Höckes Erfindung: „Generation Deutschland“ und ein heikles Frauenproblem

Jahrelang hatte die AfD Ärger mit einer Organisation, die sich zwar irgendwie als Parteijugend sah, aber keine echte war: Die „Junge Alternative“ JA war eine eigene Vereinigung, bei der man nicht einmal AfD-Mitglied sein musste. 

Mit der Neugründung will sich die AfD Ärger ersparen 

Trotzdem wurden extremistische Äußerungen oder Aktionen von JA-Leuten gemeinsam mit Identitären stets auch der AfD zur Last gelegt: von Medien und von den Verfassungsschutzbehörden, die die JA bald sogar als „gesichert rechtsextrem“ einstuften. 

Mit der Gründung der „Generation Deutschland“ (GD) will sich die AfD solchen Ärger ersparen: Hier darf nur Mitglied sein, wer jünger als 36 Jahre alt ist und Parteimitglied der Mutterpartei AfD ist. Und die hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst, der eine Zusammenarbeit mit der „Identitären Bewegung“ und anderen Extremisten ausschließt. 

So hat die Neugründung der „Generation Deutschland“ im Beisein der beiden AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla stattgefunden, und sogar der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland gab der Veranstaltung durch ein Video-Grußwort seine Weihen. 

„Mir ist der Name ‚Generation Deutschland‘ eingefallen“ 

Einer aber wollte da auch auf keinen Fall fehlen: Björn Höcke wollte Weidel und Chrupalla nicht allein die Show überlassen und reiste eigens nach Gießen. Händeschütteln und Selfies mit Höcke – für seine jugendlichen Fans eine große Sache. 

Und nicht nur das: Gegenüber FOCUS online gibt er preis: „Mir ist, glaube ich, dieser Name ‚Generation Deutschland‘ eingefallen, aber ich will mir jetzt nicht die Lorbeeren auf das Haupt setzen.“ 

Auf die Nachfrage, welche Rolle er denn überhaupt bei der GD spiele, erzählt er, dass er Jean-Pascal Hohm „ja jetzt auch schon ein paar Jahre“ kenne und an vielen Debatten beteiligt sei. Wie schon bei der Mutterpartei geht auch bei der Jugend wenig ohne Höcke. 

Kurz zuvor begrüßt Höcke eine weitere wichtige Identifikationsfigur der jungen rechten Radikalen: den neurechten Verleger Götz Kubitschek. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezeichnet auch ihn als Rechtsextremisten. 

Kubitschek wird an seinem Stand bei dem Parteitag den ganzen Tag lang von vielen jungen AfDlern umringt, er ist redselig und gilt als intellektueller Kopf – mit seinem Verlag und seinem kürzlich aufgelösten „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda.  

Der GD-Chef Hohm nennt Kubitscheks Schnellroda trotzdem als erste Adresse, wenn er auf die Aufgaben der GD als „Kaderschmiede“ der Partei angesprochen wird. Der Nachwuchs soll schleunigst für Regierungsübernahmen fit gemacht werden. 

Kubitschek wiegelt im Gespräch ab

Zwischen Hohm und Kubitschek gibt es auch personelle Schnittstellen. So arbeitet in der AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg, in der Hohm Abgeordneter ist, Erik Lehnert. Er ist ehemaliger Geschäftsführer aufgelösten „Instituts für Staatspolitik“. Aber wie groß ist der Einfluss von Kubitschek auf die AfD und ihre Jugendorganisation überhaupt? 

Kubitschek
Götz Kubitschek, Verleger und Aktivist der Neuen Rechten. dpa/Hendrik Schmidt

Darauf angesprochen, wiegelt Götz Kubitschek gegenüber FOCUS online ab: „Ich bin die alte Tante in diesem Milieu, mich kennen sie alle. Ich aber kenne die neuen Politiker im Bundestag nicht – vielleicht nur zehn der Bundestagsabgeordneten.“  

Parteichef Tino Chrupalla reagiert etwas dünnhäutig auf die Frage von FOCUS online, wie einflussreich denn Götz Kubitschek mit dem, was er sagt und schreibt, sei: „Bei uns wird das Programm nicht von Herrn Kubitschek geschrieben und auch nicht von außen diktiert.“ 

Hohm und Kubitschek benutzen ähnliche Textbausteine 

Kubitschek erzählt an seinem Verlagsstand im Foyer des GD-Gründungsparteitags permanent, wie froh er sei, dass „unser Milieu wächst“. Das gilt besonders für den Osten Deutschlands. Auch bei der Wortwahl für die Beschreibung dieser Entwicklung gibt es manche Parallele zwischen Hohm und Kubitschek. 

