„Weltuntergangserlebnis“: Italiener toben über Edel-Delikatesse auf Berghütte
Wanderer bestellen sich auf einer Berghütte in Italien eine teure Mahlzeit. Italienische Klimaaktivisten zeigen sich mit Blick auf die Umwelt empört.
Arabba – Körperliche Betätigung und eine eindrucksvolle Aussicht können hungrig machen. Wer also auf einer Wanderung in den Bergen unterwegs ist, wird früher oder später gerne einmal die Beine in einer Berghütte hochlegen und etwas Leckeres zu essen bestellen wollen. So muss es diesen Menschen nach einer vermutlichen Wanderung in Italien ergangen sein, die auf eine teure Meeresdelikatesse nicht verzichten konnten.
Edel-Delikatesse mit Ausblick auf den Gletscher: Italienische Klimaaktivisten sind empört
Vor der pittoresken Aussicht auf die Berglandschaft in Arabba ist auf einem Foto auf Instagram ein mit Hummern gefüllter Teller zu sehen. Im Hintergrund ist der Marmolata zu sehen. Er ist der höchste Berg der Gebirgsgruppe der Dolomiten in Italien. Ein Luxus, der nicht nur dem Geldbeutel der vermutlichen Wanderer viel abverlangt, sondern auch dem Klima, bemerken italienische Klimaaktivisten.
Die Betreiber der Instagram-Seite „L’occhio del Gigiat“ rechnen in einem Post vor, wie viele CO₂-Emissionen diese Mahlzeit verursacht haben könnte. Die Seite entstand laut der Nachrichtenseite Südtirol News aus einer Kooperation des von Pietro Lacasella geführten Blogs „Alto-Rilievo/voci di montagna“ und dem Kollektiv aus Klimaaktivisten „Ci Sarà Un Bel Clima“. Lacasella ist ein Autor bei der italienischen Tageszeitung L‘AltraMontagna, die sich mit ökologischen und sozialen Themen beschäftigt.
Eine Mahlzeit mit großen Auswirkungen auf Klimawandel und Gletscherschmelzen
Die Aussage des Posts ist eindeutig: Mit ihrer Rechnung zeigen die Autorinnen und Autoren, wie ein solches Verhalten zum Klimawandel und zum Gletscherschmelzen beitragen könnte. Der Hummer, so heißt es im Beitrag, stamme bestenfalls aus einer Farm in Gallipoli, einem Ort, der 1.161 Kilometer von Arabba entfernt liegt. Diese Strecke habe das Schalentier womöglich mit dem Lkw zurückgelegt, der etwa 150 Gramm Kohlenstoffdioxid pro Kilometer ausstoße. Das beläuft sich laut Rechnung also auf einen Emissionswert von 174,15 Kilogramm CO₂ für die gesamte Strecke. Der Ausstoß des Hüttenbetriebs sei dabei nicht berücksichtigt worden, allein der Transport des Hummers.
Dieses CO₂ werde in der Atmosphäre bleiben und zu den bereits vorhandenen 424 parts per million (ppm) hinzukommen, die die Keeling Kurve täglich anhand von Messungen des CO₂-Gehalts in der Luft verzeichnet. Seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1958 weist sie einen kontinuierlichen Anstieg des Gehalts auf. Erfasst werden die Messungen vom US-amerikanischen Forschungszentrum Scripps Institution of Oceanography.
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Hummer-Mahlzeit verursacht so viele Emissionen wie zwei Einwohner in Kongo
Mit einem Vergleich machen die Autorinnen und Autoren des Posts die Auswirkungen dieses Mahls deutlich. „Euer Teller Hummer emittiert so viel wie die jährlichen Emissionen von zwei Einwohnern der Demokratischen Republik Kongo. Zwei Einwohner. Jährlich“, heißt es. Das wirke sich durch den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auf das Schmelzen des Gletschers auf der Marmolata aus, der im Hintergrund des Fotos zu sehen ist.
Was ist die Keeling-Kurve?
Seit 1958 zeichnen Wissenschaftler den täglichen Co2-Gehalt in der Luft auf und tragen sie in eine Grafik ein. Die Kurve selbst wurde vom amerikanischen Wissenschaftler Charles David Keeling erstellt. Mit der Keeling-Kurve soll laut Cleanthinking.de, ein Online-Wirtschaftsmagazin, der Einfluss menschlichen Handelns auf das Klima veranschaulicht werden. Der Gehalt wird mit der Einheit parts per million (ppm) gemessen. Sie wird zur Messung von Konzentrationen von Stoffen in verschiedenen Lösungen verwendet. Ein ppm entspricht einem Teil pro einer Million Teilen. (gel)
Quelle: Cleanthinking.de
Jedes emittierte Kilogramm CO₂ bringe laut einer Studie aus 2018 15 Kilogramm Eis zum Schmelzen, heißt es weiter. Davon berichtet auch das hochschul- und wissenschaftspolitische Zeitschrift Forschung und Lehre in einem Beitrag aus 2018. „Unser Dolomiten-Hummer könnte also zum Schmelzen von 2.600 Kilogramm Eis auf der Marmolata beitragen.“
Während man also die Aussicht und sein Gericht genießt, verschwinde der Eisberg vor den eigenen Augen. „Ein Weltuntergangserlebnis!“, schreiben die Aktivisten zum Schluss ihres Beitrags. Wie verheerend die Auswirkungen des Klimawandels sein können, werden Bewohner aus Juneau in Alaska berichten können. Dort ist der Mendenhall-Gletscher ausgebrochen und hat eine Flutkatastrophe verursacht. Und auch in Deutschland ist der Klimawandel zu spüren. Hier macht er Wintersportarten zu schaffen. Ein deutsches Skigebiet hat Insolvenz angemeldet.
Die Meinungen zu dieser Angelegenheit gehen in den Kommentaren weit auseinander. Einige Instagram-User äußern ihren Unmut zu den Inhalten des Posts und stellen die Aussagen darin infrage. So fragt sich ein User: „Seit wann gibt es einen Hummer-Züchter in Gallipoli?“ Ein anderer fragt, ob die Erstellerinnen und Ersteller nur Kartoffeln und Granit essen und Fisch nur dann, wenn er mit dem Fahrrad transportiert wurde. Bei anderen stößt der Post hingegen auf Zustimmung. Ein User schreibt „in der Tat absurd“, ein anderer fragt, weshalb man in den hohen Bergen Seefisch (in diesem Fall Hummer) isst.
Doch nicht nur die Ernährung könnte Einfluss auf die Umwelt haben. Auch Tourismus führt zu Emissionen. Deshalb erwägt Italien eine Anhebung der Touristensteuer, die Umweltprojekten zugutekommen soll. (gel)