Explosion der Krankenkassen-Beiträge: „Frage mich, warum es keinen großen Aufschrei gibt“

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Krankenversicherten drohen massive Erhöhungen: Die Techniker Krankenkasse schätzt, dass die Sätze bis zum Ende des Jahrzehnts auf bis zu 20 Prozent steigen werden. (Symbolbild) © Fabian Sommer/dpa/dpa-tmn

Krankenversicherten drohen massive Erhöhungen: Die Techniker Krankenkasse schätzt, dass die Sätze bis zum Ende des Jahrzehnts auf bis zu 20 Prozent steigen werden.

Berlin – Die Warnrufe der Krankenkassen werden immer schriller: Wenn nicht bald am deutschen Gesundheitssystem grundlegende Änderungen vorgenommen werden, werden die Beiträge für Versicherte in den kommenden Jahren förmlich explodieren. So droht nach Einschätzung der Techniker Krankenkasse (TK) – die größte deutsche Krankenkasse – in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Erhöhung der Sätze auf bis zu 20 Prozent bis zum Ende des Jahrzehnts.

Krankenkassen-Chef warnt vor Beitragserhöhungen: „Ich frage mich, warum es keinen großen Aufschrei gibt“

In einem aktuellen Interview mit der Welt sagte der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas: „Ich gehe davon aus, dass wir bei den Krankenkassen Anfang 2025 im Durchschnitt 0,5 bis 0,6 Beitragssatzpunkte Erhöhung sehen werden, vielleicht auch mehr.“ Man käme dann durchschnittlich auf rund 17 Prozent. Er betont: „Das größte Problem ist, dass sich diese Entwicklung in absehbarer Zukunft nicht ändern wird. Es stehen weitere teure Gesetze an, und ohne Gegenmaßnahmen werden die Kosten ungebremst steigen.“

Denn dann würden jedes Jahr Beitragserhöhungen folgen. „Bis 2030 könnte der durchschnittliche Beitragssatz dann bei 20 Prozent liegen. Ich frage mich: Wie soll das weitergehen? Sollen die Menschen irgendwann ein Viertel ihres Einkommens für die Krankenversicherung ausgeben müssen?“, so Baas gegenüber der Zeitung. Und der TK-Chef geht noch weiter: „Ich frage mich schon heute, warum es keinen großen Aufschrei gibt. Meine Antwort: Die Politik hat großes Glück, dass der Beitrag einfach vom Lohn abgezogen wird.“

Krankenkassen-Chef teilt gegen Spahn aus – und stellt Forderungen an Lauterbach

Der allgemeine Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung liegt derzeit bei 14,6 Prozent der Einkünfte. Hinzu kommt der von der Kasse abhängige Zusatzbeitrag. Er liegt laut Bundesgesundheitsministerium im Schnitt dieses Jahr bei 1,7 Prozent. Das Problem: Die Milliardendefizite der Krankenkassen, die die Beiträge steigen lassen.

Doch woran liegt das? Nicht nur an der Demografie, so Baas zur Welt. Er teilt gegen den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aus: „Seine Gesetze waren in Summe deutlich teurer, als sie nützlich waren.“ Der aktuelle Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse jetzt dringend die Ausgaben im Gesundheitswesen in den Griff bekommen.

„Die Politik kann nicht immer nur Gesetze machen, die zu höheren Ausgaben führen“, sagte der TK-Chef schon Anfang August den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „Es muss endlich auch darum gehen, wie wir die steigenden Kosten in den Griff bekommen.“

Krankenkassenbeiträge 2025: Erste Prognose im Herbst

Es werde aktuell eine „sehr dynamische Ausgabenentwicklung in der GKV (Gesetzliche Krankenversicherung)“ beobachtet, teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage mit. In welchem Maße diese mit Anhebungen der Zusatzbeitragssätze einhergehen würden, sei jedoch erst im Herbst auf Basis der GKV-Schätzerkreisprognose absehbar.

Der GKV-Schätzerkreis – bestehend aus Expertinnen und Experten des Gesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbandes – schätzt immer im Oktober die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Auf Basis der Schätzung legt das Gesundheitsministerium dann den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für das Folgejahr fest.

Das Ministerium betonte weiter, die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung „fest im Blick“ zu haben. Es werde kontinuierlich daran gearbeitet, „die solidarische Finanzierung von medizinischen Versorgungsleistungen auf höchstem Niveau auch in Zukunft nachhaltig und stabil finanzierbar zu erhalten“.

Dafür werde an der Umsetzung verschiedener Reformmaßnahmen gearbeitet, „die die Effizienz der Versorgung langfristig stärken sollen“. Genannt wurden unter anderem Maßnahmen zur stärkeren Digitalisierung und zum Umbau der Krankenhauskapazitäten. Diese sollen demnach „langfristig zu einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis“ führen. Mit Material der AFP

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