„Falscher Reflex“: Wirtschaft fordert Streichung von Feiertagen für die Konjunktur – DGB läuft Sturm

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Deutschlands Wirtschaftsexperten werfen die Idee in den Raum, einen Feiertag für das Wachstum zu streichen. Es würde dem Staat Milliarden an Mehreinnahmen bringen – der DGB läuft Sturm.

Berlin – Es ist milliardenschwer, das Paket zur Reform der Schuldenbremse und des Sondervermögens für die Infrastruktur, das auf den letzten Drücker noch vor der neuen Regierungsbildung von CDU und SPD durchgedrückt werden soll. Doch wie soll der Schuldenberg finanziert werden? Nach Auffassung einiger Ökonomen über den wohl eher weniger freiwilligen Beitrag der Arbeitnehmer – nämlich die Streichung eines Feiertages zugunsten der Konjunktur. Der DGB hält das für eine ganz schlechte Idee – und läuft Sturm.

Wirtschaftsexperten schlagen vor, einen Feiertag für die Konjunktur zu streichen. Es würde dem Staat Milliarden an Mehreinnahmen bringen – der DGB läuft Sturm.
Wirtschaftsexperten schlagen vor, einen Feiertag für die Konjunktur zu streichen. Es würde dem Staat Milliarden an Mehreinnahmen bringen – der DGB läuft Sturm. © Kay Nietfeld/dpa

Feiertag streichen für mehr Einnahmen: Wirtschaft hofft auf Milliarden – DGB blockt ab

Deutschland hat offiziell bundesweit neun nationale Feiertage – für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein willkommener Anlass zur Erholung. Doch in der Wirtschaft gibt es immer wieder Stimmen, die eine Streichung fordern. Ein zusätzlicher Arbeitstag soll nun Gelder zur Finanzierung des Milliardenpaketes in die Staatskasse spülen, fordern Ökonomen: „Die Streichung eines Feiertages sollte Teil eines Maßnahmenpakets für mehr Arbeit sein“, sagte dazu Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung gegenüber IPPEN.MEDIA.

Bundesland Anzahl Feiertage im Jahr 2025
Stadt Augsburg (Bayern) 14
Bayern (katholische Gemeinden) 13
Bayern (evangelische Gemeinden) 12
Baden-Württemberg 12
Saarland 12
Sachen (katholische Gemeinden) 12
Thüringen (katholische Gemeinden) 12
Sachsen (evangelische Gemeinden) 11
Thüringen (evangelische Gemeinden) 11
Nordrhein-Westfalen 11
Rheinland-Pfalz 11
Sachsen-Anhalt 11
Berlin 10
Brandenburg 10
Bremen 10
Hamburg 10
Hessen 10
Mecklenburg-Vorpommern 10
Niedersachsen 10
Schleswig-Holstein 10

Ökonomen wollen Feiertag abschaffen: „Leistungsbereitschaft“ für das Sondervermögen

Es sei geplant, mehr Schulden aufzunehmen, um Infrastrukturinvestitionen zu steigern und Deutschland wehrhafter zu machen, das bringe viel zusätzliche Arbeit: „Wenn die zusätzliche staatliche Nachfrage aber nicht auf zusätzliche Leistungsbereitschaft trifft, wird andere, privatwirtschaftliche Aktivität verdrängt. Es kommt dann nicht zu zusätzlichen Investitionen, sondern nur zu einer Verlagerung, begleitet von Inflation und hohen Zinsen“, so Fuest. Gewerkschaften widersprechen jedoch vehement – und warnen vor negativen Folgen für die Produktivität.

Dass in Deutschland zu wenig gearbeitet wird, ist falsch: Beschäftigte leisten ihren Anteil zur Wirtschaft, oft über ihre reguläre Arbeitszeit hinaus – das zeigt die hohe Anzahl an vielfach unbezahlten Überstunden. 

