Merz-Regierung will Heizungsgesetz abschaffen: Chef von Wärmepumpen-Startup hat drei Vorschläge

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Das Wirtschaftsministerium wandert von den Grünen zur CDU. Angesichts der neuen Pläne zur Wärmewende befürchtet ein Wärmepumpen-Experte einen großen Rückschritt.

München – Robert Habeck gilt deutschlandweit als bekanntester Verfechter der Wärmepumpe. Der einstige Grünen-Chef brachte die emissionsfreie Heizalternative häufig als zentralen Baustein der Wärmewende ins Gespräch. Dabei zeigte die Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) der Ampel-Koalition, auch als Heizungsgesetz verschrien, viele weitere Optionen zum Heizen auf: etwa Solarthermie, Hybridheizungen oder Stromdirektheizungen.

Doch in den Köpfen vieler Bundesbürger setzte sich fest: Wärmepumpe oder nichts. Als würde die Politik den Menschen die Wärmepumpe aufzwingen wollen. Nun hat Habeck nicht nur das Wirtschaftsministerium und die Regierungsbank, sondern gleich auch die vorderen Reihen der Politik verlassen. Den Weg zur Wärmewende gibt künftig die Koalition von Bundeskanzler Friedrich Merz vor. Und da vor allem die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche.

Wärmepumpe unter Merz-Regierung: Experte befürchtet „großen Rückschritt“

Die CDU-Politikerin und ehemalige Managerin nahm sich bereits bei einem ihrer ersten öffentlichen Auftritte, auf dem Wirtschaftstag vom Wirtschaftsrat der CDU, Habecks Politik vor und zerlegte sie quasi fachgerecht in ihre Einzelteile. So sprach die 51-Jährige von einer „Lex Wärmepumpe“ – eine offensichtliche Anspielung auf das Gesetz, das laut Koalitionsvertrag unter Union und SPD keine Zukunft hat.

Fordert von der Regierung um Bundeskanzler Friedrich Merz Planungssicherheit: Wärmepumpen-Experte Jan Ossenbrink (kl. Bild) verortet die Union bei der Wärmewende in einer Sackgasse. © IMAGO / Robert Poorten, IMAGO / Capital Pictures, Vamo

Fällt der einst prognostizierte Run auf die Wärmepumpen also endgültig ins Wasser? Schwarz-Rot wirbt darum, das GEG „technologieoffener, flexibler und einfacher“ zu gestalten. Nach dem Motto: alles kann, nichts muss.

Dr. Jan Ossenbrink überzeugt das nicht. Der CEO des Wärmepumpen-Startups Vamo moniert im Gespräch mit IPPEN.MEDIA: „Die Tatsache, dass der Koalitionsvertrag kein einziges Mal die Begriffe Wärmewende und Wärmepumpe erwähnt, ist ein großer Rückschritt und das exakte Gegenteil von Technologieoffenheit, über die im Vertrag ganze 44 Mal gesprochen wird.“ Handelt es sich also eher um eine Art Mogelpackung?

„Insbesondere die Union hat sich hier argumentativ verrannt und es ist schwer abzusehen, ob sie sich aus dieser Sackgasse noch einmal herausmanövrieren kann“, übt der 37-Jährige heftige Kritik an CDU und CSU: „Denn eines ist klar: auch wenn der Union die Wärmepumpe nicht gefällt - die Physik kennt keine Parteibücher.“

Wärmewende mit Union und SPD: Wärmepumpen-Startup lobt geplante Senkung der Stromsteuer

Ossenbrink befürchtet „nach Lage der Dinge eher einen mutlosen Kompromiss statt einer konsequenten Orientierung an dem richtigen Ziel: der Reduktion von Co2-Emissionen und damit einhergehend der politischen Abhängigkeit von wenigen Gas- und Öl-Exportländern“. Gas bezieht Deutschland nach Angaben der Bundesnetzagentur vor allem aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Öl kommt unter anderem aus den USA, aus Norwegen und aus Kasachstan.

