Mechaniker der Macht: Alexander Dobrindts entscheidende Rolle für eine GroKo
Alexander Dobrindt gilt oft als politischer Scharfmacher. Im Hintergrund schmiedet der CSU-Mann Kompromisse für die Koalition der Union mit der SPD.
Berlin – Vor ein paar Tagen, der alte Bundestag debattierte über die Grundgesetzänderungen für Verteidigung und Investitionspaket, versuchte es Alexander Dobrindt mit einer geballten Charmeoffensive. Er bedankte sich namentlich bei den Spitzen der Unions- und SPD-Fraktion, selbst für die Grünen fand er ausgesprochen freundliche Worte. „Ich weiß, dass diese Entscheidung uns allen viel abverlangt“, sagte der Chef der CSU-Landesgruppe, den das Land auch ganz anders kennt. Aber in dieser Stunde zeige sich, „wie leistungsfähig und entscheidungsfähig die demokratische Mitte in diesem Land sein kann“.
Alexander Dobrindt, der Brückenbauer. So kennen ihn nicht viele Bürger. Den 54-Jährigen aus Peißenberg im Landkreis Weilheim-Schongau begleitet bis heute ein Bild, das sich vor allem in seiner Zeit als CSU-Generalsekretär entwickelte: Die Grünen nannte er damals eine „Protestsekte“, die FDP eine „Gurkentruppe“ und EZB-Chef Mario Draghi einen „Falschmünzer“. Er erfand mit Horst Seehofer die Pkw-Maut für Ausländer, machte sie zum Wahlkampfschlager – und scheiterte später als Bundesverkehrsminister bei ihrer Umsetzung.

Alexander Dobrindt hat Erfahrung – auch in Koalitionsverhandlungen mit der SPD
Doch es gibt auch einen anderen Alexander Dobrindt. Einen, den die Öffentlichkeit nur ganz selten zu sehen bekommt. Den Strategen. Wenn er die politische Lage seziert, wird seine Stimme ganz leise. Politik mag von Überzeugungen angetrieben sein, aber oft ist sie schlicht Handwerk. Seit 2002 – Kanzlerkandidat war damals ein gewisser Edmund Stoiber – sitzt Dobrindt im Bundestag.
Er hat jeden Trick gesehen, kennt die Motive von Freund wie Feind. Deshalb sieht er Entwicklungen oft früher, findet aber auch Kompromisslinien. Die ehemalige SPD-Vorsitzende Andrea Nahles nannte ihn mal einen „Profi“ und „würdigen Gegner“. „In der Mechanik der Macht haben wir uns immer verstanden.“
Schwierige Kompromisse von SPD und Union nötig: Dobrindt soll Einigung bringen
Jetzt ist die Mechanik wieder gefragt: Die Streitpunkte in den Arbeitsgruppen müssen zusammengefügt werden. Heute treffen sich die Parteien einzeln, morgen tagen dann CDU und CSU gemeinsam. Am Freitag und Samstag trifft sich die 19er-Runde. Und am Montag beginnt dann in diesem Kreis die sogenannte Clearing-Woche, in der alle umkämpften Punkte geregelt werden sollen. „Ich bin total zuversichtlich“, sagt Dobrindt selbst. „Alles, was noch strittig ist, war zu erwarten. Wir werden das nun zusammenführen.“
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Dobrindt führt für die CSU die meisten Gespräche – Parteichef Markus Söder verlässt sich auf ihn. Beide haben sich im Laufe der Jahre angenähert: Dobrindt gehörte einst zum Team Seehofer und damit automatisch zu den Söder-Skeptikern. Lange vorbei. Auch Friedrich Merz spricht im kleinen Kreis ausnehmend gut über den Oberbayern: Seit Merz im Februar 2022 die Unionsfraktion übernahm, arbeiten beide Hand in Hand. Das zahlt sich jetzt aus.
Dobrindt erntet Kritik aus der SPD – CSU-Mann hat Augen aufs Ziel gerichtet
Mit der SPD läuft es naturgemäß schwieriger: Erst vor wenigen Tagen soll sich Boris Pistorius lautstark über Dobrindt und den Parlamentarischen Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, beschwert haben. „Ich sage es euch: Dobrindt und Frei, sie sind wirklich unangenehm. Sie haben kein Gewissen“, zitierte der Stern den beliebten Verteidigungsminister. Die drei hatten das Migrationspaket ausverhandelt – das in der SPD für hitzige Debatten sorgt.
Dobrindt dagegen hat sich schon mehrfach um eine neue Tonlage bemüht. „Unsere oberste Aufgabe ist es, die Polarisierung im Land zurückzudrängen.“ Es sei beängstigend zu sehen, wie im neuen Parlament die Mitte geschrumpft sei, sagt er gestern nach der konstituierenden Sitzung. „Wir müssen das Land wieder stabilisieren.“
„Dobrindt wird geschätzt und geachtet, aber ihm fliegen nicht die Herzen der Partei zu“, schrieb die FAZ einmal über ihn. Trotzdem ist er in Berlin die klare Nummer 1. Söder nannte ihn einen „Anwärter für ein ganz großes und schweres Ministerium“. Finanzen? Verteidigung? Noch ist nicht über die Ressorts gesprochen worden. Ausgeschlossen wird aber auch nicht, dass der Generalist Landesgruppenchef bleibt – und in der Schnittstelle der Macht seine Stärken ausspielt. Kompromisse wird es auch während der Legislaturperiode noch brauchen.