Russland umgeht wichtige West-Sanktionen – und gelangt an gefährliche Güter

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Der Westen hatte Russland mit massiven Sanktionen belegt. Der Kreml findet immer wieder Schlupflöcher. Offenbar betrifft das auch Chemikalien.

Moskau – Mal ist es eine Schattenflotte, die russisches Öl in den Westen transportiert, mal sind es Briefkastenfirmen in Osteuropa oder ein einfacher Umweg über Kasachstan, um Waffen zu importieren: Russland greift auf viele verschiedene Tricks zurück, um westliche Sanktionen zu umgehen. Jetzt stellt sich heraus, dass der Kreml auch bei hochgefährlichen Gütern eine Quelle gefunden haben könnte. Dabei geht es um Chemikalien, die auch im Ukraine-Krieg eine Rolle spielen.

Düngemittel-Firmen sollen Putins Kriegswirtschaft speisen – so umgeht der Kreml Sanktionen

Russland importiert offenbar große Mengen von Chemikalien, die für die Herstellung von Sprengladungen notwendig sind – und zwar von Düngemittel-Firmen, die bislang nicht auf der internationalen Sanktionsliste stehen. Konkret soll der russische Sprengstoffhersteller JSC Spetskhimiya Bestellungen in Höhe von Zehntausenden Tonnen Salpetersäure und Salpetersäure-Schwefelsäure-Mischung bei zwei Düngemittel-Firmen platziert haben. Das hatte das Nachrichtenportal Bloomberg unter Berufung auf ihm vorliegende Dokumente berichtet. Die bestellten Chemikalien kommen unter anderem bei der Herstellung von Dynamit und Schießpulver zum Einsatz – und auch bei anderen Sprengstoffen, die Russland im Ukraine-Krieg verwendet.

Wladimir Putin in Moskau.
Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). Der Westen hatte Russland mit massiven Sanktionen belegt. Der Kreml findet immer wieder Schlupflöcher. Offenbar betrifft das auch Chemikalien. © IMAGO / ITAR-TASS

Den Bloomberg-Dokumenten zufolge haben beide Düngemittelfirmen Verbindungen zu sanktionierten Superreichen. Außerdem sollen sie über ausreichende Kapazitäten verfügen, um einen „signifikanten“ Anteil des russischen Bedarfs für Salpetersäure und Salpetersäure-Schwefelsäure-Mischungen zu decken. Allerdings gestaltet sich eine Sanktionierung dieser Firmen durch den Westen schwierig, da sie für die globale Ernährungssicherheit wichtig seien.

Russland als Düngemittel-Versorger – Putin verlangt Aufhebung von Handelsrestriktionen

Russland spielt tatsächlich eine große Rolle bei der Versorgung westlicher Länder mit Düngemitteln. Laut dem Observatory of Economic Complexity (OEC) hatte Russland im Jahr Stickstoff-Düngemittel im Wert von 1,4 Milliarden US-Dollar an die USA geliefert. Hinzu kamen Kalidünger (388 Millionen US-Dollar) und chemische Düngemittel (127 Millionen US-Dollar). Deutschland hatte für chemische Düngemittel aus Russland 61,9 Millionen US-Dollar bezahlt, für Stickstoff-Düngemittel 193 Millionen US-Dollar. All diese Zahlen gelten für 2023.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte darüber hinaus offengelegt, dass die Düngemittel-Exporte von Russland in die EU weiter steigen. Allein für 2024 habe hier ein Plus von 33 Prozent auf dem Papier gestanden – auf 6,2 Millionen Tonnen. Der russische Staat habe daran 550 Millionen Euro in Steuereinnahmen verdient. Vor allem Polen sei hier ein Großkäufer. Ende März hatte der Kreml verlangt, dass EU-Handelsbeschränkungen auf Nahrungsmittel und Düngemittel enden müssten, ehe das Land zu einem neuen Schwarzmeer-Deal bereit sei. Um europäische Düngemittel-Hersteller zu stärken, hatte die EU höhere Zölle auf Russlands Düngemittel verhängt.

Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft – China und Indien gehen auf Abstand

Die westlichen Ukraine-Verbündeten hatten seit 2022 umfangreiche Sanktionen verabschiedet, die unter anderem die russische Verteidigungsindustrie treffen sollten. Das Ziel: Durch den Entzug westlicher Produkte sollten diese es schwerer haben, Waffen oder andere Kampfmittel zu produzieren. Andere Sanktionen trafen wichtige Handelssektoren, zum Beispiel den Export von Öl, den die G7-Nationen mittels eines Ölpreisdeckels beschneiden wollten. Chemikalien waren ebenfalls Bestandteil von westlichen Sanktionspaketen. Im zwölften Sanktionspaket (19. Dezember 2023) hatte die EU zum Beispiel neue Exportkontrollen auf Dual-Use-Güter gelegt. Darunter hatten sich auch Chemikalien, Thermostate und Maschinenteile befunden.

Allerdings hatte Russland immer wieder Mittel und Wege gefunden, um verschiedene Sanktionen zu umgehen. Teilweise hatte Kreml-Chef Wladimir Putin dafür massive Mehrkosten in Kauf genommen – zum Beispiel hatte er eine Schattenflotte aus alten, maroden Tankschiffen zusammengestellt, um weiter Öl in den Westen verkaufen zu können. Zwar hatten in diesem Falle Sekundärsanktionen dazu geführt, dass auch wichtige Handelspartner Russlands (darunter China und Indien) diesen Schattentankern die Einfuhr in verschiedene Häfen verwehrten, aber das hatte lange gedauert. In der Zwischenzeit konnte Russland an den Exporten Milliarden verdienen.

Die beiden Düngemittelfirmen aber stellen den Westen vor neue Herausforderungen. Eine Sanktionierung gestaltet sich wegen der Bedeutung von russischen Düngemitteln schwierig.

Auch interessant

Kommentare