Wegen eines Fotos mit 20 Prostituierten im Gefängnis
Er traf Elvis und überlistete Claudia Cardinale: Star-Fotograf Michael Friedel (90) erzählt von seinem bunten Leben voller Geschichten.
Dietramszell - Seine Wohnung ist so bunt wie sein Leben: In einer ehemaligen Scheune lebt Michael Friedel zwischen farbenfrohen Gemälden aus Haiti, finsteren Masken aus Schwarzafrika und seinem sehr umfangreichen Fotoarchiv. Mehrere Millionen Bilder hat der 90-Jährige auf allen Kontinenten geschossen – und von fast überall her Kunstgegenstände mit nach Hause gebracht.
Friedel-Motiv auf einem brasilianischen Geldschein
Zu den Ländern, die ihm am besten gefallen haben, gehört Brasilien, erzählt der weißhaarige Fotojournalist. „In Brasília war ich einer der ersten Ausländer überhaupt. Dort habe ich mit Staatspräsident Kubitschek in einer Holzhütte gewohnt.“ 1958 war das, als der Aufbau der neuen Hauptstadt mitten im tropischen Nirgendwo gerade erst begonnen hatte. Die Landessprache Portugiesisch spricht er – neben fünf anderen Sprachen – fließend. Anfang der 1980er Jahre verbrachte er mehrere Monate mit verschiedenen indigenen Stämmen im Xingú-Schutzgebiet in Amazonien. „Da habe ich in einer Hängematte zwischen den Indianern geschlafen.“ Eines seiner Motive wurde auf einer noch heute gültigen brasilianischen 10-Real-Banknote verewigt, „mit einer Erstauflage von 250 Millionen Stück“, sagt er und zeigt auf ein Bild in einem seiner Bücher. Stolz ist er auch auf die Briefmarken mit seinen Strandfotos von den Malediven.
Scham bei Rückblick auf Fotosafari nach Kamerun
Mit Scham blickt er dagegen auf eine von einem Reiseveranstalter organisierte Fotosafari nach Kamerun im Jahr 1973 zurück: „Als wir mit dem Bus in den Dörfern ankamen, stürzten die Menschen aus ihren Lehmhütten und warfen im Laufen ihre Kleider ab. Denn die Touristen wollten nur nackte Afrikaner sehen, obwohl es dort ‚oben ohne‘ schon längst nicht mehr gab.“ Immerhin entstand daraus eines seiner erfolgreichsten Stern-Titelbilder – ein selig grinsender weißer Reiseteilnehmer inmitten barbusiger schwarzer Teenagerinnen.
Lastwagenreifen war das Klo für alle
Weniger glücklich war der damalige Präsident von Kamerun über die Bilder: Er beschwerte sich beim damaligen Bundeskanzler Willy Brandt. Als Friedel Jahre später erneut in die zentralafrikanische Republik kam, wurde er bei der Ankunft am Flughafen verhaftet. „Ich saß eine Nacht mit 20 Nutten im Gefängnis“, erinnert er sich. „In dem Raum lag ein Lastwagenreifen, das war das Klo für alle.“ Zum Glück und in weiser Voraussicht hatte er im Vorfeld den deutschen Botschafter über seine Reise informiert. Der schaffte es, ihn am nächsten Tag freizubekommen. „Sonst wäre ich wohl verhungert oder an irgendeiner Seuche gestorben.“
Mit Elvis Presley „Blödsinn gemacht“
Nie zu resignieren – das habe er sich früh zu eigen gemacht. Was ihm außerdem oft zu spektakulären Fotos verhalf: Intuition, Insider-Wissen, Kontakte zu den richtigen Leuten, oft auch Under-Cover-Aktionen. Etwa bei Claudia Cardinale, die er als unauffälliger „Fotoassistent“ beim Spielen mit ihrer Katze im Schlafzimmer ablichten konnte. Mit dem damals noch völlig unbekannten Elvis Presley habe er in der Pause einer Fernsehshow „Blödsinn gemacht“, mit Samy Davis Junior die Amsterdamer Nachtclubs aufgemischt. Die meisten anderen Musiker fand er „stinklangweilig“, genauso wie viele professionelle Models, „die haben zu wenig im Hirn“. Er habe nie etwas gestellt oder verfälscht, betont er: „Manche sehen richtig hässlich aus, aber so sind sie halt.“ Mit einem schelmischen Lächeln gibt er aber zu, den einen oder anderen Promi bewusst von einer weniger schönen Seite abgelichtet zu haben, „wenn mich jemand herablassend behandelt hat“.

Zweiter Wohnsitz auf dem Katamaran seines Sohnes
Vermisst er die aufregende Zeit? „Nein“, sagt er, überlegt und fragt: „Warum?“ Noch immer ist er oft auf Reisen, seit dem Tod seiner Frau vor zwölf Jahren allerdings meistens alleine. „Ich fliege jedes Jahr ein- oder zweimal auf die Malediven“, erzählt der agile Senior. Gerade hat er in seinem eigenen Verlag einen neuen Bildband über die tropische Inselgruppe herausgegeben. Einer seiner Söhne lebt seit zwei Jahren auf einem Katamaran in der Karibik, „das ist quasi mein zweiter Wohnsitz“.
Tantiemen sichern sein Auskommen
Die Tantiemen seiner Bücher und der Verkauf limitierter, in Eigenregie produzierter Fotodrucke sichern Friedel bis heute sein Auskommen. „Ich war nie fest angestellt“, sagt er, eine Rente bekomme er deshalb nicht. Fürs Mittagessen sorgt ein Tiefkühlkost-Lieferant, im nahegelegenen Wirtshaus ist er Stammgast. „Ich kann nur Spaghetti Bolognese kochen“, sagt der Witwer und lacht. Langeweile kennt er nicht. Inmitten seiner Fotos und Reiseandenken genießt er auch mit mittlerweile 90 Jahren noch sein buntes Leben.
(Clara Wildenrath)
Erfolgreicher Fotojournalist
Michael Friedel (90) zählt zu den erfolgreichsten Fotojournalisten Deutschlands. Als 19-Jähriger gewann er 1954 erstmals den Photokina-Preis in Köln, zwei Jahre später ein weiteres Mal. In seinen ersten Fotoreportagen ließen sich die junge Sophia Loren und Elvis Presley für Titelgeschichten in den Nachrichtenmagazinen Spiegel und Stern von ihm ablichten. Später arbeitete er als freier Fotograf für zahlreiche internationale Magazine, bereiste über 100 Länder und porträtierte zahlreiche Prominente der 1960er- und 1970er-Jahre, etwa Romy Schneider, Maria Callas und Hildegard Knef. Mit seiner Frau Marion veröffentlichte er rund 20 Bildbände über Naturvölker und touristische Traumziele. Er ist in Berlin geboren, hat zwei Söhne und lebt seit 60 Jahren in einem fast 400 Jahre alten Bauernhaus im Dietramszeller Ortsteil Steingau.
Serie „30 Minuten mit ...“
Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen leben zahlreiche erfolgreiche Persönlichkeiten – Unternehmer, Sportler, Kunst- und Kulturschaffende. Was macht die Menschen aus, die hinter diesem Erfolg stehen? Was bewegt sie, wie leben sie, worauf sind sie stolz? Für unsere Serie „30 Minuten mit ...“ haben uns bekannte und in der Öffentlichkeit weniger bekannte Frauen und Männer einen ganz persönlichen Einblick in ihr Leben erlaubt. Heute: der renommierte Fotograf Michael Friedel aus Steingau bei Dietramszell.