Arbeitnehmer sollen für Konjunktur auf Feiertag verzichten: DGB läuft Sturm – „Feiertage sind kein Luxus“

Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied erklärt dazu: „Ein gestrichener Feiertag für die Beschäftigten wird die Wirtschaft nicht entfesseln. Feiertage sind eben kein Luxus, sondern wichtiger Bestandteil unserer Arbeitskultur; sie tragen zur Erholung der Beschäftigten und damit auch zur Produktivität bei. Dass in Deutschland zu wenig gearbeitet wird, ist falsch: Beschäftigte leisten ihren Anteil zur Wirtschaft, oft über ihre reguläre Arbeitszeit hinaus – das zeigt die hohe Anzahl an vielfach unbezahlten Überstunden“.

Durchschnittliche Anzahl der Feiertage im europäischen Vergleich:

  • Malta, Bulgarien, Zypern, Slowakei: 12 Tage
  • Österreich, Finnland, Kroatien: 11 Tage
  • Tschechien, Frankreich, Portugal, Spanien, Litauen, Griechenland, Lettland, Slowenien: 10 Tage
  • Luxemburg, Schweden, Italien, Irland, Polen: 9 Tage
  • Norwegen, Dänemark: 8 Tage
  • Deutschland: 7 Tage

Quelle: Eurofound/ Europäische Erhebung Über die Arbeitsbedingungen (EWCS), 2024

„Falscher Reflex“: DGB-Vorstand warnt vor Streichung von Feiertagen

Die Abschaffung eines Feiertags würde die hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten weiter verschärfen, warnt Piel: „Es ist ein falscher Reflex mancher Arbeitgeber und Ökonominnen, auf der Suche nach Lösungen nur auf die Arbeitnehmer zu zeigen“. Arbeitgeber hätten es in der Hand, die Wirtschaft anzukurbeln, indem sie mehr Tarifverträge mit Gewerkschaften verhandeln und mehr aus- und weiterbilden.

Wenn der Staat seine Einnahmen erhöhen will, streicht er nicht Feiertage für Beschäftigte, sondern richtet seinen Blick auf die 900.000, die so reich sind, dass sie nicht arbeiten müssen, sondern von Zinsen, Dividenden und Vermögen leben.

Der Staat könne dies unterstützen – mit einer echten Reform der Schuldenbremse für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Krankenhäuser sowie mit sinkenden Energiekosten. Die Vorsitzende des Bundesvorstandes ergänzt: „Wenn der Staat seine Einnahmen erhöhen will, streicht er nicht Feiertage für Beschäftigte, sondern richtet seinen Blick auf die 900.000, die so reich sind, dass sie nicht arbeiten müssen, sondern von Zinsen, Dividenden und Vermögen leben und gleichzeitig nur Mini-Steuern zahlen – nicht auf diejenigen, die ohnehin schon einen großen Beitrag leisten.“

Experten-Schätzungen: Abschaffung eines Feiertags bringt 8 Milliarden

Laut einer Schätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft könnte ein zusätzlicher Arbeitstag bis zu acht Milliarden Euro an zusätzlicher Wirtschaftsleistung, also ein Plus 0,2 Prozent bringen. Doch tatsächlich ist die exakte Berechnung schwierig, da nicht in jeder Branche mehr Arbeitszeit automatisch zu einer höheren Produktion führt. Hinzu kommt, dass Deutschland ein föderales System hat: Da die Bundesländer unterschiedlich viele Feiertage haben, wäre eine einheitliche Umsetzung wohl eine Herausforderung.

Ökonomen führen einen nördlichen Nachbarn als Beispiel an: In Dänemark wurde 2023 einer der elf gesetzlichen Feiertage gestrichen, der „Store Bededag“, der dem deutschen Buß- und Bettag ähnelt, um mehr Geld für Rüstungsausgaben zu rekrutieren. Laut einem Gutachten des dänischen Wirtschaftsministeriums führte das zu Mehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro für den Staat. Doch die Berechnungen wurden von Ökonomen angezweifelt, und Zehntausende demonstrierten gegen die Reform. Am Ende einigte man sich auf einen Gehaltszuschlag von 0,45 Prozent des Jahresgehalts für Arbeitnehmer als Ausgleich.

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