Pressestimmen zur Bundestagswahl - „Merz muss sich als 'Drachentöter' der AfD profilieren - und den Mutmacher spielen“
„Der Standard“ (Österreich): „Die deutsche Bundestagswahl zeigt Europa, dass die Zukunft des Kontinents keinesfalls rechtsextrem ist. Deutschland muss nicht in Alternativen denken. Zwar ist die AfD exakt so stark wie befürchtet, doch der blaue Balken schwoll am Wahlabend auch nicht über das Niveau der Erwartung an. Dass Alice Weidel eine Verdopplung in den vergangenen vier Jahren gelungen ist, spricht Bände: Die Migrationsfrage, die im deutschen Parteiendiskurs traditionell am liebsten ausgeklammert wurde, spielt ihr in die Hände.
Österreich hat im Umgang mit 20-Prozent-FPÖ-Ergebnissen lange Erfahrung, neu ist in der deutschen Konstellation die Schwäche der demokratischen Parteien. Die AfD bleibt für die nächste Wahl 2029 brandgefährlich, kann jetzt aber nicht die Macht übernehmen und nichts zerstören – wenn die CDU nicht so umkippt wie zwischenzeitlich die ÖVP.“
„Merz muss sich als 'Drachentöter' der AfD profilieren und den Mutmacher spielen“
„Die Presse“ (Österreich) : „ Friedrich Merz, der hinter seinen eigenen hochgesteckten Erwartungen zurückblieb, ist mit seinen 69 Jahren und seiner Prägung in der Ära Kohl vielleicht kein Signal der Erneuerung und des Aufbruchs. Aber mit seiner Entschlossenheit und Führungskraft personifiziert er ein Gegenmodell zu Olaf Scholz. (...) Merz muss sich dabei als „Drachentöter“ der AfD profilieren, als der er als CDU-Chef nach langer politischer Abstinenz wieder in den Ring stieg. (...)
Der CDU-Chef wird auch daran gemessen werden, den Höhenflug der Rechtspopulisten, mit denen er keinesfalls gemeinsame Sache machen will, zu stoppen und ihren Einfluss zurückzudrängen. (...) Merz muss den Mutmacher spielen, der die deutsche Wirtschaft nach oben zieht und dem Land das Gewicht zurückgibt, um im Kampf der Großen zu bestehen. Erste außenpolitische Ansagen an die Adresse Donald Trumps und Elon Musks waren durchaus vielversprechend.“
„The Guardian“ (England): „Es scheint praktisch sicher zu sein, dass Friedrich Merz - ein ehemaliger Banker, der noch nie Minister war - der nächste Bundeskanzler Deutschlands wird, nachdem sein konservatives CDU/CSU-Bündnis bei der wichtigen Bundestagswahl am Sonntag die meisten Stimmen gewonnen hat. (...)
So schwierig die innenpolitische und wirtschaftliche Lage Deutschlands selbst auch sein mag, viele der drängendsten Herausforderungen, vor denen Merz steht, dürften aus dem Ausland kommen. Der Mann, der einst Beifall für die Behauptung bekam, er könne das Leben von Millionen von Menschen verbessern, indem er die Steuerregeln so weit vereinfacht, dass sie auf einen Bierdeckel passen, ist heute mit einer weitaus komplexeren Realität konfrontiert.“
„Merz wartet nicht einmal Endergebnis ab, bevor er Urteil über Trump verkündete“
„Sydney Morning Herald“ (Australien): Deutschlands proamerikanischster Politiker in seiner Geschichte wird die Regierung zu einem Zeitpunkt übernehmen, an dem er vor drei Herausforderungen steht: die Einheit der Nation zu bewahren, Europas Verteidigung zu stärken und zu verhindern, dass das Bündnis mit den Vereinigten Staaten weiter zerbröckelt. Auf den ersten Blick ist jede dieser Aufgaben schon monumental. Alle drei zu bewältigen, scheint unmöglich.
Friedrich Merz, der 69-jährige Vorsitzende der Christdemokraten, wartete nicht einmal das Endergebnis der Wahl in Deutschland ab, bevor er sein Urteil über US-Präsident Donald Trump verkündete und erklärte, dass Europas 80-jähriges Bündnis mit den USA der Vergangenheit angehöre - trotz seiner Verbundenheit mit dem Land.