Beide benutzen sehr ähnliche Textbausteine, wenn es darum geht, die Partei zu verorten: So sprechen sie von einem „großen Mosaik“, das aus der Partei und dem sogenannten „Vorfeld“ bestehe – also anderen Verbündeten wie rechtsradikalen Verlagen, Vereinen oder Medien. 

„Wer ist Deutscher?“ ist die Killerfrage 

Über die Auflösung der „Jungen Alternative“ war die AfD-Mutterpartei auch erleichtert, weil sie befürchten musste, im Zuge eines Verbotsverfahrens auch mit extremistischen Verfehlungen der Jugendorganisation konfrontiert zu werden. 

Auch bei der „Generation Deutschland“ wird vor allem eine Frage zum Lackmustest der Verfassungstreue: Wie stehen die Akteure zur Frage, wer eigentlich Deutscher im Sinne eines Staatsvolkes ist? Es ist gewissermaßen die permanente Killerfrage. 

Der Verfassungsschutz in Bund und Ländern begründete seine Einstufung der ehemaligen „Jungen Alternative“, aber auch von Landesverbänden wie dem Hohms in Brandenburg, mit den radikalen Ideen zum Staatsvolk. Es ist die heikle Bruchstelle zur völkischen Bewegung. 

So findet der neue GD-Chef Hohm auch im Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Einstufung der AfD als Verdachtsfall Erwähnung: Am 22. Juni 2022 habe er getwittert: „Das Deutsche Volk als ethnische und kulturelle Gemeinschaft ist nicht verhandelbar. Punkt.“ Der Verfassungsschutz sieht darin ein „verfassungswidriges Volksverständnis“. 

Auf eine Frage von FOCUS online dazu widerspricht Hohm: „Für uns gibt es keine Staatsbürger erster oder zweiter Klasse: Wer den deutschen Pass hat, hat dieselben Rechte – egal, woher er oder seine Vorfahren stammen“, so Hohm. 

Die Vokabel vom „ethnokulturellen Volk“

Gleichzeitig vermeidet er eine Distanzierung von seinem Tweet: „Davon unabhängig existiert ein ethnokulturelles deutsches Volk, zu dem unter anderem auch die im Ausland lebenden ethnischen Deutschen ohne deutschen Pass gehören.“ 

So versucht Hohm, vor dem Hintergrund von Forderungen, die AfD als verfassungsfeindliche Partei zu verbieten, seine völkische These vom ethnischen deutschen Staatsvolk zu relativieren.  

Auch Kubitschek benutzt die Vokabel vom „ethnokulturellen Volk“. FOCUS online fragt auch Kubitschek, was für ihn das Staatsvolk sei: „Es gibt eine Staatsbürgerschaft, wer sie hat, ist Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten“. Deshalb solle man damit sensibel umgehen, sie zu vergeben. 

„Nationen funktionieren, wenn sie relativ homogen sind“ 

Jede Nation funktioniere vor allem dann gut, wenn sie „relativ homogen“ sei, wenn es eine „starke identitäre Kraft“ gebe. Und: „Deutscher ist, wer deutsche Eltern oder Vorfahren hat, und Deutscher kann werden, wer unsere Sache zu seiner Sache macht.“ 

Kubitschek will kein Einwanderungsland haben, die Einwanderung soll die Ausnahme bleiben, verbunden mit einer “klaren Loyalitätsentscheidung”. So bleibt er den identitären Zielen einer ethnisch homogenen Gesellschaft treu.  

Weder Hohm noch Kubitschek wollen sich von der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ distanzieren. Hohm bestreitet, dass diese überhaupt rechtsextrem sei. 

