Laura Dahlmeier verunglückt: Was passiert im Körper bei minus 8 Grad?

Deutschland bangt um Laura Dahlmeier. Die ehemalige Biathletin ist am vergangenen Montag bei einem Unfall im Karakorum-Gebirge in Pakistan schwer verunglückt. Dahlmeier war am Berg Laila Peak auf 5700 Metern von einem Steinschlag erfasst worden, seit Dienstag gibt es kein Lebenszeichen von der 31-Jährigen. 

Aufgrund der widrigen Wetterbedingungen im Hochgebirge – Regen, Schnee, starker Wind, schlechte Sichtverhältnisse – konnten Rettungskräfte bislang nicht zu ihr vordringen

Nachts herrschen in der Gebirgsregion bis zu minus acht Grad. Doch was passiert im Körper bei großer Kälte? Und wie kann er damit fertig werden?

Bei Unterkühlung sind Bewusstsein, Atmung und Kreislauf beeinträchtigt

Ist ein Mensch längere Zeit Kälte ausgesetzt, kommt es zur Unterkühlung, auch Hypothermie genannt. Dabei ist der Wärmeverlust größer als die Wärmeproduktion, was die drei Lebensfunktionen 

  • Bewusstsein
  • Atmung
  • und Kreislauf

vermindern kann.

Grundsätzlich gibt es drei Arten von Hypothermie: subakut, akut und chronisch.

Die akute Unterkühlung tritt in Folge von Unfällen ähnlich dem von Dahlmeier auf, etwa einem Sturz ins kalte Wasser, in eine Gletscherspalte oder bei einer Lawinenverschüttung. Dabei kühlt der Körper schnell ab. Das berichtet das Onlineportal "Berg und Steigen" des Deutschen, Österreichischen, Schweizer und Südtiroler Alpenvereins. Im Schnee sind es ein bis neun Grad pro Stunde. Allerdings hängt die Abkühlungsrate stark von der einzelnen Person, ihrem Körperbau und ihrer Bekleidung ab. 

Das Risiko für einen Herz-Kreislauf-Stillstand steigt bei jungen gesunden Menschen bei einer Körpertemperatur unter 30 Grad, bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen bei unter 32 Grad.

Wie sich der Körper gegen die Auskühlung wehrt

Um weiterhin Wärme zu produzieren und sich vor Auskühlung zu schützen, zittert der Körper. Das Zucken der Muskeln soll die Körpertemperatur aufrechterhalten, beziehungsweise steigern. 

Außerdem verändert sich laut der Akademie für Sport und Gesundheit die Durchblutung: Die Blutgefäße ziehen sich zusammen, wodurch der Körper weniger Energie verliert. Durch das Frieren und Zittern steigt wiederum der Blutdruck an, da das Herz das Blut mit mehr Aufwand durch den Organismus pumpen muss. Die inneren Organe und das Gehirn werden vermehrt durchblutet, um die Körperkerntemperatur zu erhalten.

Körperliche Erschöpfung kann Auskühlung begünstigen

Körperliche Erschöpfung und das Aufbrauchen der Blutzucker-Energiereserven können die Auskühlung jedoch begünstigen, da der Körper dann keine Energie mehr zum Zittern hat. 

"Alle Körperfunktionen können nur gut funktionieren, wenn der Grundbetrieb gewährleistet ist, dazu braucht es Sauerstoff und Zucker als Treibstoffe für das Gehirn, genug Flüssigkeit und Elektrolyte, also Blutsalze, für die Funktion der Nervenzellen. Und eine normale 'Betriebs'-Körpertemperatur", sagt Peter Paal, Anästhesist und Bergrettungsarzt, zum Portal "Berg und Steigen".

Betroffene zeigen manchmal paradoxes Verhalten und spüren Hitze statt Kälte

Mit der Zeit kann die Kälte die Bewegungsfähigkeit der Gliedmaßen einschränken – ebenso die Funktionsweise des Nervensystems. 

"So wie die Gliedmaßen bei Kältestarre nicht mehr richtig funktionieren, kann es auch eine Fehlfunktion des Nervensystems geben. Eine Kälte-bedingte Hirndysfunktion ist ein Zwischenstadium zwischen normalem Funktionieren und Bewusstlosigkeit", sagt der Anästhesist.

In Abhängigkeit davon, wie viele dieser Aspekte beeinträchtigt sind, kann es bei den Betroffenen mitunter zu paradoxem Verhalten kommen. Sie spüren Hitze statt Kälte und verhalten sich manchmal aggressiv oder verwirrt. Sind Bergsteiger gemeinsam verunglückt, kann gegenseitiges Zureden den Betroffenen helfen.

Doch auch wenn die Verunfallten sich nicht paradox verhalten, spüren sie die Kälte irgendwann nicht mehr, da die Kälterezeptoren mit zunehmender Hypothermie ihre Funktion einbüßen.

Die fünf Stadien der Unterkühlung

Insgesamt gibt es nach dem Schweizer Klassifizierungssystem fünf Stadien der Hypothermie. 

  • Im ersten Stadium beträgt die Körpertemperatur zwischen 35 und 32 Grad. Die Person ist wach und ansprechbar, typische Symptome sind Kältezittern. Das Risiko für einen Herzstillstand ist gering.
  • Im zweiten Stadium sinkt die Körpertemperatur auf 32 bis 28 Grad. Das Bewusstsein der Person ist getrübt, sie reagiert jedoch auf Ansprache. In der Regel zeigt sie kein Kältezittern. Das Risiko für einen Herzstillstand ist mittel.
  • Im dritten Stadium sackt die Körpertemperatur weiter auf 28 bis 24 Grad ab. Die Person ist mittlerweile bewusstlos, atmet aber und reagiert auf Schmerzreize. Das Risiko für einen Herzstillstand ist hoch.
  • Im vierten Stadium beträgt die Körpertemperatur weniger als 24 Grad. Die Person ist bewusstlos und atmet nicht erkennbar, in einigen Fällen kann sie minimale Vitalfunktionen zeigen. Das Risiko für einen hypothermischen Herzkreislaufstillstand ist extrem hoch.
  • Im fünften Stadium stirbt die Person an der Unterkühlung. Die Körpertemperatur ist extrem niedrig und liegt unter 14 Grad. Die kälteste bislang wiederbelebte Person hatte eine Temperatur von 13,7 Grad.