Als Konservativer, der Ronald Reagan zu seinen Helden zählt, betrat Merz die Bühne, um den Sieg zu erklären und zu warnen, dass Europa in Gefahr ist und seine Verteidigung dringend stärken sowie möglicherweise sogar innerhalb weniger Monate einen Ersatz für das Nato-Militärbündnis finden muss.
(...) Merz‘ Äußerungen markieren einen historischen Wendepunkt: Sie zeigen, wie tief Trump die politischen Grundfesten Europas erschüttert hat, das seit 1945 auf amerikanische Sicherheitsgarantien angewiesen ist.
„Die Ergebnisse bestätigen, dass das Land nach rechts rückt“
„La Vanguardia“ (Spanien): Die Ergebnisse der gestern in Deutschland abgehaltenen Bundestagswahl (...) bestätigen, dass das Land nach rechts rückt. Alles deutet nun auf die Rückkehr einer Koalition hin, die aus dem Wahlsieger, der konservativen CDU/CSU, und der SPD bestehen wird, die auf Platz drei gelandet ist und ein wahres Debakel erlitten hat. Bei der Abstimmung gab es einen historischen Aufstieg der rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (AfD). (...)
Deutschland braucht eine stabile Regierung, die Lösungen bietet für Herausforderungen wie Einwanderung, Sicherheit, Wohnraummangel, die zunehmende Polarisierung, die Suche nach Alternativen zu einem überholten Wirtschafts- und Industrie-Modell, das zwei Jahre Rezession verursacht hat, sowie auch für die neuen geopolitischen Herausforderungen, die durch (den neuen US-Präsidenten Donald) Trump aufgeworfen werden. Wenn die zukünftige Regierung in Berlin nicht stabil und stark ist und diese Probleme nicht löst, könnte der Rechtsruck eines Teils der Wählerschaft sich verstärken - und die AfD 2029 zur meistgewählten Partei in Deutschland werden.
„Die Ex-Ampel-Parteien haben vom Wähler die Quittung dafür bekommen“
„Nordwest-Zeitung“ (Oldenburg): „Es werden schwierige, herausfordernde Koalitionsgespräche. Und sicher ist: Der Politikwechsel, den Wahlsieger Friedrich Merz von der CDU zu seinem Programm erklärt hat, wird maximal zur Politikkorrektur. (…) Jetzt kommt die Zeit der Verhandlungen. Unsere Demokratie lebt nicht vom Konsens, bei dem sich alle einig sind, sondern von Kompromissen, also von gegenseitigen Zugeständnissen. Die Kunst dabei ist, im politischen Kern glaubhaft zu bleiben. Es ist also kein Wortbruch, sondern völlig normal, dass die Parteien von Wahlkampfversprechungen wieder abrücken, um diese Kompromisse zu finden. Auf der anderen Seite ist Regieren kein Selbstzweck. Was passiert, wenn vor lauter Kompromissen die Sorgen und Interessen der Bürger aus dem Auge verloren werden, konnten wir beim Scheitern der Ampel erleben.“
„Mitteldeutsche Zeitung“ (Halle): Die Ex-Ampel-Parteien haben mit teils dramatischen Verlusten vom Wähler die Quittung dafür bekommen, dass sie sich über Monate gestritten haben und unfähig waren, die Probleme des Landes zu lösen. Schräg, dass SPD, Grüne und FDP bei diesem Urnengang auf jene Männer setzten, die den Karren in den Dreck gefahren haben. Das muss sich insbesondere die SPD-Spitze vorwerfen lassen, die mit Boris Pistorius eine weitaus beliebtere Alternative zum gescheiterten Kanzler hatte. Olaf Scholz beendet seine Karriere nun mit einer historischen Niederlage.
Merz hat viel eingesteckt für seinen Asylkurs. Er dürfte aber genau damit die AfD noch auf Abstand gehalten haben. Dass er gleichzeitig die Linken mobilisiert und der totgesagten Partei so vermutlich maßgeblich zu ihrem Last-Minute-Comeback verholfen hat, ist die Ironie dieser Wahl-Geschichte.
In Sachsen-Anhalt hat das Merz-Manöver aber nicht gezogen. 2021 hatte die CDU noch das Nachsehen gegenüber der SPD, jetzt hat hier die AfD die Nase vorn.
