2007 beschloss der Kreistag, dass der Landkreis Weilheim-Schongau bis 2035 klimaneutral werden soll. Jetzt, 18 Jahre später, räumt der Umweltausschuss ein: Dieses Ziel ist nicht mehr zu erreichen.
Landkreis – Prof. Stefan Emeis (Grüne/Weilheim) brachte den Stein ins Rollen. Seine Vorlage an den Kreistag sollte als Bestandsaufnahme dienen, wie weit man auf dem Weg zum Ziel, den Landkreis bis 2035 klimaneutral zu machen, bereits gekommen sei. Illusionen machte sich Emeis in seinem Antrag nicht. Gleich in Punkt 1 findet sich dabei die Feststellung: „Der Landkreis (...) erkennt, dass das selbstgesteckte Ziel der Erreichung der Klimaneutralität 2035 mit den derzeitigen Handlungsoptionen im Klimaaktionsplan des Landkreises nicht zu erreichen ist.“
Union stimmt für AfD-Antrag
Ursprünglich wollte Emeis das im Kreistag diskutieren lassen. Doch als der Punkt aufgerufen wurde, meldete sich Rüdiger Imgart (AfD/Weilheim) zu Wort und beantragte, das Thema in den Umweltausschuss zu überweisen, weil da „20 Anträge dahinter stehen“. Tatsächlich handelte es sich nur um einen Antrag. Dennoch beschloss eine Mehrheit des Kreistags – unter anderem weite Teile der CSU-Fraktion –, dem Antrag der rechtsextremen AfD, die den Klimawandel komplett leugnet, zu folgen und schob das Thema in den Umweltausschuss ab.
Dort nahm Kreiskämmerer Matthias Brugger für die Verwaltung Stellung zu Emeis‘ Antrag: „Die Aussage, dass das Ziel nicht erreichbar ist, muss man leider anerkennen. Auch wenn das bedeutet, dass für den Landkreis durch den Klimawandel immense Folgekosten entstehen werden.“
Im Folgenden ging Brugger auf den Klimaaktionsplan des Landkreises ein, der ursprünglich dafür sorgen sollte, dass die Klimaneutralität bis 2035 erreicht wird. Bei den Themen „Strom“ und „Wärme“ sei man gut vorangekommen, so Brugger, was Emeis auch bestätigte. Seit Jahren betreibt der Landkreis seine Liegenschaften mit Ökostrom, die Energiewende Oberland (EWO) werde jährlich mit 60 000 Euro unterstützt. „Durch konsequente Nutzung von Förderprogrammen sorgen wir dafür, dass aus jedem Euro, den der Landkreis zahlt, elf Euro für konkrete Projekte werden“, erklärte EWO-Energiemanager Andreas Scharli.
Mehr Engagement bei Bahn-Investitionen gefordert
Es gebe umfangreiche Beratungsangebote zum Heizungstausch, in zahlreichen Orten würden Wärmenetze entstehen, in Zusammenarbeit mit dem Planungsverband Flächen zur Windkrafterzeugung gesucht und ausgewiesen. Zudem betreibe der Landkreis zahlreiche PV-Anlagen zur Stromerzeugung auf seinen Liegenschaften. Großes Potenzial, den CO₂-Ausstoß zu senken, bestehe im Verkehrssektor, waren sich Brugger und Emeis einig.
Der MVV-Beitritt habe die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs stark vereinfacht, so Kreiskämmerer Brugger. Da müsste aber auch das Angebot deutlich erweitert werden, um eine echte Alternative zum Auto zu haben, ergänzte Emeis. Er forderte zudem ein deutlich größeres Engagement des Landkreises beim Ausbau der Bahnstrecken, nannte den zweigleisigen Ausbau der Werdenfelsbahn und die Reaktivierung der Fuchstalbahn als Beispiele.
Wiedervernässung der Moore als Schlüsselmaßnahme
Großes Potenzial, den CO₂-Ausstoß massiv zu senken, sieht Emeis auch in der Wiedervernässung der riesigen Moorflächen im Landkreis. Brugger erklärte, dass der Landkreis durchaus Moorflächen erworben habe. 145 Hektar befinden sich im Eigentum des Landkreises, 185 Hektar in „dinglicher Sicherung“. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es rund 27 000 Hektar Moorflächen im Landkreis. Aber Erwerb und Renaturierung sind teuer.
In der Debatte im Umweltausschuss überwog die Frustration bei vielen. „Ich bin in kleiner Depri-Stimmung“, bekannte Alfred Honisch (Grüne/Weilheim). Hermine Hitzler (ÖDP/Bernried) forderte, dass künftig bei Bauprojekten mehr auf die Verwendung von recycelten und nachhaltigen Materialien geachtet werden soll.
Streit um Formulierungen
Die letzten beiden Punkte in Emeis‘ Vorlage waren umstritten. Er hatte vorgeschlagen, der Kreistag möge alle Akteure im Landkreis auffordern, sich auf geänderte klimatische Gegebenheiten vorzubereiten. Zudem sollte anerkannt werden, dass „je länger nur die gegenwärtigen und unzureichenden Maßnahmen ausfallen“, die künftigen Maßnahmen umso drastischer ausfallen müssten, um die Folgen der Erwärmung abzufedern.
Der Kreistag könne eine solche Aufforderung nicht aussprechen, erklärte Geschäftsleiter Georg Leis. Nach einigem Hin und Her wurde die Verwaltung beauftragt, eine rechtskonforme Formulierung zu finden. Anschließend soll der Kreistag erneut über das Papier diskutieren.