, nach dem Frauen zwingend den Namen ihres Mannes annehmen müssen. Auch die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen hatte Ishiba in Aussicht gestellt. Mittlerweile aber gibt sich Japans Premierminister deutlich weniger reformbegeistert, der Rückhalt aus den eigenen Reihen bröckelt. Sogar eine Zusammenarbeit mit jenen zwölf einstigen LDP-Abgeordneten, die nach dem Spendenskandal aus der Partei geworfen worden waren, kann er sich vorstellen. Es wäre ein bitteres Weiter-so und kaum dazu angetan, das Vertrauen in die LDP und in die japanische Politik allgemein wiederherzustellen.