Um die Wärmewende voranzutreiben, hat Ossenbrink drei konkrete Vorschläge aus der Praxis parat. Es brauche „eine radikale Vereinfachung des Fördersystems mit einer Antragstellung durch den Fachunternehmer“, ebenso „eine kontinuierliche, nicht etwa schrittweise, und klar prognostizierbare Reduktion der Förderhöhe vom heutigen Niveau runter auf null Euro im Jahr 2030“, außerdem müsse Deutschland „weg von Einmalförderung hin zu intelligenten Finanzierungslösungen, die die Kosten des Umstiegs zeitlich strecken“.

Die von der Regierung geplante Senkung der Stromsteuer begrüßt der Energiewirtschaftler. Dies sei ein „notwendiger und überfälliger Schritt“. Denn: „Günstiger Strom ist eine Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit aller elektrischen Anwendungen – ganz besonders für die Wärmepumpe, die die Zukunft des Heizens darstellt.“

Merz-Regierung unter Druck: Für Wärmewende fordert Experte vor allem „Planungssicherheit“

Von Reiche und auch von Bauministerin Verena Hubertz (SPD) fordert Ossenbrink vor allem „Planungssicherheit“. Werde ein klarer rechtlicher Rahmen gesetzt, würden die Kosten durch die miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen kontinuierlich sinken. Denn diese könnten sich darauf konzentrieren, kreative und effiziente Lösungen zu suchen, statt sich mit Unsicherheiten herumzuärgern. Das dürfte letztlich auch dem Verbraucher zugute kommen.

Über Dr. Jan Ossenbrink

Er ist Elektroingenieur, promovierter Energiewirtschaftler und Mitgründer des Wärmepumpen-Startups Vamo aus Köln. Er hat über 20 Jahre Erfahrung im Energiebereich. Seinen Doktortitel erwarb er an der ETH Zürich, wo er zu den Auswirkungen politischer Maßnahmen im Energiesektor forschte. 2016 untersuchte er als Gastforscher an der Stanford Graduate School of Business in Kalifornien (USA) die Auswirkungen von Energiepolitik auf die Rolle dezentraler Energieressourcen. Heute leitet er Vamo als CEO.

Außerdem ist für ihn klar: „Wir brauchen echte Technologieneutralität und keine Technologienaivität unter dem Deckmantel von ‚Technologieoffenheit‘.“ Dann würden sich auch mehr Menschen für die Wärmepumpe erwärmen. „Das technologische Rennen um den Heizungskeller wurde bereits vor Jahrzehnten zugunsten der Wärmepumpe entschieden“, betont Ossenbrink.

Sie sei zwar nicht perfekt, aber „im Schnitt viermal effizienter als unsere heutigen Heizungen und in 80 Prozent der Bestandsgebäude sofort einsetzbar“. Die Zeit der Gas- und Ölheizungen laufe hingegen ab, weil deren Dominanz lediglich „auf der jahrzehntelangen Nicht-Bepreisung von Emissionen, die Mensch und Natur schaden“, beruhe.

Katherina Reiche steht am Rednerpult im Bundestag
Neue Wirtschaftsministerin: Katherina Reiche hat sich bereits auf die „Lex Wärmepumpe“ eingeschossen. © Katharina Kausche/dpa

Experte prognostiziert Run auf Wärmepumpen: „Politik muss ihn endlich uneingeschränkt ermöglichen“

Wenn der europäische Emissionshandel ab 2027 auch auf den Gebäude- und Verkehrsbereich ausgeweitet werde, würden die Preise insbesondere beim Heizen deutlich steigen. „Für ein Durchschnittshaus mit Gasheizung müssen Endkunden mit etwa 20.000 Euro an Mehrkosten über eine Laufzeit von 20 Jahren rechnen. Damit die Endkunden nicht in diese Kostenfalle laufen, müssen wir jetzt handeln“, warnt Ossenbrink, der in der ZDF-Sendung „Klartext“ bereits während des Wahlkampfs mit einem Streitgespräch mit Merz für Aufsehen gesorgt hatte.

Aus all diesen Gründen ist er überzeugt: „Der Run auf Wärmepumpen wird kommen, weil die Fakten für sich sprechen. Die Frage ist nur, ob die deutsche Politik ihn endlich uneingeschränkt ermöglicht, statt ihn zu behindern.“ (mg)

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