"Sexismus ist kein Ausländer-Problem": Rapperin wettert in Fleischhauer TV-Zelle

Der Vorspann verspricht das, was uns sonst eigentlich aus dem Internet vertraut geworden ist: viel Geschrei. Tatsächlich aber schauen wir fern. Und wir sehen zwei Menschen zu, die sich in eine finstere Zelle einschließen. Dunkle Wände, dunkler Boden. Die Finsternis setzt sich fort mit einem Porträt des türkischen Präsidenten an der Wand. Und die Insassen? Machen wir es ausnahmsweise politisch korrekt. Es handelt sich um eine Einsitzende und einen Einsitzenden.

Fleischhauer: Gastgeber und Gefängnisschließer

Der eine, so eine Mischung aus Gastgeber und Gefängnisschließer, ist vielen hier bekannt. Er heißt Jan Fleischhauer, als FOCUS-Kolumnist provoziert er mit spitzer Feder und bissigen Thesen.

Die andere ist vorstellungsbedürftiger. Reyhan Sahin bezeichnet das ZDF als „Migrationsforscherin und feministische Aktivistin“. Sie hat eine gewisse Prominenz als „Porno-Rapperin“ gewonnen. Und sie hat Fernsehauftritte schon genutzt fürs Überreichen eigener Körperflüssigkeiten oder dafür, dass sie einem Chefredakteur ein Glas Wasser über den Kopf gekippt hat. Könnte also gut sein, dass Fleischhauer alias Fleischhauer und Reyhan Sahin alias „Lady Bitch Ray“ durchaus flüssig ins Gespräch kommen. „Fleischi“ nennt sie ihn und bezeichnet ihn als studierte Linguistin in wohlgewählten Worten als „Inbegriff des alten weißen Mannes“.

Ich: Migrationsbiographie. Du: Rassist

Auf historischen Schulbänken nehmen die Bitch-Lady und der Kolumnen-Mister gegenüber Platz. Abstand: eine Armlänge. Die tatsächliche Distanz: meilenweit. Sie pflegt ihre Migrationsbiographie: Eltern aus Zentralanatolien, selbst geboren in Bremen. Ihm wirft sie immer wieder Rassismus vor.

TV-Kolumne
Dunkeldeutschland in der finsteren Zelle: Das Studio bietet Schulbank, Polsterecke und einen türkischen Präsidenten auf ZDF

„Wir sehen“, bringt Fleischhauer den großen Vorwurf in einem sehr kleinteilig portionierten Satz unter, „dass die Zahl von Kindern, die alle hier geboren sind, die Deutsch können, wenn sie in die Schule kommen, von Jahr zu Jahr abnimmt.“ Bitch-Ray nimmt das auf und gleich persönlich. „Ich bin zweite Generation mit Migrationsbiographie – Vater Gastarbeiter, Mutter Hausfrau -, und in meinem Umfeld haben alle etwas geschafft. Wenn Du nicht rassistisch denken würdest, würdest Du sagen: Manche schaffen’s, manche schaffen es nicht. Genauso wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund.“

„Ich fühle mich nicht integriert!“

Und dann kommt, hinter all der Lautstärke des Streitgesprächs, der eine Satz, der wirklich nachdenklich machen kann und vielleicht muss. Sahin hat in Deutschland Abitur gemacht. Sie hat in Deutschland studiert. Sie hat hier promoviert. Sie hat hier habilitiert. Und dann sagt die Frau Dr. Prof. Bitch diesen Satz: „Ich fühle mich nicht integriert.“

„Sie macht es sich zu leicht“, urteilt Fleischhauer. Er versucht noch einmal, zum Thema Bildung zurückzukommen. Er erinnert an den Berliner Lehrer, der von Schülern gemobbt wurde, weil er den Ehering von seinem Mann am Finger trägt. Er sagt, es gebe keine Probleme mit Deutsch-Chinesen. Es gebe auch keine Probleme mit Deutsch-Vietnamesen. Deutschland habe ein großes Problem mit arabischstämmigen kleinen Paschas. Und er beharrt: „Ich glaube absolut, dass ich damit eine Mehrheitsmeinung in Deutschland vertrete.“

Und sie? Sahin nennt Zahlen vom Münchner Oktoberfest. 80 Prozent der weiblichen Bedienungen gaben an, bei der Arbeit sexuell belästigt worden zu sein. „Das sind Weiße, das sind Bayern, besoffene Weiße!“, schimpft sie: „Sexismus ist kein Ausländer-Problem, es ist ein Männer-Problem, verfickt nochmal.“

„Die kleinen Paschas sind genau das Problem“

Zurück zu Schule und Bildung? „Deutsch ist die Grundvoraussetzung, um teilzunehmen“, bringt es Fleischhauer auf den Punkt. Sahin lehnt das ab: „Ich glaube nicht mehr an diese Mär, du musst nur gut genug Deutsch können und gut genug in der Schule sein, dann kriegst du schon.“ Er beharrt: „Die kleinen Paschas sind genau das Problem.“ Sie nennt ihn wieder und immer wieder einen Rassisten. Er zuckt die Schultern: „Was heißt Rassismus? Ich habe ein Interesse daran, dass Deutschland ein fröhliches, freundliches, prosperierendes Land bleibt.“

Die halbe Stunde Krawallfernsehen unterhält. Bringt sie Menschen einander näher? „Ein bisschen Herz habe ich gespürt bei ihm“, lenkt Sahin zum Schluss ein wenig ein. Fleischhauer bleibt dabei: „Wir bilden diesen verkanteten Diskurs in Deutschland ab. Das ist es, was ich so verfluche, dass wir nicht einmal bereit sind, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Und dafür steht sie.“