Energiewende ist billiger, als gedacht: Haushalte profitieren von niedrigen Strompreisen
Die Energiewende kostet Deutschland Milliarden. Allerdings sind die Prognosen der Bundesregierung falsch. Das soll eine neue Analyse zeigen.
Berlin – Deutschland könnte Milliarden einsparen. Medienberichten zufolge steigt der Stromverbrauch nicht so stark wie gedacht. Die Regierung hat ihre Ziele allerdings bereits gesteckt: Bis spätestens 2030 müssen erneuerbare Energien mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs decken. Eine Analyse zeigt die Details.
Energiewende kostet weniger als gedacht – Wie profitieren die Haushalte?
Bei der Energiewende gibt es eine Entwarnung. Angeblich muss Deutschland in den kommenden Jahren erheblich weniger Geld in den Ausbau der Stromnetze und erneuerbare Energien stecken als von der Politik geplant. Einer Analyse des Beratungsunternehmens McKinsey zufolge geht es allein beim Ausbau der Stromübertragungsnetze um Einsparungen um die 110 Milliarden Euro. Bei der Windenergie und Photovoltaik müsse die Politik sogar 130 Milliarden Euro weniger investieren. Das Handelsblatt, dem die Analyse vorliegt, hatte dazu den Senior Partner und Energieexperten Alexander Weiss zitiert: „Die Dekarbonisierung kommt. Aber sie kommt verzögert.“

Der Grund dafür: Weiss zufolge kommt durchaus ein erhöhter Strombedarf auf die Bundesrepublik zu – vor allem beim Verkehr, Wasserstoff, Industrie und Haushalten – allerdings werde dieser die Prognosen der Bundesregierung „deutlich“ unterschreiten. Bundesbürger und Industrie werden, soweit jedenfalls die Ergebnisse, weniger verbrauchen als gedacht.
Das könnte jetzt den Haushalten zugutekommen. Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, sagte dazu im Handelsblatt: „Wir befassen uns ständig sehr kritisch mit den Plänen zum Netzausbau. Und jede Leitung, die nicht erforderlich ist, wird aus den Planungen gestrichen.“ Wenn die Planung des Ausbaus sich stärker am Bedarf orientiert, sieht Müller Chancen für Entlastungen bei vielen Haushalten und Unternehmen .
Deutlich niedrigerer Stromverbrauch bis 2030 – Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch
Die Bundesregierung ging noch im September 2024 davon aus, dass der Bruttostromverbrauch in Deutschland auf rund 750 Terawattstunden steigen soll. Im selben Stichjahr soll der Anteil von erneuerbaren Energien am Strommarkt 80 Prozent betragen – diese müssten dann also rund 600 Terawattstunden Energie erzeugen. „Um unser Klima zu schützen, wird Strom aus Wind, Sonne und anderen erneuerbaren Energien in Deutschland zukünftig den Hauptanteil der Energieversorgung übernehmen“, schrieb die Bundesregierung dazu. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schafft dazu den gesetzlichen Rahmen.
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McKinsey sieht das nach den Ergebnissen der Untersuchung anders: Die Beratungsgesellschaft geht bis 2030 von einem Stromverbrauch von 530 Terawattstunden (Nettostromverbrauch) aus. Laut dem Handelsblatt wären das etwa 140 TWh weniger als der umgerechnete Stromverbrauch, von dem die Regierung ausgeht.
„Schneller Ausbau zeigt Wirkung“ – Behörde findet Ziele erreichbar
Vonseiten der Bundesnetzagentur war zuletzt Optimismus beim Zubau der erneuerbaren Energien zu hören. Die installierte Leistung sei um knapp 20 Gigawatt gewachsen, was letztendlich ein Plus von zwölf Prozent bedeute. Das hatte die Agentur Anfang Januar mitgeteilt. Die Treiber für diese Entwicklung sind Photovoltaik und Windkraftanlagen. „Der schnelle Ausbau zeigt Wirkung. Die erneuerbaren Energien übernehmen mittlerweile die Hauptaufgabe bei der Stromerzeugung in Deutschland – gemessen an der Gesamterzeugung in Deutschland entfielen 254,9 TWh oder fast 60 Prozent auf erneuerbare Energieträger“, hatte Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, dazu gesagt. Die Bundesregierung sei auf Kurs, die Energiewende schreite weiter voran. So könnte sich Deutschland schneller unabhängig von fossilen Energieträgern machen.
Das Statistische Bundesamt berichtete bereits im Juni 2024, dass die erneuerbaren Energien einen Anteil von 61,5 Prozent am Strommix hatten. Den größten Beitrag hatten Windkraftanlagen geliefert, gefolgt von Solarenergie.
Kurios daran: Langfristig betrachtet ist der Stromverbrauch bereits deutlich gesunken. 2007 hatte der deutsche Stromverbrauch mit 624 Terawattstunden einen Höhepunkt erreicht, danach schrumpfte er. Drei Jahre später, also 2010, hatte die Bundesregierung sich das Ziel gesetzt, den Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 um zehn Prozent gegenüber dem Verbrauch von 2008 zu senken. Der Rückgang hatte 2020 dann 10,5 Prozent betragen. In den Jahren 2022 und 2023 sei der Stromverbrauch dann auf den „niedrigsten Wert seit Beginn der Wiedervereinigung“ gesunken.
Energiewende sorgt für Anstieg beim Stromverbrauch – „Künftig ist mit Zunahme zu rechnen“
Aber was heißt das für die Ziele der Bundesregierung? Sind diese bereits erreicht? Nein, denn im Laufe der kommenden Jahre rechnet das Umweltbundesamt damit, dass die Energiewende den Stromverbrauch erst recht noch befeuert. „Künftig ist mit einer Zunahme des Stromverbrauchs zu rechnen, da Effekte der sogenannten Sektorkoppelung einzuplanen sind“, erklärte die Behörde.
Unter anderem sind damit Fahrzeugantriebe und die Wärmebereitstellung in Gebäuden durch etwa Wärmepumpen gemeint. „Bei der Sektorkoppelung bedient das Stromangebot die Nachfrage nach Energie in Haushalten (Wärme und Kälte) und Verkehr (Antrieb), sowie in Industrie und Gewerbe/Handel/Dienstleistungen“, sagte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dazu. Die Industrie habe hier eine Chance, Treibhausgasminderungs- und Effizienzpotentiale zu heben.
Der Bundesrechnungshof zeigte sich im Frühjahr 2024 noch skeptisch – bis zum Jahr 2045 prognostizierte er Investitionskosten von mehr als 460 Milliarden Euro, und das allein für den Ausbau der Stromnetze.