Identitäre bleiben keineswegs draußen 

Zwar hat die AfD den Willen geäußert, die Parteijugend als eigene Parteiorganisation besser kontrollieren zu können, um extremistische Auswüchse zu verhindern. Die jüngsten Äußerungen in Sachen Identitäre verheißen allerdings keinen klaren Bruch mit der Vergangenheit der „Jungen Alternative“. 

Im Interview mit dem „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (rbb) lässt Jean-Pascal Hohm sogar für Identitäre eine Tür offen – trotz Unvereinbarkeitsbeschluss. Es sei auch für ehemalige Identitäre möglich, in die AfD einzutreten oder Mitarbeiter in einer Fraktion zu werden. Da müsse nur der jeweilige Landesvorstand zustimmen. 

Die radikalste Frau wird mit 62 Prozent in den Vorstand gewählt 

Neben der Frage, welche prominenten Rechtsextremisten welchen Einfluss auf die GA haben, stellt sich auch die Frage welche Rolle eigentlich Frauen spielen und spielen sollen. 

Denn wer sich auf dem Gründungsparteitag der GD in Gießen umsah, konnte sich wundern: Während der Anteil von Frauen an der Mitgliederschaft der AfD bei zuletzt 21,4 Prozent liegt, ist er zumindest bei den 839 Delegierten in Gießen bei mutmaßlich deutlich unter fünf Prozent. 

Dafür war es eine Frau, die den Saal zum Toben brachte: Julia Gehrckens, die sich aus Niedersachsen für einen Platz als Beisitzerin bewarb, hatte es zunächst mit kräftigem Gegenwind zu tun, denn ihr Landesverband hatte sie nicht aufgestellt.  

Weil sie trotzdem auf eigene Faust kandidierte, fragten gleich drei Männer aus Niedersachsen kritisch nach, warum sie das tue. 

Bei den Mitgliedern der AfD-Jugend herrscht allerdings eine eigene Dynamik, und hier – das zeigte sich mehrfach bei diesem Parteitag – haben die alten, extremen Kräfte der „Jungen Alternative“ noch immer die Oberhand. 

So wettert Gehrckens in ihrer Rede mit Blick auf die Gegendemonstrationen gegen „die teuflische Zensur“, die seit 4.30 Uhr in der Früh draußen tobe. Und sie sagt pathetisch: „Das Publikum aus aller Welt blickt auf uns mit angehaltenem Atem“. Denn man öffne jetzt „die Bühne zu einer neuen Welt“. 

„Nur Millionenfache Remigration schützt unsere Frauen und Kinder“ 

Dann holte sie zum großen Schlag aus: „Deutsche Frauen“ würden im Zuge der Migration in Deutschland tagtäglich zu „Freiwild“ degradiert. Gröhlende Männer applaudierten lautstark. Das Thema der hier gemeinten Übergriffe durch migrantische Männer zieht emotional. 

Und dann sagte sie: „Nur ‚Millionenfache Remigration‘ schützt unsere Frauen und Kinder.“ Obwohl sie nicht einmal nominiert war, erntet Gehrckens tosenden Applaus und setzt sich mit 63 Prozent gegen den offiziellen Kandidaten der Niedersachsen, Mio Trautner, durch. 

Gehrckens tritt auch für das identitären-nahe Frauennetzwerk „Lukreta“ an. Als Frau ist sie in der Funktionärsriege dennoch fast die einzige.  

Frauen sind eine extreme Minderheit in der GD 

GD-Frauen, mit denen FOCUS online sprach, hatten dafür sehr unterschiedliche Begründungen. Frauen ernteten generell „mehr Druck“ aus der Gesellschaft, wenn sie „falsche Meinungen“ verträten, sagen einige. Als Hauptmotivation für ihr politisches Engagement geben sie Gewalttaten von migrantischen Tätern an. 

Eine Quote bräuchten sie keine, sondern Kompetenz, sagt eine niedersächsische Delegierte: „Wir sind erwachsene Frauen, wir haben dieselben erwachsenen Themen wie die Jungs.“ Ansonsten seien die „Mädels“ hier super „connected“, schwärmt sie. 

„Wir sind eine Minderheit. Wir gehen zusammen aufs Klo. Wir schnacken und halten zusammen. Wir treffen uns auch, um Kekse zu backen.“ Dafür gebe es eine eigene weibliche WhatsApp-Gruppe.