„Jetzt krönt Merz seine Laufbahn“
„Neue Osnabrücker Zeitung“: CDU und CSU haben sich in einer Stärke behauptet, auf die noch vor zwei Jahren keiner gewettet hätte. Spitzenkandidat Friedrich Merz habe ein Problem bei Frauen, war eine der ulkigsten Phrasen, mit denen der kommende Kanzler diskreditiert wurde. Dabei war absehbar, dass kein Kandidat bei der jetzigen Bundestagswahl mehr Stimmen von Frauen erhalten würde als er, und so ist es dann auch gekommen – zum Verdruss derer, die sich in ihrer Blase an jeden Strohhalm klammerten. Merz hat seinen Wahlsieg insofern verdient. Leicht hat es ihm keiner gemacht, der politische Gegner nicht, die Medien nicht, interne Rivalen nicht, bis hin zu seiner Vorgängerin Angela Merkel. Jetzt krönt Merz seine Laufbahn, die herbe Rückschläge und harte Angriffe kannte.
„Ostrfriesen-Zeitung“ (Leer): Das Wahlergebnis ist Segen und Fluch zugleich. Die neue Merz-Regierung hat zwar mit einem soliden Fundament gewonnen, ist jetzt aber in der Pflicht, nicht nur einen Parteienwechsel, sondern einen Politikwechsel an den Start zu bringen, der diesen Namen auch verdient.
„Rhein-Zeitung“ (Koblenz): Der Wähler, der nun zum zweiten Mal in Folge enttäuscht und mit dem Wunsch nach einer anderen Politik an die Urne getreten ist, hat bei allem Unmut noch Vernunft walten lassen und die Parteien der demokratischen Mitte mit einem Regierungsauftrag ausgestattet. Machen wir uns nichts vor: Es ist die letzte Chance.
Auf der nächsten Regierung lastet die enorme Verantwortung, diese letzte Chance nicht zu verspielen. Weder durch Bräsigkeit noch durch kleinliches Gezänk. Gesundheit, Pflege, Rente, Steuern, Bürokratieabbau, Bildung, Infrastruktur und ja, auch der im Wahlkampf untergepflügte Klimaschutz verlangen entschlossenes Handeln. Nichts davon darf mehr vertagt oder auch nur halbherzig angegangen werden. Und nicht zuletzt muss die neue Regierung auch eine bedeutende im Sinne der Europäischen Sache sein. Egal, welche Parteien sich ab morgen um die Bildung einer Regierung bemühen, sie sollten sich gemeinsam dieser hohen Verantwortung bewusst sein.
„Für richtige Wechselstimmung reichte es nicht. Für den Einzug ins Kanzleramt schon“
„Rhein-Neckar-Zeitung“ (Heidelberg): Sollten es SPD, Grüne und FDP nicht gewusst haben, so wissen sie es jetzt: Nach dreieinhalb enttäuschenden Jahren hatten Millionen Wähler genug von den selbst ernannten „Fortschrittskoalitionären“. Alle drei Ampel-Partner wurden krachend abgewählt. Und das hatte viel mit der Art zu tun, mit der Rote, Grüne und Gelbe regierten: meist im Streit.
Hinzu kam die Mischung aus dem erratischen Auftreten des Kanzlers, der belehrenden Art der Grünen und den vielen Nickeligkeiten der Liberalen. Mit keiner dieser Parteien war es im Grunde auszuhalten. Eigentlich eine Steilvorlage für die Union, die am Sonntag aber unter ihren Möglichkeiten blieb. Die „letzte verbliebene Volkspartei“ im Bundestag scheitert erneut an der 30-Prozent-Marke. Für eine richtige Wechselstimmung reichte es nicht. Für den Einzug ins Kanzleramt hingegen schon.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: Mit der AfD ist kein demokratischer Staat zu machen. (…) Bei den zentralen Fragen der Innen- und der Außenpolitik stehen AfD und Union zueinander wie Feuer und Wasser. Die Parteien der Ampel hatten ihre Chance, das Land nach ihren Vorstellungen zu gestalten, sind damit aber krachend gescheitert. Das sollten insbesondere die nicht vergessen, die bereit sind, in eine Koalition mit der Union zu gehen. Die Deutschen haben für einen Kurswechsel gestimmt, vor allem in der Migrations- und Wirtschaftspolitik. Merz wird in jedem denkbaren Bündnis Kompromisse und damit Abstriche vom eigenen Programm machen müssen. Doch auch nur in die Nähe des „Weiter so“ darf die nächste Regierung nicht kommen. Das würde die AfD weiter stärken. Lauter hätte der Warnschuss bei dieser Wahl nicht sein können.